Jugend am Handy
ICHwar auf Besuch in meiner Geburtsstadt Graz. Die Sonne bündelte zum letzten Mal an diesem sehr heiß gewesenen Julitag ihre Kraftreserven und etwas kühlere Luft machte sich schon
breit. Ich saß im schön neu gestalteten Augarten auf einer Bank nahe dem Murufer und las Nachrichten auf dem Bildschirm meines Handys. Da hörte ich eine Stimme: „Es is jo so lustig, dera Jugend zum Zuaschaun. Wie’s imma am Händi ummatumtuan.“
Ich sah auf, erblickte ein Paar, so um die Mitte fünfzig, schaute links und rechts und erspähte sonst niemanden. Jugend? Meinte er mich und meine Handbewegungen? „Kumm, gemma
weita“, sagte die Frau zu ihrem Begleiter und zupfte ihn am Ärmel. Ich versuchte mir blitzschnell ein Bild von der Lage zu machen.
Kenne ich den Typen? Ist es eine Zufallsbegegnung mit einem Bekannten
von früher? Die Frau zupfte energischer. Mir dämmerte, dass der Mann,
wie man in der Steiermark so sagt, aung’stoch’n, also angestochen, war. Ein bisschen rauschig als Folge von ein
bisschen zu viel Bier und ein bisschen zu viel Sonne und damit ein bisschen zu viel vorlaut.
Rauflustig wirkte er nicht, obwohl die Frau weiter an seinem Leiberl zog, als wolle sie eine Eskalation verhindern. Ich beschloss zu antworten. „I wär froh
g’wesen in meina Jugend über so a Händi. Kannst vüh moch’n damit. Supa.“„Mia hom den Sonnenuntagoung in da Natur genossen.“„Den genieß i heit a“, erwiderte ich, „mitsamt dem Händi.“
Es ging eine Weile so hin und her und mit dem Gemurmel, dass „die Leit für ois z’deppat san, weils nua des Händi
im Schädel hom“, ging der Mann weiter. Da saß ich nun mit meinem Zorn auslösenden technischen Wunderwerk.
Betrunkene sagen immer die Wahrheit,
meint der Volksmund. Was bin ich also? Ein Handy-Junkie? Ein alter Depp, der mit öffentlichem Herumtippen und
Wischen auf dem Display auf jugendlich macht?
Ich ging ein paar Schritte. Hier im Augarten war ich oft. Auf der Wiese haben
wir vor Jahrzehnten im Turnunterricht Fußball gespielt. Weil der Innenhof in der nahe gelegenen Schule zu klein war. Handy? Dass es einmal so etwas geben
würde, wäre nicht einmal dem vor Ideen sprühenden Physiklehrer in den Sinn gekommen.
Die Leute um Mitte fünfzig von damals hatten andere Aufreger, die sie der Jugend an den Kopf warfen. Schundliteratur, Fernsehen, Kino, ohrenbetäubende Beatmusik und so weiter. Technisch hat sich viel verändert, sonst wohl nichts. Genörgelt an der Jugend und deren Gewohnheiten wird immer.
Manchmal kriegt auch ein Älterer was davon ab.