Lautlos auf Safari
Ein PR-Gag wird erwachsen. Lodges in Afrika rüsten ihre Geländeautos auf Elektroantrieb um.
Die breiten Reifen hieven das Geländeauto über Felsen. Durch
einen Bach rollt der SUV auf eine Herde Zebras zu. Das alles geschieht völlig lautlos. Wie Raubkatzen auf der Jagd pirschen sich die Safaritouristen mit ihren Kameras an. Möglich macht dies der Elektroantrieb, auf den nun immer mehr SafariLodges in Afrika ihre Allradfahrzeuge umrüsten.
„Was als Marketingtrick und Werbebotschaft über Nachhaltigkeit und die Umwelt begann, hat sich zu einer zusehends pragmatischen Lösung
entwickelt“, schreibt der südafrikanische „Business Insider“. Die Onlinezeitung bezeichnet die E-Autos als „irgendwie frankensteinisiert“. Denn anders als moderne EAutos kommen die Safarikarossen nicht vom Fließband, sondern müssen in aufwendiger Arbeit von Brennstoffauf Stromantrieb umgebaut werden.
Nikki Wilsworth von der Cheetah Plains Lodge in Südafrika sieht darin keinen Nachteil: „Die Ausgaben für die Installation mögen hoch sein, doch gleichzeitig stellt das für uns als entlegene Lodge die energieeffizienteste Lösung dar.“Der Safarianbieter nahe der Grenze zu Mosambik fährt seine Gäste in umgebauten Toyota Land Cruisern durch den Busch. Die enthaltenen Tesla-Batterien werden mithilfe der 1200 Solarpaneele geladen, die auf dem Dach der
Unterkunft montiert sind. Südafrika erlebt derzeit eine Energiekrise mit stundenlangen Stromausfällen täglich; daneben macht sich der Ukraine-Krieg auch hier an den Zapfsäulen bemerkbar. Für Wilsworth ergibt die autarke Stromversorgung in dem Schwellenland „wirtschaftlich immer mehr Sinn, denn sie erlaubt es uns, den Betrieb aufrechtzuerhalten“.
Andernorts in Afrika wird diese Theorie
bestätigt. „Innerhalb von fünf Jahren haben wir die Ausgaben für den Umbau der Fahrzeuge durch eingesparte Dieselkosten gedeckt“, meint Mercedes Bailey vom Ol Pejeta Bush Camp in Kenia. Weiter südlich in Sambia berichtet Natasha Parker, Sprecherin des Chisa Busanga Camps: „Wir haben nach dem Umbau auf E-Autos geringere
Verschleißkosten.“Geladen werden Batterien durch die hauseigene Solarfarm. Derzeit besteht die Flotte der Lodge aus fünf
E-Geländewagen, zwei E-Booten und 14 EMountainbikes.
Beim Umbau der Safariautos lieferte der Klimaschutz den Anstoß. Etwa 19.000 Euro legen die Anbieter dafür hin.
Für die kenianische Emboo River Lodge ist das eine Investition in die Zukunft. Die Unterkunft liegt im Naturschutzgebiet Maasai Mara.
Für Mitbesitzerin Valery Super steht fest: „Wenn der Tourismussektor nicht auf nachhaltige Geschäftspraktiken umsteigt, könnte es schon in einigen Jahren kein MaasaiMara-Ökosystem mehr für Besucher geben.“
Wie nachhaltig der Urlaub nach einer Anreise per Flugzeug und Reisebus noch ist, darüber lässt sich streiten. Indessen berichten die Lodgebetreiber einhellig von einem
weiteren Vorteil der E-Autos: dem Gefühl einer „Silent Safari“. „Die Gäste genießen die ruhige Fahrt ohne schwere Gangwechsel“, sagt Bailey in Kenia, „und auch die Geräusche aus dem Busch sind ohne Motorengeräusch viel besser zu hören.“Das größte Lob komme von Fotografen; sie erhielten dank der lautlosen Pirschfahrt ganz neue Fotoperspektiven.
Dass der teure Umstieg auf E-Antrieb nur etwas für Luxusresorts sei, hinter denen eine internationale Hotelkette stehe, bestreitet Wilsworth in Südafrika. Cheetah
Plains bietet Platz für 24 Gäste, für die vier E-Land-Cruiser zur Verfügung stehen. „Wir sind ein relatives junges Unternehmen und im Vergleich zu vielen anderen eine eher kleine Lodge.“Das sei sogar
von Vorteil, schließlich gehe mit einem Großbetrieb auch eine größere Fahrzeugflotte einher, die es umzurüsten gelte.
Doch nicht überall ist die wohl umweltfreundlichste Lösung auch die praktikabelste. „Elektrische Safariautos sind nur dann eine Alternative, wenn man sie durch grüne Energiequellen laden kann“, betont Bailey. Das neueste Camp vom Safarianbieter Asilia
Africa im südlichen Tansania verfügt über keine große Solaranlage. „Was die Region hingegen hat, ist eine große Zuckerrohrplantage. Die produziert Molasse, woraus wiederum Ethanol gewonnen werden kann.“Seit Kurzem fahren zwei umgebaute Land Rover mit Ethanol-Antrieb. Das sei unter den gegebenen Umständen die „grünste Option“, sagt der Chef.
Im Hintergrund steht eine unbestreitbare Tatsache: Die Verursacher der globalen Erwärmung sind großteils die Industriestaaten, die Auswirkungen setzen allerdings
Afrikas Bewohnern unverhältnismäßig zu. Zuletzt kam es zu etlichen Naturkatastrophen. 2019 etwa trafen zwei Zyklone die Ostküste des Kontinents und forderten
mehr als tausend Tote. Zudem erleben einige Länder derzeit die stärkste Dürre seit
vier Jahrzehnten; bis Jahresende könnten rund 50 Millionen Menschen am Horn von Afrika von Hunger bedroht sein.
Oder: Der Tschadsee hat in den vergangenen 50 Jahren mehr als 90 Prozent seiner Wasseroberfläche verloren, was den Tod von Fisch, Vieh und Mensch zur Folge hatte.
Konkurrenz um knapper werdende Weideflächen und schwindende Ressourcen setzen dem Kontinent zu,
erschüttern Gesellschaften und fördern den Zulauf zu Terrororganisationen. Auch das Problem der Kinderarbeit nimmt durch den Klimawandel indirekt zu.