Olympia mit freundlichem Antlitz
Die European Championships in München schlagen in neun Sportarten die Brücke zwischen 1972er-Nostalgie und Gegenwart.
MÜNCHEN. Olympia vor 50 Jahren: Das waren bis zum verheerenden
Terroranschlag im Olympischen Dorf und der folgenden missglückten Befreiungsaktion heitere und ausgelassene Spiele. Diese Erinnerung an München 1972 soll ab kommender Woche neu belebt werden,
wenn in der bayerischen Metropole die European Championships 2022 starten.
Von 11. bis 21. August kämpfen in München 4700 Sportlerinnen und Sportler in neun Disziplinen um Europameistertitel. Dieses kompakte „Mini-Olympia“steigt zum zweiten Mal nach 2018, als Glasgow und Berlin die Austragungsorte waren. Eine attraktive Plattform auch für weniger beachtete Sportarten zu
bieten war der Hintergedanke. Im Beachvolleyball, Kanu, Klettern, Leichtathletik, Radsport, Rudern, Tischtennis, Triathlon und Turnen
geht es diesmal um Goldmedaillen. Nichts zu tun haben sie mit den European Games. Dieser Kontinentalableger von Olympia stieß schon aufgrund der politisch zweifelhaften Austragungsländer – 2015 in Aserbaidschan bzw. 2019 in Belarus – auf eher mäßige Begeisterung
bei den Sportlerinnen und Sportlern.
Den nostalgischen Brückenschlag von 1972 zur Gegenwart nutzen die Macher auch in der Vermarktung. Sport so wie damals, als Olympia noch überschaubar war und kein aus dem Ruder gelaufenes
gigantomanisches Spektakel mit aberwitzigen Ticketpreisen. Dazu
passend will München 2022 ein Event der kurzen Wege und der Nachhaltigkeit sein und nutzt fast
nur Sportstätten von 1972. Die Leichtathleten treten im Olympiastadion auf, auch Turnen, Triathlon, Mountainbike und BMX finden im Olympiapark statt. Auf der Regattastrecke Oberschleißheim
matchen sich Ruderer und Kanusportler, die Rudi-Sedlmayr-Halle
ist Tischtennis-Schauplatz.
Beachvolleyball und Klettern waren vor 50 Jahren noch keine olympischen Sportarten, mit diesen jungen Disziplinen wird die Stadt zur
Arena, konkret der Königsplatz in der Maxvorstadt. Auch Marathon, Gehen und das Straßenradfahren werden die City beleben. Einige
Wettkämpfe wie etwa der Triathlon
werden bei freiem Eintritt stattfinden, ebenso die Eröffnungsfeier am Mittwochabend und die Konzerte
von Stars wie Marteria oder Wanda im Rahmenprogramm. „Ein unvergleichliches Event- und FestivalFeeling für alle Beteiligten“verspricht die Event-Homepage.
„Hochklassiger Sport nah an den Menschen“ist ein weiteres Schlagwort der European Championships. Das Publikumsinteresse war kurz
vor Beginn gemischt. Viele Tickets seien schon für die Finalrunden im Beachvolleyball und die Bahnradrennen abgesetzt, hieß es. „Aber
wir merken Corona, viele haben gezögert“, sagte Kommunikationschef Manuel Deutschmeyer. Auch
wegen des Wetters werde zugewartet. Bei der Leichtathletik wird selektiv ausgewählt: Die guten Plätze an der Weitsprunggrube sind für
den 18. August schon alle weg – da springt die deutsche Olympiasiegerin und Weltmeisterin Malaika Mihambo. Insgesamt erhoffen sich die
Veranstalter knapp eine halbe Million verkaufter Tickets. Die Preise
wurden bewusst niedrig gehalten, auf der Radbahn, beim Tischtennis oder bei den Leichtathletik-Vormittagssessions ist man schon mit 20 bis 25 Euro fürs Tagesticket dabei.
Für viele österreichische Sommersportler bildet München den Saisonhöhepunkt. Neben den Leichtathleten sind vor allem die
Kletterer hochmotiviert, vorn dabei zu sein. „Die EM ist das große Highlight heuer“, sagt Olympia-Bronzegewinner Jakob Schubert. Eine Medaille im Boulderbewerb und das Finale in der neuen Kombination sind sein Ziel. Ruderin Magdalena Lobnig kämpfte sich ein Jahr nach Bronze in Tokio gerade rechtzeitig zurück. Sie war im Frühjahr durch
Atemprobleme gehandicapt gewesen. Für die rot-weiß-roten Beachvolleyballer war die EM immer schon eine gute Bühne. Mit Alexander Horst (Silber 2009, Bronze 2014, diesmal mit dem Salzburger Julian
Hörl am Start) sowie Moritz Pristauz/Martin Ermacora (Bronze 2019) stehen gleich drei frühere Medaillengewinner auf dem Königsplatz am Start.