Eigenheim? Unerreichbar.
Zahlt sich Arbeiten denn noch aus? Die Immobilienpreise steigen und steigen. Derweil findet die Wirtschaft immer schwerer Fachkräfte. Gibt es da einen Zusammenhang?
Überall im Land sucht die Wirtschaft händeringend nach Fachkräften. Jeder vierte Betrieb ist derzeit auf der Suche. Ausschau hält man vor allem nach Ganztagskräften, doch viele junge Menschen wollen nur Teilzeit arbeiten. Ein Grund dafür ist Resignation: Sich mit einer
Vollzeitstelle einmal ein Eigenheim leisten zu können ist in Städten wie Salzburg in
unerreichbare Ferne gerückt. Betriebswirt Gerhard Furtmüller ist Motivationsexperte und Universitätslektor in Wien und Salzburg. Er ist sicher: Junge Menschen und Arbeitgebende können zueinanderfinden, wenn sie sich mehr aufeinander einlassen.
SN: Herr Furtmüller, provokant gefragt: Wollen junge Akademiker lieber ihr Leben genießen, als einer gut bezahlten Vollzeitarbeit nachzugehen?
Furtmüller: Das sehe ich nicht so. Ich komme noch aus einer deutlich anderen Generation. Meine Eltern sind im Krieg aufgewachsen, die mussten gehorchen und sich unterordnen. Heute stehen wir ganz woanders als noch vor zehn Jahren.
SN: Wo stehen wir denn heute?
Die Leitkultur der früheren Generationen gibt es nicht mehr. Heute ist den Jungen
Wertschätzung ganz wichtig, der Umgang mit Menschen, die Arbeitsregeln. Das wurde bisher nicht gut berücksichtigt.
Wenn du etwas gut gemacht hast, hat es gepasst, du hast dafür keine Rückmeldung erhalten. Heute sind die Jungen Rückmeldungen gewohnt. Und ja, sie möchten ihr Leben genießen. Etliche wollen nicht
Vollzeit arbeiten. Vor allem wollen sie nicht fünf Tage im Büro sitzen. Etliche junge Unternehmen bekommen Leute,
weil sie viel Homeoffice genehmigen und Arbeit von wo auch immer. Die geben ihren Angestellten Selbstverantwortung.
SN:
Welche Rolle spielt das zeitliche Ausmaß der Arbeit?
Eine wesentliche. Aber die Jungen suchen
nicht mehr Jobs, in denen sie „nine to five“arbeiten und bei denen aus 40 Stunden
häufig 50, 60 werden. In ihren Jobs soll Bewegung sein, es soll sich etwas tun.
Die Immobilienpreise sind horrend gestiegen. In der Stadt Salzburg kostet laut einem aktuellen Immobilienbericht der Quadratmeter Neubauwohnung 7209 Euro, ein Plus innerhalb eines Jahres um 24 Prozent. Manche Junge glauben nicht, sich je Eigentum leisten zu können. Sie haben auch deswegen keine Lust, Vollzeit zu arbeiten. Sehen Sie unter Ihren Studierenden diesen Zusammenhang?
SN:
Ja. Arbeit muss sich lohnen. Es gibt ein Problem, von dem auch der Wirtschaftsminister und der Finanzminister wissen, und die Jungen haben vollkommen recht: Der Einkommensunterschied von einem 40-Stunden-Job zu einem 30-Stunden-Job ist überschaubar. Da bleibt netto nicht mehr viel extra übrig. Es sollten die Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit sich wirklich auszahlt, mehr zu arbeiten. Und was die jungen Leute fühlen, die sich ein Eigenheim schaffen wollen, ist Ohnmacht! Wenn etwas so weit weg ist und ich es nicht erreichen kann, ist das ein Problem. In der Motivationspsychologie führen kleine Schritte zum Ziel.
Aber wenn es zu viele Schritte sind, dann entsteht auch keine Bewegungsenergie.
mit Motivationsaufbau beschäftigt. Wie stark wirkt Motivation in puncto Arbeitsbereitschaft?
Man glaubt oft noch, junge Mitarbeiter mit Geld holen zu können, doch das interessiert
viele null. Motivation ist oft nicht vorhan
30 STUNDEN REICHEN Ein junger Akademiker über unerreichbares Wohnungseigentum und seine Teilzeit-Pläne
30 Stunden pro Woche zu arbeiten hält Clemens Dinzelbacher für sehr
sinnvoll. Der 26-jährige
Student der Rechtswissenschaften peilt keine
Vollzeitstelle an. Ein Grund dafür sind die enorm gestiegenen Immobilienpreise. „Früher habe ich schon gedacht, es wäre schön, ein Eigenheim zu erwerben. Aber jetzt musst du so viel Geld hineinstecken
und bist so lange Zeit gebunden, das ist abschreckend.“In Salzburg eine Immobilie zu kaufen scheine ihm zeitlich fast schon unerreichbar. Manche Freunde denken genauso. Man resigniert wegen der hohen Immobilienpreise – und will nicht unnötig lange im Büro sitzen, wie Dinzelbacher sagt.
„Meine Lebenszeit ist begrenzt. Die kann ich nicht verlängern.“Aber er könne bestimmen, wie viel Zeit er arbeite. Anstatt in eigener Anwaltspraxis zu arbeiten, denkt er eher an eine Beratertätigkeit. Wollen junge Leute nur das Leben genießen? Dahinter
stecke mehr, meint der Salzburger: „Ich will reisen und Freizeitbeschäftigungen nachgehen. Es geht um Arbeitsqualität und um Lebensqualität.“ den, sie kann aber beim Ausführen einer Tätigkeit entstehen. Um Leute in einen Job hineinzubekommen, muss ich sie erleben lassen, wie toll die Arbeit sein kann und
was am Ende des Arbeitstags herauskommt, egal ob beim Koch oder beim Steuerberater.
Der Appetit kommt beim Essen. Praktika sind für Akademiker eine tolle Gelegenheit, aber oft zahlen Unternehmen dafür nur ein
paar Hundert Euro und nutzen sie aus. Da muss man mehr bezahlen.
SN:
Die Österreichische Hochschülerschaft forderte kürzlich von Arbeitgebern zeitliche Flexibilität, um junge Leute anzuziehen. Wie überwinden Bewerber und Unternehmen die Kluft zwischen ihren Vorstellungen bezüglich Vollzeitarbeit?
Als Unternehmer würde ich das Gespräch suchen. Ich kann nicht immer vorgeben: „So ist es.“Wenn es der Ablauf im Unternehmen zulässt, ist die
Vier-Tage-Woche ein gutes Angebot. Bei 30Stunden-Anstellungen fürchten aber etliche Unternehmen, dass dann die Kraft nicht im Unternehmen ist. Es geht um gemeinsame
Vereinbarungen und Lösungen. Dass Gastronomielehrlinge zum Teil über zehn Stunden
pro Tag arbeiten, wird nicht mehr funktionieren. Die jungen Leute fordern ihren Freiraum und den bekommen sie zunehmend.
SN: Was bewegt junge Menschen noch dazu, eine Stelle anzunehmen?
Unternehmen sollten ihnen auch sagen, wie
wichtig oder wie „geil“es ist, einen Job auszuführen. Die müssen das spüren. Sie wollen den Sinn und Zweck ihrer Arbeit sehen, denn die Frustrationstoleranz von früher ist nicht mehr da. Und um noch einmal das Thema Wohnen anzusprechen: Man kriegt auch wieder Leute, wenn man Firmenwohnungen anbietet.