Bruha-haha
Der Witz steckt in der Klemme. Kluger Sprachwitz oder derber Schenkelklopfer? Feine Spitze oder Draufhauen? Die Satire steht auf dem Prüfstand. Und das ist gut so.
Die Farbgebung des Humors ist so bunt wie ein Regenbogen. Und äußerst variabel. Was man als Kind so herrlich komisch fand – Otto Waalkes oder Louis de Funès –, verblasst im Laufe der Jahre und man fragt sich heute, worüber man sich damals bitte nur so abhauen konnte.
Als nahezu ausgestorben gilt der Blondinenwitz, über die Gründe kann man nur spekulieren. Vielleicht liegt es daran, dass dieses Genre nie wirklich witzig war. Und dass N*-Witze nur mehr dem einfach gestrickten Populismus dienen, zeigte vor mehr als zehn Jahren der frühere Kärntner Landeshauptmann Dörfler.
Sie erinnern sich? Bei einer Pressekonferenz zu „Wenn die Musi spielt“gab er Folgendes zum Besten: „Eine ,Negermama‘ und eine weiße Mutter sitzen im Zug
von Klagenfurt nach Wien und stillen ihre Babys. Das weiße Baby hört auf zu trinken, zeigt auf das ,Negerbaby‘ und sagt: ,Mama, ich möchte auch Kakao.‘“Von vielen Seiten ob dieses rassistischen Verbalrülpsers kritisiert, äußerte sich das Landesoberhaupt, dass es kein „Negerwitz“
gewesen sei, sondern ein „Kakaowitz“.
Ein bissl Spaß soll schon sein dürfen in der Politik, meinte Dörfler damals.
Nun gut, den hatten wir in den vergangenen Jahren, würde der Satiriker behaupten, wenn auch die politische Satire in Österreich im Vergleich zu Deutschland sehr
leise ist. Aber trotzdem: Aus dem geflügelten Spruch „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ist still und leise ein „Darf man das noch lustig finden?“geworden. Lisa
Eckhart hat das in Ausübung ihrer Arbeit am eigenen Leib erfahren, als sie sich
über die maßlosen – und zufällig – jüdischen Männer lustig machte, um die es in der #Metoo-Bewegung ging. Wörtlich sagte sie unter anderem: „Was tun, wenn die
Unantastbaren beginnen, andere anzutasten?“Seither wird jedenfalls über „Cancel Culture“debattiert – was man sagen darf
und was nicht. Lisa Eckhart erntete Shitstorms, wurde bei Veranstaltungen ausgeladen und verweigert heute dazu Interviews. Frage am Rande: Was, wenn nicht die spröde und provokante Kunstfigur Eckhart diese Worte von sich gegeben
hätte, sondern Josef Hader? Das ist jetzt zwar ein anderes Thema, aber Sie sehen,
die Sache beginnt, kompliziert zu werden.
Betrachten wir zunächst das Individuum, schon hier geht es los mit interpersonellen Verwirrungen. Oder wie nennt man es, wenn man im realen Leben dem Kind zwar nicht die Profifußballerkarriere auszureden versucht, aber doch die Großraumgarage, in der der Monstertruck Platz finden soll, während
man sich zerkugelt, wenn der Kabarettist auf der Bühne erzählt, wie er mit seinem
Dodge-Ram-Truck beim Einparken den Gemüsegarten der esoterischen Freundin seiner Frau umackert, aus Versehen, versteht sich? Das ist dann wohl das, was man gemeinhin unter „Humor“versteht.
Und Satire, die dem kleinen Spießer und politisch Überkorrekten in einem selbst gnadenlos den Spiegel vors Gesicht
hält, die darf nun einmal wehtun. Vor allem wissen wir: Manche Themen werden erst durch Parodie oder Witz enttabuisiert
und dadurch erst komisch. Auch und gerade das, was nicht politisch korrekt ist.
Satire soll und muss viel dürfen, zum Lachen bringen, kritisieren, doch getreten
werden dürfe nur von unten nach oben. Das sagen einhellig Nadja Maleh, Alex Kristan, der „Tagespresse“-Gründer Fritz
Jergitsch, Denice Bourbon und David
Stockenreitner, ein körperlich beeinträchtigter Nachwuchscomedian, der kein Problem hat, sich über seine Behinderung lustig zu machen. Nicht wohlfühlen würde er sich jedoch, wie er selbst sagt, käme sein Witz von einer Person ohne Beeinträchtigungen.
Doch zünden tut der Witz für Stockenreitner erst dann, wenn er auf die Schaufel nimmt, wie sich die Gesellschaft gegenüber Menschen mit Beeinträchtigungen verhält. Auch für die Halbsyrerin Nadja Maleh ist es mindestens genauso spannend, aufs Korn zu nehmen, wie die
Bevölkerung mit kultureller Vielfalt umgeht, wie sich über die eigenen kulturellen Eigenheiten lustig zu machen. Selbstironie ist für sie eine hohe Gabe, die Grenzen des guten Geschmacks sieht sie überschritten, wenn dieses Sich-lustig-Machen dem Populismus dient und nur noch beleidigt. Bei Stockenreitner und Maleh ist Humor, so könnte man sagen, qua Herkunft oder Beeinträchtigung quasi legitimiert. Wo liegen aber sonst die Grenzen? Nadja Maleh sagt dazu: „Das ist ein superheikles Feld. Auch wenn Satire den Finger in die Wunde legen soll: Es ist nicht zulässig, jemanden über die Sprache zu
kränken.“Einerseits aus Toleranz, andererseits, weil sich gewisse Themen nicht für die Satire eignen würden, gendergerechte Sprache etwa, bewiesenermaßen ein wichtiger Beitrag gegen Ungleichstellung. Sich darüber lustig zu machen bringe uns gesellschaftlich einfach nicht weiter. Einwurf von Alex Kristan: Den Frauen sei mehr geholfen, wenn die Gehälter an das Niveau der männlichen Kollegen angepasst würden, statt über Gendersternchen zu diskutieren. Und schon ist man mittendrin in der gesellschaftlichen Debatte, die nun einmal Humor einschließt.
Die Steilvorlage für die Satire, das sind laut Nadja Maleh die Randerscheinungen gesellschaftlicher Themen, jene, wo Menschen in der Diskussion über geschlechtliche Identitäten etwa darauf beharren, als Elfen gesehen zu werden. Wo Dinge grotesk werden, darf dann – frei übersetzt
– der Schelm den zarten Fabelwesen eines über die Rübe ziehen. Der „Gemüsebeetzerstörer“und Parodist heimischer Fußballgrößen, Alex Kristan, presst seine Finger gern auf „Halbwahrheiten wie die Elektromobilität“, die Menschen als Allheilmittel verkauft würden. Für ihn ist Komik in erster Linie ein „Lustigmachen
über sich selbst“. Mit übertriebener politischer Korrektheit hat der Comedian Probleme, abweichende Ideen würden damit nicht selten abgewürgt, letztlich zulasten der Meinungsfreiheit. Was aber wiederum
kein Freibrief für Beleidigungen sein dürfe. Für ihn steht in einer „zunehmend radikalisierten und dünnhäutiger werdenden Gesellschaft“Respekt ganz oben auf der Werteskala.
Es ist nicht zulässig, jemanden über die Sprache zu kränken.
Nadja Maleh Schauspielerin und Kabarettistin
Fritz Jergitsch bereichert mit seiner „Die Tagespresse“seit 2013 den Alltag der mittlerweile über 360.000 Fans auf Social Media mit satirischen Meldungen wie dieser: „,Zigeuner Räder‘ nicht
mehr zeitgemäß: Kelly’s präsentiert ,Zigeuner-E-Bikes‘“, nachdem der österreichische Snackhersteller verkündet hatte, sein Knabberprodukt auf „Zirkusräder“umzutaufen.
Er sieht das mit dem Humor entspannt: Die „Moralpolizei“sei schon einmal strenger gewesen, sagt er, etwa als man Galileo Galilei wegen Abweichlertums auf den Scheiterhaufen geworfen habe. Politische Korrektheit diene heute eher Gleichberechtigung und Respekt, und das sei gut so. Neu ist für ihn lediglich „die Geschwindigkeit, mit der unsere moralischen Normen von teils kleinen Gruppen der Gesellschaft verschoben werden“.
Fritz Jergitschs persönliche Grenzen sind dort, wo die subjektive Zumutbarkeit endet und der Witz zur bösartigen Entwürdigung eines Menschen wird. Für ihn und seine Humortexter ist wichtig, sich nach
jedem Querschuss in den Spiegel schauen zu können. „Klarerweise verschieben sich mit zunehmender Lebenserfahrung auch meine moralischen Parameter. Würde ich heute noch alles schreiben, was ich 2013 gebracht habe? Nein.“
Genau aus diesem Grund hat Denice Bourbon mit Partnern in Wien den queeren Comedyclub PCCC gegründet: Weil sie vieles von dem, worüber aus dem Affekt gelacht wird, nicht witzig fanden. Die meist queeren Proponenten hatten genug davon, als schwule, lesbische oder transsexuelle Personen selbst als Witzfiguren herhalten zu müssen. Wie für die adulte Autorin der Humor eines Otto
Waalkes nur mehr melancholische Kindheitserinnerung ist, könne und müsse man auch den Witz am Zeitgeist messen, findet Denice Bourbon. „Wir lachen aus Gewohnheit“, sagt sie, und sähen so drüber hinweg, dass aus manchem Witz eine Ausdrucksform von verbaler Gewalt geworden sei.
Bourbon ist der Überzeugung, dass Themen wie Sexismus im Kabarett das Resultat von Faulheit und Ideenlosigkeit des Künstlers sind. Aber muss sie selbst nicht auch über unkorrekte, aus der
Zeit gefallene oder einfach depperte Witze lachen? Doch, sagt Denice Bourbon, „weil ich es gelernt habe. Es ist aber niemandem verboten, darüber nachzudenken, ob sich das Thema heute noch für einen Witz eignet.“
Letzten Endes ist Comedy, wie so vieles, Geschmackssache. In dieser Vielfalt finde jeder Besuchende seinen Humor, findet David Stockenreitner. „Wenn ich auf Techno stehe, gehe ich auch nicht in einen Jazz-Club.“In der Comedy müsse das Publikum damit rechnen, dass es nicht immer die eigene Meinung serviert
bekomme. Alex Kristan sagt dazu: „Mit der Absicht, es allen recht machen zu wollen, wird man als Komiker scheitern.
Aber die Toleranz der Moralprediger sollte nicht dort enden, wo die Meinung eines
Andersdenkenden beginnt.“Was sich Nadja Maleh wünschen würde: dass Sprache kein Minenfeld wird, kein Kriegsschauplatz, auf dem man sich ununterbrochen schlechte Absichten unterstellt.