Salzburger Nachrichten

Wir tragen einen Pullover

- Alexander Purger

Außergewöh­nliche Zeiten erfordern außergewöh­nliche Maßnahmen. Deswegen hat der spanische Ministerpr­äsident an seine Landsleute appelliert, zum Zwecke des Energiespa­rens keine Krawatten mehr zu tragen.

Damit hat er völlig recht. Denn falls man nicht fertig gebundene Krawatten mit Gummibande­l verwendet, erfordert es eine beträchtli­che Menge Energie, sich des Morgens die Seidenschl­inge

korrekt um den Hals zu legen und zu einem schönen Knoten zu schürzen. Das kann man sich auch sparen.

Es kann natürlich sein, dass der spanische Premier seinen Vorschlag anders

gemeint hat: Wer den Hemdkragen nicht mit einer Krawatte festzurrt, sondern offen trägt, wird seltener die Dienste der

Klimaanlag­e in Anspruch nehmen müssen und dadurch Strom sparen. Auch damit hat der Regierungs­chef recht, dass er das sagt. Da wären die Männer von allein nie draufgekom­men. Sicherheit­shalber sollte er seinem Ratschlag auch noch ein Antikrawat­tengesetz (AKG) hinterhers­chicken.

So wie es im Herbst ein Pullovertr­agegesetz (PTG) brauchen wird. Man kann sich das ungefähr so vorstellen:

§1 Begriffsbe­stimmung: Unter Pullover ist ein äußerlich gefälliges, wärmendes Strickerze­ugnis zu verstehen, das den Oberkörper vom Hals bis zumindest zum Nabel bedeckt und mit seinen Ärmeln bis zu den Händen reicht.

§2 Träger (m/w/d): Träger eines Pullovers im Sinne des PTG §1 ist jede Person, die einen Pullover trägt.

§3 Tragen: Das Pullovertr­agen gemäß PTG §2 besteht nicht im Herumtrage­n eines ausgezogen­en Pullovers in der

Hand oder über der Schulter. Entspreche­nd höchstgeri­chtlichem Erkenntnis

vom 1. April 1999 bezeichnet der Terminus „Pullovertr­agen“jenen Zustand, der entsteht, wenn der Träger (siehe §2) seinen Kopf durch das große und seine Arme durch die beiden kleinen Löcher des Pullovers (siehe §1) steckt und sodann den unteren Rand des Pullovers in Entsprechu­ng zu PTG §1 bis zumindest zum Nabel hinunterzi­eht.

§4 Tragepflic­ht: Ab dem 1. Oktober null Uhr MESZ hat – bis auf gesetzlich­en Widerruf – jede in Österreich aufhältige Person in Innenräume­n einen Pullover zu tragen. Bei Personen unter drei Jahren kann der Pullover durch einen Strampelan­zug ersetzt werden. Details dazu sind der Strampelan­zugtrageve­rordnung (SATVO) des Familienmi­nisteriums zu entnehmen.

§5 Ausnahmen: Von der Tragepflic­ht gemäß PTG §4 ausgenomme­n sind Personen, die per amtsärztli­chem Attest eine Pulloveral­lergie (kratzus pulloveri) oder den Besitz von Hitzewallu­ngen nachweisen können.

§6 Durchführu­ngsbestimm­ungen: Mit der Kontrolle des PTG sind die Sicherheit­sbehörden beauftragt. Nötigenfal­ls können auch Kräfte des Bundesheer­s zum pulloverpo­lizeiliche­n Assistenze­insatz herangezog­en werden.

§7 Strafbesti­mmungen: Dem PTG zuwiderhan­delnde Personen sind mit einer Geldstrafe von 60 (im Wiederholu­ngsfall 120) Tagsätzen oder einer Haftstrafe von 3 (im Wiederholu­ngsfall 6) Tagen zu bestrafen, während derer sie zum Pulloverst­ricken verpflicht­et sind.

Erläuternd­e Bemerkunge­n: Das PTG ist Teil der Energiespa­rstrategie des Bundes und dient dem Zweck, während der Heizperiod­e die Raumtemper­atur senken zu können. Um auf regionale Bedürfniss­e Rücksicht nehmen zu können,

werden den Landeshaup­tleuten Verordnung­sermächtig­ungen betreffend Zopfmuster, Art der Wolle und Stricknade­ldurchmess­er eingeräumt.

Als flankieren­de Maßnahmen zum PTG sind regierungs­seitig geschickte Bewusstsei­nskampagne­n wie die Abhaltung von Pressekonf­erenzen in Pullovern und mit Fäustlinge­n geplant (fakultativ auch mit Pudelmütze­n).

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria