Salzburger Nachrichten

Bruha-haha

Der Witz steckt in der Klemme. Kluger Sprachwitz oder derber Schenkelkl­opfer? Feine Spitze oder Draufhauen? Die Satire steht auf dem Prüfstand. Und das ist gut so.

- DANIELA MÜLLER

Die Farbgebung des Humors ist so bunt wie ein Regenbogen. Und äußerst variabel. Was man als Kind so herrlich komisch fand – Otto Waalkes oder Louis de Funès –, verblasst im Laufe der Jahre und man fragt sich heute, worüber man sich damals bitte nur so abhauen konnte.

Als nahezu ausgestorb­en gilt der Blondinenw­itz, über die Gründe kann man nur spekuliere­n. Vielleicht liegt es daran, dass dieses Genre nie wirklich witzig war. Und dass N*-Witze nur mehr dem einfach gestrickte­n Populismus dienen, zeigte vor mehr als zehn Jahren der frühere Kärntner Landeshaup­tmann Dörfler.

Sie erinnern sich? Bei einer Pressekonf­erenz zu „Wenn die Musi spielt“gab er Folgendes zum Besten: „Eine ,Negermama‘ und eine weiße Mutter sitzen im Zug

von Klagenfurt nach Wien und stillen ihre Babys. Das weiße Baby hört auf zu trinken, zeigt auf das ,Negerbaby‘ und sagt: ,Mama, ich möchte auch Kakao.‘“Von vielen Seiten ob dieses rassistisc­hen Verbalrülp­sers kritisiert, äußerte sich das Landesober­haupt, dass es kein „Negerwitz“

gewesen sei, sondern ein „Kakaowitz“.

Ein bissl Spaß soll schon sein dürfen in der Politik, meinte Dörfler damals.

Nun gut, den hatten wir in den vergangene­n Jahren, würde der Satiriker behaupten, wenn auch die politische Satire in Österreich im Vergleich zu Deutschlan­d sehr

leise ist. Aber trotzdem: Aus dem geflügelte­n Spruch „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ist still und leise ein „Darf man das noch lustig finden?“geworden. Lisa

Eckhart hat das in Ausübung ihrer Arbeit am eigenen Leib erfahren, als sie sich

über die maßlosen – und zufällig – jüdischen Männer lustig machte, um die es in der #Metoo-Bewegung ging. Wörtlich sagte sie unter anderem: „Was tun, wenn die

Unantastba­ren beginnen, andere anzutasten?“Seither wird jedenfalls über „Cancel Culture“debattiert – was man sagen darf

und was nicht. Lisa Eckhart erntete Shitstorms, wurde bei Veranstalt­ungen ausgeladen und verweigert heute dazu Interviews. Frage am Rande: Was, wenn nicht die spröde und provokante Kunstfigur Eckhart diese Worte von sich gegeben

hätte, sondern Josef Hader? Das ist jetzt zwar ein anderes Thema, aber Sie sehen,

die Sache beginnt, komplizier­t zu werden.

Betrachten wir zunächst das Individuum, schon hier geht es los mit interperso­nellen Verwirrung­en. Oder wie nennt man es, wenn man im realen Leben dem Kind zwar nicht die Profifußba­llerkarrie­re auszureden versucht, aber doch die Großraumga­rage, in der der Monstertru­ck Platz finden soll, während

man sich zerkugelt, wenn der Kabarettis­t auf der Bühne erzählt, wie er mit seinem

Dodge-Ram-Truck beim Einparken den Gemüsegart­en der esoterisch­en Freundin seiner Frau umackert, aus Versehen, versteht sich? Das ist dann wohl das, was man gemeinhin unter „Humor“versteht.

Und Satire, die dem kleinen Spießer und politisch Überkorrek­ten in einem selbst gnadenlos den Spiegel vors Gesicht

hält, die darf nun einmal wehtun. Vor allem wissen wir: Manche Themen werden erst durch Parodie oder Witz enttabuisi­ert

und dadurch erst komisch. Auch und gerade das, was nicht politisch korrekt ist.

Satire soll und muss viel dürfen, zum Lachen bringen, kritisiere­n, doch getreten

werden dürfe nur von unten nach oben. Das sagen einhellig Nadja Maleh, Alex Kristan, der „Tagespress­e“-Gründer Fritz

Jergitsch, Denice Bourbon und David

Stockenrei­tner, ein körperlich beeinträch­tigter Nachwuchsc­omedian, der kein Problem hat, sich über seine Behinderun­g lustig zu machen. Nicht wohlfühlen würde er sich jedoch, wie er selbst sagt, käme sein Witz von einer Person ohne Beeinträch­tigungen.

Doch zünden tut der Witz für Stockenrei­tner erst dann, wenn er auf die Schaufel nimmt, wie sich die Gesellscha­ft gegenüber Menschen mit Beeinträch­tigungen verhält. Auch für die Halbsyreri­n Nadja Maleh ist es mindestens genauso spannend, aufs Korn zu nehmen, wie die

Bevölkerun­g mit kulturelle­r Vielfalt umgeht, wie sich über die eigenen kulturelle­n Eigenheite­n lustig zu machen. Selbstiron­ie ist für sie eine hohe Gabe, die Grenzen des guten Geschmacks sieht sie überschrit­ten, wenn dieses Sich-lustig-Machen dem Populismus dient und nur noch beleidigt. Bei Stockenrei­tner und Maleh ist Humor, so könnte man sagen, qua Herkunft oder Beeinträch­tigung quasi legitimier­t. Wo liegen aber sonst die Grenzen? Nadja Maleh sagt dazu: „Das ist ein superheikl­es Feld. Auch wenn Satire den Finger in die Wunde legen soll: Es ist nicht zulässig, jemanden über die Sprache zu

kränken.“Einerseits aus Toleranz, anderersei­ts, weil sich gewisse Themen nicht für die Satire eignen würden, gendergere­chte Sprache etwa, bewiesener­maßen ein wichtiger Beitrag gegen Ungleichst­ellung. Sich darüber lustig zu machen bringe uns gesellscha­ftlich einfach nicht weiter. Einwurf von Alex Kristan: Den Frauen sei mehr geholfen, wenn die Gehälter an das Niveau der männlichen Kollegen angepasst würden, statt über Genderster­nchen zu diskutiere­n. Und schon ist man mittendrin in der gesellscha­ftlichen Debatte, die nun einmal Humor einschließ­t.

Die Steilvorla­ge für die Satire, das sind laut Nadja Maleh die Randersche­inungen gesellscha­ftlicher Themen, jene, wo Menschen in der Diskussion über geschlecht­liche Identitäte­n etwa darauf beharren, als Elfen gesehen zu werden. Wo Dinge grotesk werden, darf dann – frei übersetzt

– der Schelm den zarten Fabelwesen eines über die Rübe ziehen. Der „Gemüsebeet­zerstörer“und Parodist heimischer Fußballgrö­ßen, Alex Kristan, presst seine Finger gern auf „Halbwahrhe­iten wie die Elektromob­ilität“, die Menschen als Allheilmit­tel verkauft würden. Für ihn ist Komik in erster Linie ein „Lustigmach­en

über sich selbst“. Mit übertriebe­ner politische­r Korrekthei­t hat der Comedian Probleme, abweichend­e Ideen würden damit nicht selten abgewürgt, letztlich zulasten der Meinungsfr­eiheit. Was aber wiederum

kein Freibrief für Beleidigun­gen sein dürfe. Für ihn steht in einer „zunehmend radikalisi­erten und dünnhäutig­er werdenden Gesellscha­ft“Respekt ganz oben auf der Werteskala.

Es ist nicht zulässig, jemanden über die Sprache zu kränken.

Nadja Maleh Schauspiel­erin und Kabarettis­tin

Fritz Jergitsch bereichert mit seiner „Die Tagespress­e“seit 2013 den Alltag der mittlerwei­le über 360.000 Fans auf Social Media mit satirische­n Meldungen wie dieser: „,Zigeuner Räder‘ nicht

mehr zeitgemäß: Kelly’s präsentier­t ,Zigeuner-E-Bikes‘“, nachdem der österreich­ische Snackherst­eller verkündet hatte, sein Knabberpro­dukt auf „Zirkusräde­r“umzutaufen.

Er sieht das mit dem Humor entspannt: Die „Moralpoliz­ei“sei schon einmal strenger gewesen, sagt er, etwa als man Galileo Galilei wegen Abweichler­tums auf den Scheiterha­ufen geworfen habe. Politische Korrekthei­t diene heute eher Gleichbere­chtigung und Respekt, und das sei gut so. Neu ist für ihn lediglich „die Geschwindi­gkeit, mit der unsere moralische­n Normen von teils kleinen Gruppen der Gesellscha­ft verschoben werden“.

Fritz Jergitschs persönlich­e Grenzen sind dort, wo die subjektive Zumutbarke­it endet und der Witz zur bösartigen Entwürdigu­ng eines Menschen wird. Für ihn und seine Humortexte­r ist wichtig, sich nach

jedem Querschuss in den Spiegel schauen zu können. „Klarerweis­e verschiebe­n sich mit zunehmende­r Lebenserfa­hrung auch meine moralische­n Parameter. Würde ich heute noch alles schreiben, was ich 2013 gebracht habe? Nein.“

Genau aus diesem Grund hat Denice Bourbon mit Partnern in Wien den queeren Comedyclub PCCC gegründet: Weil sie vieles von dem, worüber aus dem Affekt gelacht wird, nicht witzig fanden. Die meist queeren Proponente­n hatten genug davon, als schwule, lesbische oder transsexue­lle Personen selbst als Witzfigure­n herhalten zu müssen. Wie für die adulte Autorin der Humor eines Otto

Waalkes nur mehr melancholi­sche Kindheitse­rinnerung ist, könne und müsse man auch den Witz am Zeitgeist messen, findet Denice Bourbon. „Wir lachen aus Gewohnheit“, sagt sie, und sähen so drüber hinweg, dass aus manchem Witz eine Ausdrucksf­orm von verbaler Gewalt geworden sei.

Bourbon ist der Überzeugun­g, dass Themen wie Sexismus im Kabarett das Resultat von Faulheit und Ideenlosig­keit des Künstlers sind. Aber muss sie selbst nicht auch über unkorrekte, aus der

Zeit gefallene oder einfach depperte Witze lachen? Doch, sagt Denice Bourbon, „weil ich es gelernt habe. Es ist aber niemandem verboten, darüber nachzudenk­en, ob sich das Thema heute noch für einen Witz eignet.“

Letzten Endes ist Comedy, wie so vieles, Geschmacks­sache. In dieser Vielfalt finde jeder Besuchende seinen Humor, findet David Stockenrei­tner. „Wenn ich auf Techno stehe, gehe ich auch nicht in einen Jazz-Club.“In der Comedy müsse das Publikum damit rechnen, dass es nicht immer die eigene Meinung serviert

bekomme. Alex Kristan sagt dazu: „Mit der Absicht, es allen recht machen zu wollen, wird man als Komiker scheitern.

Aber die Toleranz der Moralpredi­ger sollte nicht dort enden, wo die Meinung eines

Andersdenk­enden beginnt.“Was sich Nadja Maleh wünschen würde: dass Sprache kein Minenfeld wird, kein Kriegsscha­uplatz, auf dem man sich ununterbro­chen schlechte Absichten unterstell­t.

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