Aida! Hüte dich vor der Rübeninsel
Wie schmeckt Verdis „Aida“? Für den Koch Emanuel Weyringer ist die „Aida“ein gefundenes Fressen. Er vermählt Eierschwammerl mit Hirsekuchen, Blutwurst und Roten Rüben.
Aida“. Wie schmeckt diese Oper? Diese Frage haben wir wieder unserem GerichtKomponisten Emanuel Weyringer gestellt. Dieses Werk von Giuseppe Verdi kulinarisch in Szene zu setzen hat ihm eine besondere Freude
gemacht. Denn „Aida“ist süß, sauer, zart und bitter. In ihr steckt Verrat, Heldentum und Täuschung. Als er uns das fertige Gericht in seinem Henndorfer Restaurant präsentiert, sitzen wir
mit großen Augen davor. Es sieht eher aus wie die Aussicht von einem Aida-Kreuzfahrtschiff. Auf einer rosaroten Insel sind zwei Felsen und ganz oben steht ein Leuchtturm mit Antenne.
Emanuel lächelt und erklärt: „Der erste Felsen, das ist ein Linsenkuchen. Das ist Ramfis, der Oberpriester. Er ist nach dem Pharao die wichtigste Persönlichkeit in Memphis und Theben. Deshalb
habe ich ihm auch ein orientalisches Gericht zugeordnet. Ramfis hat auf alle Einfluss: Auf den Feldherrn Radamès genauso wie auf die Gesellschaft. Er ist die Stütze der Oper – und mit seinem Einschreiten geht sie auch dem Ende zu.“
Die Geschichte ist verzwickt. Die aus Äthiopien stammende Sklavin Aida ist – was niemand weiß – die Tochter des Königs
Amonasro und sie liebt Radamès. Aber auch Amneris, die Tochter des Pharaos, ist in Radamès verliebt. Von zwei raffinierten Frauen geliebt zu werden ist das Schlimmste, was einem Mann
passieren kann. „Am Schluss lassen sich Radamès und Aida gemeinsam einmauern, damit sie niemand mehr trennen kann“, sagt Emanuel. Laut Nietzsche ist die Liebe ja nur die kurzfristige
Versöhnung zwischen zwei Feinden. Radamès
und Aida wollen das Gegenteil beweisen. Koste es, was es wolle. „Radamès ist eine mit Eierschwammerln gefüllte Frühlingsrolle“, fasst
Emanuel zusammen. Aha. „Er wird ja gedrängt, seine ägyptische Heimat zu verraten und zu verlassen. Der Verrat wäre also bitter und süß zugleich. Und da ist er wie ein Eierschwammerl. Isst man es roh, dann schmeckt es bitter. Sautiert man es in Butter, dann schmeckt es süß.“
Und wieso Reisteig? „Der besteht aus mehreren Fächern. Was seine Gespaltenheit zum Ausdruck bringt.“
Und die Blutwurst? „Die ist das Tal der Tränen, durch das Radamès und Aida gehen müssen. Soll heißen: Sie gehen durch dick und dünn.“Was wiederum nach einer Innviertler
Liebeserklärung klingt: Ich gehe mit dir durch die Blutwurst. „Genau“, sagt Emanuel. „Man
kann die Reste auch mixen und mit Majoran, Zwiebel und Knoblauch zubereiten. Dann haben wir noch ein Blutwurst-Gröstl.“
Jetzt kommt Aida auf den Teller. Emanuel erklärt: „Aida ist natürlich die in Rotwein und Essig eingelegte rote Kirsche. Sie liegt auf Ramfis. Sie ist wie ein Mon Chéri. Sie will verführen. Aus Liebe zu Radamès. Damit sie freikommt.“
Sehr viel Geschmack gibt dem Gericht Amneris, die Tochter des Pharaos. Sie ist – mit Verlaub gesagt – ein richtiges Luder, eine Intrigantin erster Güte. Sie entlockt Aida ihr Liebesgeheimnis, indem sie ihr erzählt, Radamès sei in der Schlacht gefallen. „Ein klarer Fall von einem Rote-Rüben-Sabayon“, analysiert Emanuel: „Amneris ist verliebt, bekommt aber keine Liebe zurück. Also Rote Rüben, Essig, Salz und Kren. Und diese Zutaten werden mit einem Ei aufgeschlagen. Diese scharfe Bitterkeit umschließt das ganze Gericht. Das zarte Liebesgeflecht, das sich aufgebaut hat, kann nicht erhört werden.“
So wie Emanuel die Geschichte erzählt, kriegt sie eine ungeheure Spannung. Wahrscheinlich auch
deshalb, weil er sich so kurz fasst und beim Erzählen alle Sinne zum Klingen bringt.
Voltaire hätte das sicher gefallen. Der sagte einmal: „Alles, was zu dumm ist, gesprochen zu werden, wird in der Oper gesungen.“