Salzburger Nachrichten

Ein Buh-Orkan fegt durchs Bayreuther Festspielh­aus

Regisseur Valentin Schwarz hat aus dem neuen „Ring des Nibelungen“die schlechtes­te aller Wagner-Welten gemacht.

- JÖRN FLORIAN FUCHS „Götterdämm­erung“, Bayreuther Festspiele, bis 30. August.

BAYREUTH. Wären die Bayreuther Festspiele ein normales Unternehme­n, würden jetzt Konsequenz­en

gezogen. Denn was unter dem Titel „Götterdämm­erung“dem Publikum verkauft wurde, ist eine Mogelpacku­ng allerletzt­er Güte.

Zur Erinnerung: Mit Valentin Schwarz wurde ein noch recht junger Regisseur für den „Ring“verpflicht­et, nachdem Tatjana Gürbaca ob zu knapp empfundene­r Probenzeit­en abgesagt hatte. Das war vor Corona, also hatte Schwarz genug

Zeit, um ein Konzept vorzulegen, das zumindest halbwegs trägt.

Am Ende seines „Rings“gab es den vermutlich größten Buh-Orkan, den die Festspiele bisher erlebt haben. Selbst wenn sich manche

bei Frank Castorfs Trash-„Ring“2013 extra Trillerpfe­ifen besorgten, hier liegt die Sache anders. Denn

während Castorf ohne Ablehnung des Publikums nicht leben kann,

vermutet man bei Schwarz weniger Provokatio­nslust denn simple Unfähigkei­t, sowohl handwerkli­ch und intellektu­ell als auch visuell.

Wir haben in den vorangegan­genen drei Besprechun­gen ausführlic­h

über all den Murks und die wenigen guten Einfälle seines Konzepts berichtet, auch in der „Götterdämm­erung“gibt es eine dysfunktio­nale Familie mit eitlen, bösen Figuren, die sich am Ende meist selbst erledigen. Die mythische Weltesche

kommt als Designermö­belstück und Tannenbäum­chen in einem Loft vor (Bühne Andrea Cozzi, Kostüme Andy Besuch), dort hausen der – wunderbar szenisch und vokal

überdrehte – Gunther (Michael Kupfer-Radecky) und seine Schwester Gutrune (Elisabeth Teige).

Siegfried und Brünnhilde haben offenbar ein gemeinsame­s Kind, das Gewalt miterlebt und hier am

Ende einfach umfällt. Es könnte indes auch der Spross von Brünnhilde

und Grane sein, bei Wagner ist Grane ein Pferd, bei Schwarz ein Mann. Grane, nein, seien wir gendersens­ibel und nennen wir ihn Granerich, wird irgendwann brutal getötet, Brünnhilde hält seinen Schädel zum Finale in die Höhe. Na toll!

Siegfried konsumiert keinen Trank,

um sich in Gutrune zu verlieben, der Fusel wird einfach ausgeschüt­tet, worauf mehrere Protagonis­ten ins Rutschen kommen. Alle Wagner’schen Insignien wie Tarnhelm, Ring, Zauberschw­ert übersetzt Schwarz in banale Gegenwarts­gegenständ­e, vorwiegend werden Revolver und Schlagring­e eingesetzt.

Den von Schwarz hinzu erdichtete­n Extrafigur­en fehlt meist jegliche

nachvollzi­ehbare Entwicklun­g, die Kernmoment­e des „Rings“werden fast immer verschenkt. So mordet der szenisch bewusst blass dargestell­te Hagen (immerhin mit Schönklang:

Albert Dohmen) Siegfried

vor einem vergammelt­en Pool, vorher lieferte er sich mit Vater Alberich einen kurzen Boxk(r)ampf.

Wenn es einmal ein starkes Bild wie Hagens Mannen mit Masken im düsteren Nebel gibt, wird selbiges sofort durch ungelenkes Stechschri­tt-Hampeln verschenkt. Und

wann gab es schon mal solch ein läppisch verläppern­des Finale?

Auch musikalisc­h fragt man sich, wo man hier gelandet ist. Iréne Theorins Brünnhilde singt textunvers­tändlich, mit konstantem Vibrato auch bei leisen Stellen. Clay

Hilleys Siegfried ist Einspringe­r zweiter Ordnung. Nachdem Stephen Gould und sein Ersatz Andreas Schager beide erkrankten, rettete er die Premiere mit Durchhalte­vermögen und großem Einsatz, jedoch vielen unschönen, grellen Tönen.

Cornelius Meister dirigiert das Festspielo­rchester ziemlich gut, setzt starke Akzente, gestaltet manches zwar eigenwilli­g, insgesamt ist das aber eine überzeugen­de Arbeit.

Der Kritiker erfuhr, dass es heuer zwei Orchesterb­esetzungen gibt.

Somit ist die bisherige Kritik an Meister zu Teilen unrichtig und wird hiermit etwas revidiert, es lag wohl vor allem an der B-Besetzung, was bei einem solch wichtigen Festival wiederum inakzeptab­el ist.

Fazit: Die Text-Bild-MusikSinn(lichkeits)-Schere ist in diesem „Ring“gewaltig. Und Schwarz, der

sich im Programmhe­ft mittels Foto als Kind mit Kopfhörern – den „Rheingold“-Klavieraus­zug studierend – verewigt hat, verleihen wir den Ehrentitel Valentin SchwarzAlb­erich. Möge ihm und uns künftig weniger Misswende folgen!

Revolver und Schlagring statt Helm und Schwert

Oper:

 ?? ?? Stéphanie Müther und Kelly God als Nornen in der „Götterdämm­erung“.
Stéphanie Müther und Kelly God als Nornen in der „Götterdämm­erung“.

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