In den Fußstapfen der Ersten Republik
Die heutige Dritte Republik und Österreich vor 1938 – eine beängstigende Parallelgeschichte.
Eineinhalb Jahre, neun Monate, zwei Jahre, ein
Tag – die Dauer der Kanzlerschaften in der Ersten Republik bewegte sich auf äußerst niedrigem Niveau. Und heute? Eineinhalb Jahre, sechs Tage, sieben Monate, eineinhalb Jahre,
drei Monate – so lange dauerten die Kanzlerschaften seit 2017. Der aktuelle Bundeskanzler ist seit acht Monaten im Amt und schon wird über seine Ablöse spekuliert.
Diese Kurzatmigkeit der Politik ist nur eine der Parallelen zwischen der Ersten Republik
und den Jahren seit 2017, die Historiker wohl einmal als den Beginn der Dritten Republik ansehen werden. Denn mit der Konsensdemokratie der Zweiten Republik (als die Kanzler acht, zehn oder gar dreizehn Jahre amtierten) hat die Gegenwart nichts mehr zu tun.
Weitere Parallelen zwischen damals und heute sind leicht auszumachen:
1. Der Hass in der Politik: Diskussionen sind nicht mehr möglich. Die Parteien suchen nicht
nach Kompromissen, sie versuchen einander zu beschädigen. Das Ziel ist die absolute Macht im Staat; dem Gegner wird die politische Redlichkeit abgesprochen.
2. Die Bewaffnung der Politik: Was früher Schlagstock, Pistole und Gewehr waren, sind
heute Strafanzeigen, das Streuen von Gerüchten und das ungehemmte Skandalisieren. Politisch sind diese Instrumente genauso tödlich wie die einstigen Mordwaffen.
3. Die permanente Hektik: Mangels Konsens gibt es keine langfristigen Pläne und Ziele. Politik erschöpft sich in hektischer Symptombekämpfung von Krisen. (Wobei der Unterschied ist, dass Österreich damals ein in seiner Existenz bedrohter, bitterarmer Staat mit Hunderttausenden unversorgten Arbeitslosen war,
während es heute eines der reichsten und sozialsten Länder der Erde ist.)
4. Die Abschottung in Parallelwelten: Da die verschiedenen Lager nicht mehr miteinander reden können oder wollen, schotten sie sich ab
und lehnen es ab, Informationen von der anderen Seite zur Kenntnis zu nehmen. Gefragt ist daher auch nicht mehr eine unabhängige,
umfassende Berichterstattung, gefragt sind nur noch Medien, die die jeweils eigene Meinung
bestätigen (was aktuell die Wiederauferstehung der längst totgeglaubten Parteizeitungen in Form von Internetpattformen erklärt).
5. Die Stunde der Rattenfänger: Wie man damals körperlich und ideologisch uniformiert auf der Straße marschierte und jenen Führern folgte, die am lautesten agitierten, folgt man
heute den Trommlern in den sogenannten sozialen Medien, wo das virtuelle Geschehen zunehmend über die Realität entscheidet.
So weit einige Parallelen zwischen der Ersten Republik und der Politik heute. Man weiß,
worin das damals gemündet hat.