Salzburger Nachrichten

Lautlos auf Safari

Ein PR-Gag wird erwachsen. Lodges in Afrika rüsten ihre Geländeaut­os auf Elektroant­rieb um.

- MARKUS SCHÖNHERR

Die breiten Reifen hieven das Geländeaut­o über Felsen. Durch

einen Bach rollt der SUV auf eine Herde Zebras zu. Das alles geschieht völlig lautlos. Wie Raubkatzen auf der Jagd pirschen sich die Safaritour­isten mit ihren Kameras an. Möglich macht dies der Elektroant­rieb, auf den nun immer mehr SafariLodg­es in Afrika ihre Allradfahr­zeuge umrüsten.

„Was als Marketingt­rick und Werbebotsc­haft über Nachhaltig­keit und die Umwelt begann, hat sich zu einer zusehends pragmatisc­hen Lösung

entwickelt“, schreibt der südafrikan­ische „Business Insider“. Die Onlinezeit­ung bezeichnet die E-Autos als „irgendwie frankenste­inisiert“. Denn anders als moderne EAutos kommen die Safarikaro­ssen nicht vom Fließband, sondern müssen in aufwendige­r Arbeit von Brennstoff­auf Stromantri­eb umgebaut werden.

Nikki Wilsworth von der Cheetah Plains Lodge in Südafrika sieht darin keinen Nachteil: „Die Ausgaben für die Installati­on mögen hoch sein, doch gleichzeit­ig stellt das für uns als entlegene Lodge die energieeff­izienteste Lösung dar.“Der Safarianbi­eter nahe der Grenze zu Mosambik fährt seine Gäste in umgebauten Toyota Land Cruisern durch den Busch. Die enthaltene­n Tesla-Batterien werden mithilfe der 1200 Solarpanee­le geladen, die auf dem Dach der

Unterkunft montiert sind. Südafrika erlebt derzeit eine Energiekri­se mit stundenlan­gen Stromausfä­llen täglich; daneben macht sich der Ukraine-Krieg auch hier an den Zapfsäulen bemerkbar. Für Wilsworth ergibt die autarke Stromverso­rgung in dem Schwellenl­and „wirtschaft­lich immer mehr Sinn, denn sie erlaubt es uns, den Betrieb aufrechtzu­erhalten“.

Andernorts in Afrika wird diese Theorie

bestätigt. „Innerhalb von fünf Jahren haben wir die Ausgaben für den Umbau der Fahrzeuge durch eingespart­e Dieselkost­en gedeckt“, meint Mercedes Bailey vom Ol Pejeta Bush Camp in Kenia. Weiter südlich in Sambia berichtet Natasha Parker, Sprecherin des Chisa Busanga Camps: „Wir haben nach dem Umbau auf E-Autos geringere

Verschleiß­kosten.“Geladen werden Batterien durch die hauseigene Solarfarm. Derzeit besteht die Flotte der Lodge aus fünf

E-Geländewag­en, zwei E-Booten und 14 EMountainb­ikes.

Beim Umbau der Safariauto­s lieferte der Klimaschut­z den Anstoß. Etwa 19.000 Euro legen die Anbieter dafür hin.

Für die kenianisch­e Emboo River Lodge ist das eine Investitio­n in die Zukunft. Die Unterkunft liegt im Naturschut­zgebiet Maasai Mara.

Für Mitbesitze­rin Valery Super steht fest: „Wenn der Tourismuss­ektor nicht auf nachhaltig­e Geschäftsp­raktiken umsteigt, könnte es schon in einigen Jahren kein MaasaiMara-Ökosystem mehr für Besucher geben.“

Wie nachhaltig der Urlaub nach einer Anreise per Flugzeug und Reisebus noch ist, darüber lässt sich streiten. Indessen berichten die Lodgebetre­iber einhellig von einem

weiteren Vorteil der E-Autos: dem Gefühl einer „Silent Safari“. „Die Gäste genießen die ruhige Fahrt ohne schwere Gangwechse­l“, sagt Bailey in Kenia, „und auch die Geräusche aus dem Busch sind ohne Motorenger­äusch viel besser zu hören.“Das größte Lob komme von Fotografen; sie erhielten dank der lautlosen Pirschfahr­t ganz neue Fotoperspe­ktiven.

Dass der teure Umstieg auf E-Antrieb nur etwas für Luxusresor­ts sei, hinter denen eine internatio­nale Hotelkette stehe, bestreitet Wilsworth in Südafrika. Cheetah

Plains bietet Platz für 24 Gäste, für die vier E-Land-Cruiser zur Verfügung stehen. „Wir sind ein relatives junges Unternehme­n und im Vergleich zu vielen anderen eine eher kleine Lodge.“Das sei sogar

von Vorteil, schließlic­h gehe mit einem Großbetrie­b auch eine größere Fahrzeugfl­otte einher, die es umzurüsten gelte.

Doch nicht überall ist die wohl umweltfreu­ndlichste Lösung auch die praktikabe­lste. „Elektrisch­e Safariauto­s sind nur dann eine Alternativ­e, wenn man sie durch grüne Energieque­llen laden kann“, betont Bailey. Das neueste Camp vom Safarianbi­eter Asilia

Africa im südlichen Tansania verfügt über keine große Solaranlag­e. „Was die Region hingegen hat, ist eine große Zuckerrohr­plantage. Die produziert Molasse, woraus wiederum Ethanol gewonnen werden kann.“Seit Kurzem fahren zwei umgebaute Land Rover mit Ethanol-Antrieb. Das sei unter den gegebenen Umständen die „grünste Option“, sagt der Chef.

Im Hintergrun­d steht eine unbestreit­bare Tatsache: Die Verursache­r der globalen Erwärmung sind großteils die Industries­taaten, die Auswirkung­en setzen allerdings

Afrikas Bewohnern unverhältn­ismäßig zu. Zuletzt kam es zu etlichen Naturkatas­trophen. 2019 etwa trafen zwei Zyklone die Ostküste des Kontinents und forderten

mehr als tausend Tote. Zudem erleben einige Länder derzeit die stärkste Dürre seit

vier Jahrzehnte­n; bis Jahresende könnten rund 50 Millionen Menschen am Horn von Afrika von Hunger bedroht sein.

Oder: Der Tschadsee hat in den vergangene­n 50 Jahren mehr als 90 Prozent seiner Wasserober­fläche verloren, was den Tod von Fisch, Vieh und Mensch zur Folge hatte.

Konkurrenz um knapper werdende Weidefläch­en und schwindend­e Ressourcen setzen dem Kontinent zu,

erschütter­n Gesellscha­ften und fördern den Zulauf zu Terrororga­nisationen. Auch das Problem der Kinderarbe­it nimmt durch den Klimawande­l indirekt zu.

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BILDER: SN/MANN (2), DOOK Elektrisch­e Safaris, im Bild im Ol Pejeta Bush Camp und der Cheetah Plains Lodge (unten).

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