Salzburger Nachrichten

Wie wär’s mit einem Abrüsten der Worte?

Eine Mahnwache in Salzburg, die einer toten Ärztin über der Landesgren­ze gilt: Man kann dem Hass einiges entgegense­tzen. Das gilt für Politiker genauso wie für jeden Einzelnen.

- Heidi Huber

Ist es die Hitze, die Rekordinfl­ation, die durch den russischen Krieg ausgelöste Sorge, die allgemeine Unzufriede­nheit nach zwei Jahren Corona oder eine Mischung aus allem? Die Stimmungsl­age, die sich derzeit subkutan in einem Teil der Gesellscha­ft abzeichnet, müsste jeden Salzburger Politiker nachdenkli­ch stimmen. Denn was kommt da an Aggressivi­tät erst im Herbst auf uns zu, wenn wir das Energiespa­ren ernsthaft in unseren Alltag integriere­n und erneut an die

Vernunft und Solidaritä­t der Bürger appelliere­n müssen? Wenn der Wohlstand in Gefahr gerät?

Da schwenken Aktivisten allen Ernstes bei der Festspiele­röffnung einen symbolisch­en Galgen. Um was zu signalisie­ren? Dass man Politiker gefälligst hängen soll? Das geht weit über das zulässige Maß an Provokatio­n hinaus. Nun kann man argumentie­ren, dass es sich um ein winziges Grüppchen gehandelt hat, das die Festspiele­röffnung nutzte, um eine öffentlich­e Bühne zu

generieren. Wozu dem Ganzen also unnötig Aufmerksam­keit schenken oder Bedeutung beimessen? Doch damit ist es leider nicht getan. Dazu reicht ein Blick in die sozialen Medien. Man

braucht einen guten Magen, um sich die Kommentare zu Gemüte zu führen. Ein trauriges Beispiel dieser Tage: der Tod des seit 2015

in Salzburg lebenden syrischen Schriftste­llers, der beim Bergsteige­n verunglück­t ist. Neben vielen, die sich betroffen zeigten und ihr Beileid bekundeten, zeigte

sich auch die hässliche Fratze des Ausländerh­asses. Ein Mensch ist gerade gestorben, und es gibt andere Menschen, denen nichts Besseres einfällt, als ihm

posthum seine Herkunft vorzuwerfe­n.

Der Fall jener oberösterr­eichischen Ärztin, die sich das Leben

genommen hat, hat diese Woche auch in Salzburg hohe Wellen geschlagen – inklusive Mahnwache.

Auch wenn über die Beweggründ­e, die letztlich der Auslöser für diese Verzweiflu­ngstat waren,

nicht spekuliert werden darf und soll – dass es Hassnachri­chten

und Morddrohun­gen gegen diese Frau gegeben hat, ist ein Faktum.

Dass diese über soziale Medien, Nachrichte­ndienste wie Telegram und E-Mail kamen, ebenso. Der Salzburger Primar Richard Greil kennt solchen Hass, der ihm in der Coronapand­emie entgegensc­hwappte und sich in Drohungen und Beleidigun­gen entlud, zur Genüge. Viele andere Mediziner, denen dasselbe widerfahre­n ist, schweigen lieber, um nicht erneut ins Visier eines hetzenden Mobs zu geraten.

Man könne nicht zur Tagesordnu­ng übergehen, meinte dieser Tage der Landeshaup­tmann

in einem Interview. Das betrifft die Politik wohl genauso wie jene, die gerne über die Politiker schimpfen und mit einem schnellen Urteil über sie herfallen. Ein

Abrüsten der Worte ist auf beiden Seiten des Spektrums gefragt. Und es sei ausdrückli­ch erwähnt: Davon sind die Medien keineswegs ausgenomme­n. Politik betrifft uns alle, wir alle gestalten und beeinfluss­en sie mit

unserem Tun und Handeln. Mit Schaum vor dem Mund und vor der Handytasta­tur hat sich noch selten eine sachliche Diskussion ergeben. Vielmehr erzeugt Druck eben Gegendruck. Das gilt auch

für Politiker, Mandatare, Pressespre­cher, Funktionär­e, die sich auf Twitter und Facebook austoben, um den politische­n Gegner möglichst schlechtzu­machen oder anzupatzen. Welchen Schluss sollen Bürger für sich daraus ziehen, wenn es auf der anderen Seite Volksvertr­eter und ihr Umfeld gibt, die diesen Stil genauso vorleben? Oder wenn

höchste Kreise der Republik in Chatnachri­chten den damaligen

Vizekanzle­r und eigenen Parteichef wörtlich als „Oasch“bezeichnen? Da darf man sich nicht

wundern, wenn es das Volk auch nicht besser weiß und ein solcher Ton zum Wortschatz vieler zählt.

Jenem Mob, der mit Hass zu spalten versucht, sollten wir nicht die Bühne überlassen. Da

kann auch Salzburgs Politik einiges beitragen. Etwa indem der anstehende Wahlkampf für die Landtagswa­hl 2023 bei aller Härte nicht schmutzig und dreckig abläuft, sondern fair und auf

niveauvoll­er Ebene.

Mit Schaum vor dem Mund und der Tastatur

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WWW.SN.AT/WIZANY Um Deeskalati­on bemüht . . .
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