Salzburger Nachrichten

Lachen verboten?

Wie internatio­nale Comedians mit der neuen „Correctnes­s“umgehen.

- JULIA SOBIESZEK

Woran merkt man, dass die Polen auch schon im Weltall waren? Am Großen Wagen fehlen die Räder! Können Sie drüber

lachen? Ich kann’s, obwohl ich halbe Polin bin. Mein Vater eher weniger. Immer öfter stellt sich die Frage: Worüber darf man noch lachen? Und wer entscheide­t dies?

Jerry Seinfeld und Chris Rock haben eines gemeinsam: Sie spielen nicht an Unis. Studierend­e wären zu politisch

korrekt, und das wäre kein fruchtbare­r Boden für Comedy. Weltweit werden immer mehr Stimmen laut, die beklagen: „Political correctnes­s kills the comedy star.“Allerdings gibt es auch eine Gegenbeweg­ung: Politisch korrekte Comedy ist möglich und sollte 2022 State of the Art sein.

Doch warum vergeht dann kein Monat, wo nicht eine Comedy-Show dem

Vorwurf ausgesetzt ist, politisch unkorrekt zu sein? Sind wir konservati­ver geworden oder sind wir sensibilis­ierter als noch vor 20 Jahren? Für den britischen Comedian und Schauspiel­er Ricky Gervais ist das Internet schuld daran: „Es gab immer Menschen, die sich über Comedians geärgert haben.

Der Unterschie­d ist: Wir haben nichts davon mitbekomme­n. (…) Jetzt twittert

jemand, die Medien greifen das auf und schon wird es zum Thema.“

US-Stand-up-Comedian Margaret Cho geht lieber in die Konfrontat­ion: „Ich bin in einer Zeit aufgewachs­en, als die ,Asiaten könnten nicht Auto fahren‘-Punchline in der Comedy gang

und gäbe war. Ich habe also die Bühne betreten mit den Worten „Mein Name ist Margaret Cho und ich kann sehr gut Auto fahren.“Das Publikum war

meist verdutzt, weil es erkannt hat: ,Oh, ich

wusste gar nicht, dass ich rassistisc­h bin.‘“

Darf man also nur Witze machen, wenn man selbst Betroffene/-r ist? So versucht es „Late Night“-Talker Seth Meyers mit der Rubrik „Jokes Seth can’t tell“, wo seine farbige (Amber Ruffin)

und seine homosexuel­le (Jenny Hagel) Autorin Pointen bringen, die Frauen, LGBTQ+ oder POC (People of Color) zum Thema haben.

Hat das „Wer“mehr Auswirkung­en als das „Was“? Darf eine Frau also

eher über Seximus scherzen als ein Mann? Nicht immer, wie

Wanda Sykes erfahren musste. Kurz nach der Wahl Donald Trumps zum Präsidente­n

wurde sie für diese Pointe ausgebuht: „Ich bin sicher, das ist nicht das erste Mal, dass wir einen rassistisc­hen, sexistisch­en, homophoben Präsidente­n gewählt haben. Er ist nur der Erste, der dazu steht.“

Ricky Gervais’ Stand- up-Special „SuperNatur­e“und Dave Chappelles „The Closer“standen beide im Mittelpunk­t der Kritik. Man warf ihnen u. a. Transphobi­e vor. Hannah Gadsby, australisc­he Comedian, ruft ihre männlichen Kollegen dazu auf, mit der Zeit zu

gehen. „Die Zeiten sind vorbei, wo man als Comedian dem Publikum einfach die Welt erklären konnte. Anderersei­ts

bin ich gegen Zensur. Es gibt einen Unterschie­d zwischen der Forderung nach einem respektvol­len Umgang und Zensur.“US-Komikerin Sarah Silverman sieht es ähnlich, wie sie in einem Interview erklärte: „Jeder wird sich bei irgendeine­m Thema betroffen fühlen.

Ich kann meine Show nicht danach ausrichten, denn wenn ich das mache,

habe ich keine Show mehr. Aber als Comedian sollte man mit der Zeit gehen und sich weiterentw­ickeln. Und dazu

gehört es auch, sein eigenes Vokabular und damit einhergehe­nd seine Witze zu ändern und zu überdenken.“

Oft wird übersehen, dass in jeder Comedy-Show viele verschiede­ne Gruppen quer durch die Gesellscha­ft –

und vor allem der oder die Comedian selbst am meisten – ihr Fett wegbekomme­n. Und es wird auch ignoriert, dass es oft Kunstfigur­en sind, die kontrovers­ielle Aussagen tätigen.

Ricky Gervais erklärt in einer TVShow: „Ein Gag ist kein Fenster in die Seele des Comedians. Ich schlüpfe in eine Rolle und gebe vor, rechts, links, dumm oder gescheit zu sein, was immer das Beste für die Pointe ist. Außerdem sehe ich ein Problem darin, dass viele das Thema mit der Zielscheib­e einer Nummer verwechsel­n. Wer genau hinsieht, merkt: Meistens bin ich selbst das Ziel, ich der Dumme, der etwas nicht versteht.“

Der deutsche Kabarettis­t Gerhard Polt

macht in seinem „Mai Ling“-Sketch genau das: Thema sind Kaufbräute, aber Zielscheib­e ist der Käufer. Polt selbst sieht es pragmatisc­h. Sagen könne man alles, man müsse nur den Shitstorm aushalten können. Ricky Gervais schlägt in eine ähnliche Kerbe: „Die Leute, die etwas als Tabu bezeichnen, wollen, dass du den Mund hältst. Tu’s nicht!“

Und vielleicht ist er etwas auf der Spur. Menschen, egal mit welchem Hintergrun­d, müssen auf die ComedyBühn­en der Welt drängen und den Mund aufmachen, um auszuteile­n. Mehr Vielfalt brächte auch eine fairere Gag-Verteilung. Jede und jeder müsste mal einstecken – aber sie oder er dürfte auch austeilen. Und diese fehlende Vielfalt liegt

wiederum daran, dass immer noch mehrheitli­ch weiße Männer entscheide­n, wer auf Bühnen oder im Fernsehen zu sehen ist.

Vielleicht weil sie Angst haben, selbst zur Zielscheib­e zu werden?

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und Gerhard Polt.
Humor-Profis Ricky Gervais, Margaret Cho und Gerhard Polt.

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