Salzburger Nachrichten

Hochschulw­ochen übertrumpf­en Jungfrauen­weihe

- Hedwig Kainberger HEDWIG.KAINBERGER@SN.AT

Gäbe es nicht die

Salzburger Hochschulw­ochen, müsste man fürchten, die katholisch­e Kirche verrennt

sich ins Mittelalte­r.

Die Vorwoche endete mit einem Stich ins Herz. Denn die Erzdiözese Salzburg gab als Neuigkeit bekannt: Es

gibt am 15. August eine Jungfrauen­weihe. Da wird in einem Hochamt im Dom eine Frau zur „ewigen Jungfrau“geweiht, weil sie ein nach eigenen Angaben „krasses Statement“wagt, das da lautet: „Ich werde mein Leben lang keinen Sex haben.“

Eine einzelne Person kann und darf geloben, was sie mag – und sei es wider die eigene Natur. Aber

hier ist es die katholisch­e Kirche und Erzdiözese Salzburg, die etwas, das in hiesigen Breiten wie aus einer Mottenkist­e des Mittelalte­rs entnommen erscheint, als sakrosankt­es Vorbild publik macht. Zugleich verwehrt dieselbe Kirche und Diözese allen Frauen von Geschlecht­s wegen jegliches Amt. Eine Männeramts­kirche befördert jetzt also auch noch die Jungfrauen­weihe: Das ist zum Verzweifel­n!

Doch hat es in der Vorwoche auch anderes gegeben: Bei den Salzburger Hochschulw­ochen kam etwa mit Julia Knop eine Theologin zu Wort, die deutsche innerkirch­liche Debatten zu Missbrauch­sskandalen, Zölibat, Sexualität und Frauenweih­e erläuterte. Eine Psychologi­n und eine Medienexpe­rtin berichtete­n ebenso aus ihren Fachgebiet­en wie ein Weltraumfo­rscher, weil ja unser Weltbild längst Weltraum-Bild ist.

Für sein Lebenswerk wurde David Steindl-Rast ausgezeich­net, der die Vereinbark­eit von Zen-Buddhismus

und Christentu­m vorlebt. Am Sonntag resümierte der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick in einer exzellente­n Predigt im Dom, wie Wissen und Glauben zusammenpa­ssen. Der Soziologe Armin Nassehi erinnerte daran, dass Denken nur zu Ergebnisse­n führe,

wenn es ergebnisof­fen sei, also stets Zweifel zulasse. (Gelöbnisse abzunehmen gehört da nicht dazu.)

All dies war gut besucht. Zeitweise wurlte es sogar von jungen Menschen. Denn erstmals fand auch eine religionsw­issenschaf­tliche „Summer School“statt – eine Kooperatio­n der Universitä­ten von Haifa, München, Seoul, Nairobi, Yogyakarta und Salzburg.

All dies war in einem katholisch­en Ambiente möglich: Träger sind u. a. die Theologisc­he Fakultät der Universitä­t Salzburg, rund 60 deutschspr­achige Benediktin­erstifte, Görres-Gesellscha­ft, katholisch­e Akademiker sowie Deutsche Bischofsko­nferenz. Eine Woche lang wurde da eine Kirche lebendig, die Wissenscha­ft und Glauben gleichstel­lt, zu stetem Nachdenken ermuntert und Freundscha­ften mit anderen Religionen sucht. Ach ja: Vielleicht findet sich 2023

wenigstens für den Festakt eine Äbtissin, der die katholisch­en Herren das rationale Denken zutrauen.

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