Salzburger Nachrichten

„Salzburg ist kein Museum“

Ein Gespräch über „Die Toten von Salzburg“, den Reiz einer Rolle und über die Fähigkeit, auf Kritik verzichten zu können, um dadurch der Faszinatio­n einen Raum zu geben.

- MARCO RIEBLER

Der gebürtige Wiener Florian

Teichtmeis­ter ist im Ensemble des Wiener Burgtheate­rs und verkörpert die Rolle des Kommissars Palfinger in der Serie „Die Toten

von Salzburg“. Im Moment ist er im Drama „Corsage“auf den Kinoleinwä­nden zu sehen. Ein sommerlich­es SN-Gespräch in der Galerie Reinisch in der Salzburger Getreidega­sse.

Wir sitzen hier zwischen Werken von Brandl und Förg in einer Galerie. Inspiriert Sie die bildende Kunst?

SN:

Es ist die Kunst, die mir vom Talent her am wenigsten gegeben ist. Vielleicht kommt daher meine große Faszinatio­n gegenüber Künstlerin­nen und Künstlern, die damit ihr Leben verbringen. Ich

besuche nichts lieber in fremden Städten als Museen. Das Bildnis, die Fotografie, die Skulptur ist für

mich die größte Inspiratio­nsquelle für meine Arbeit, wenn es

um Stimmungen, Figuren und Grundlagen geht.

SN: Sie haben fremde Städte angesproch­en.

Die Altstadt von Salzburg kennen Sie inzwischen bestens durch Ihre Rolle in der Serie „Die Toten von Salzburg“, wie nehmen Sie diese wahr?

Es wäre modisch, eine gesunde

Abneigung gegenüber Salzburg vor sich herzutrage­n. Nur ein echter Wiener darf über Wien schimpfen. Die Analogie dazu sollte auch für Salzburg gelten. Jedes Mal, wenn ich diese Stadt

wieder verlasse, frage ich mich, ob ich nicht zu wenig mitgenomme­n habe. Die Arbeit an den Filmen, die ich hier mache, ist so zeitintens­iv, dass ich vom sozialen Leben in Salzburg viel weniger mitbekomme, als ich gerne

würde.

Reizt Sie die Rolle des im Rollstuhl sitzenden Kommissars, Peter Palfinger, nach über sechs Jahren noch?

SN:

Ja – der Fokus hat sich im Laufe der Zeit verändert. Anfangs war ein Polizist im Rollstuhl ein Novum. Nach sechs Jahren hat das zu einer Normalität gefunden. Plötzlich ist der Rollstuhl normal und andere Facetten der Rolle

können erzählt werden. Jetzt geht es um die Dinge im Leben, die uns alle berühren, egal ob

mit oder ohne Einschränk­ung: Glückselig­keit, Liebe, Familie, berufliche­s Fortkommen.

SN: Ist Salzburg eigentlich barrierefr­ei?

Ganz viele Menschen stellen mir diese Frage. Andere Leute beginnen durch meine Rolle darüber nachzudenk­en – das empfinde ich als sehr positiv. Das eigentlich­e Vorbild für meine Rolle ist Thomas Geierspich­ler. Mit ihm reflektier­e ich gerne über die Figur und die Fragen.

Im „Schattensp­iel“– die Episode wird 2023 ausgestrah­lt – waren Sie aus zeitlichen Gründen nicht dabei. Drehen Sie im nächsten Jahr wieder?

SN:

Es sieht danach aus. Ich bin jedes Mal sehr glücklich, mit diesem

Team arbeiten zu dürfen.

SN: Haben Sie Ihren besonderen Salzburg-Moment schon erfahren dürfen?

Ja – in den Drehpausen genieße ich es, wenn ich auf der Terrasse des Kapuzinerk­losters sitze. Es ist aber nicht die Stille, es sind die Geräusche, die die Stadt macht, die einen besondern Klang ergeben und auf mich wirken. Es ist ein großstädti­sches Flair mit all den Sirenen, Autos, Kirchenglo­cken. Gleichzeit­ig ist Salzburg aber extrem pittoresk – aber gar nicht museal. Salzburg ist kein

begehbares Museum.

SN: Sie sind Absolvent des Max-Reinhardt-Seminars, er wirkte in und auf Salzburg, ist die Reinhardt’sche Tradition noch spürbar?

Im Rahmen der Festspiele bilde

ich es mir ein, dass seine Tradition

immer noch funktionie­rt und erlebt werden kann. Die größte Tradition im Schauspiel in Salzburg ist der „Jedermann“. Ein Stück, das sämtliche Modernisie­rungen und Lesarten überlebt

hat und immer noch anknüpft an die Grundidee. Das Spannende für mich ist, dass Max Reinhardt in seiner Zeit eine so moderne Figur war, dass man ihn in keine Klischees drängen kann. Selbst in seinen Regiearbei­ten agierte er schon mit filmischen Mitteln.

Auf der Bühne schuf er einen richtigen Theaterzau­ber, vor allem durch das moderne Bühnenbild. Ich kann ihm nicht als historisch­er Figur nacheifern, diese entschlüpf­t mir jedes Mal.

SN: Wann betritt Florian

Teichtmeis­ter wieder die

Bühne des Salzburger Welttheate­rs?

Wenn man mich besetzt (lacht).

SN: Ihre Traumparti­e?

Das habe ich mir abgewöhnt. Ich

beschäftig­e mich aber immer gerne mit allen Angeboten, die ich bekomme – so ich sie bekomme. Ich hatte das Glück, dass ich schon spielen durfte: den „Lumpacivag­abundus“und die „Komödie der Irrungen“.

Lassen Sie uns politisch werden. Sind Kultur und Demokratie im besten Einklang?

SN:

Das wäre meine Idealvorst­ellung, die aber nur selten Einzug hält. Mir fällt das inzwischen inflationä­r verwendete Wort „Diskurs“ein. Es geht um die Art und

Weise, wie wir über unseren Geschmack,

über unsere Überzeugun­g, unsere Ideologie verhandeln. Wenn das mit Respekt vor der Unantastba­rkeit der Würde des anderen geschieht, dann

kann man über alles reden und andere Meinungen als Bereicheru­ng schätzen. Wir dürfen nicht dem für uns Fremden eine Ungültigke­it zuweisen. Aber: Es sind

nicht alle Meinungen gleich richtig. Über Fakten kann man weniger diskutiere­n als über Geschmack.

SN:

Sie haben die Würde des Menschen angesproch­en, wo endet diese für Sie?

Dort, wo der Zwang zur Selbstverl­eugnung beginnt.

SN:

Was verstehen Sie unter Selbstverl­eugnung?

Nicht mehr zu dem stehen zu

können, wofür man selbst leben möchte. Wenn Menschen jemanden zwingen, dass er sich selbst aufgibt, dann wird die Würde des anderen nicht akzeptiert. Würde

kann man selbst nicht verlieren – sie kann einem nur genommen

werden.

SN:

Gibt es eine Würde gegenüber einer Rolle?

Es gibt die Verantwort­ung gegenüber einer Rolle. Wer in London Hamlet spielt, verkörpert ein bestimmtes Heiligtum. Es gibt dann zwei Möglichkei­ten: Man wählt den erwarteten, bekannten Weg oder man bricht mit allen Erwartunge­n und stellt sich in den Regen, der dadurch entstehen kann, und lässt dadurch den Versuch zu, etwas völlig Neues entstehen zu lassen. Damit geht ein großer Druck einher. Als Interpreta­tionskünst­ler kann man mit solchen Rollen aber unsterblic­h werden. Man kann als Schauspiel­erin, als Schauspiel­er der Anwalt seiner Figur sein, da ist etwas Wahres dran. Selbst der größte Bösewicht ist überzeugt, etwas Richtiges zu tun. Nur das Böse zu spielen wäre

übrigens nie stark genug.

SN: Der gute Schauspiel­er brilliert in den kleinen Rollen, die großen zu spielen ist doch einfach, oder?

Klaus Maria Brandauer hat zu mir einmal gesagt: „Es ist leichter, in einer Hauptrolle gut zu sein, man

hat 90 Minuten Zeit dafür, als in einer Rolle, in der man drei Sätze

hat.“

SN: Sind Sie durch Ihre Rollen in den Filmen, im Burgtheate­r, in der Josefstadt erwachsen geworden?

Ja, man reift mit und durch jede Rolle. Jede Rolle, jeder Theaterabe­nd prägt einen und kann einen als Menschen verändern.

Sie waren schon mit Ihren Eltern häufig im Theater, haben Sie sich den kindlichen Zuschauerb­lick behalten?

SN:

Ich schaue immer noch zu – wie ein Zuschauer. Ich suche immer noch nach dem, was mir gefällt, was mich überrascht und mich verzaubert. Ich muss nicht immer gleich alles kritisiere­n, diese Mentalität habe ich mir antrainier­t. Ich finde andere Menschen

und deren künstleris­che Arbeit sehr gerne sehr gut. Kritik üben fühlt sich manchmal als aktiver

Vorgang an. Es gehört aber meist nicht viel dazu. Selbst in einem Zeitraum von drei Stunden halte ich es für ausgeschlo­ssen, dass es

nichts gibt, was mir gefällt.

SN-Info:

„Masterpiec­es of Art“in der Galerie Reinisch. Getreidega­sse 12,

Salzburg. Montag bis Samstag 11–18 Uhr, Sonntag 11–13 Uhr.

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 ?? BILD: SN/RIEBLER (1),SN/SATEL FILM/PROBST (1) ?? Schauspiel­er Florian Teichtmeis­ter vor einem Werk von Günther Förg. Am kleinen Foto v. l. die Stars der Serie „Die Toten von Salzburg“: Regisseur Erhard Riedlsperg­er, Florian Teichtmeis­ter, Fanny Krausz und Michael Fitz.
BILD: SN/RIEBLER (1),SN/SATEL FILM/PROBST (1) Schauspiel­er Florian Teichtmeis­ter vor einem Werk von Günther Förg. Am kleinen Foto v. l. die Stars der Serie „Die Toten von Salzburg“: Regisseur Erhard Riedlsperg­er, Florian Teichtmeis­ter, Fanny Krausz und Michael Fitz.

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