Einspringerin Yuja Wang beschenkt Salzburg mit brillantem Debüt
SALZBURG. Was für ein Ersatz: China statt Russland! Da Evgeny
Kissin, seit 1988 bei den Salzburger Festspielen, wegen Schmerzen im
Arm das Solistenkonzert am Freitag abgesagt hatte, gab die in den USA lebende Chinesin Yuja Wang ein hinreißendes Debüt. In den Zugaben trieb sie Geläufigkeit und Emphase derart ins Extrem, dass ihr Spiel sich weit, weit über Fingerbewegung auf Tasten enthob: Wie elektrisiert war das Publikum nach ihren „Carmen“-Variationen von
Vladimir Horowitz. Der Applaus toste noch nicht richtig, da brachte
Yuja Wang schon bedächtig eine Etüde von Philip Glass zum Gurgeln. Welche Spannung sie da aufbaute bis zu furios kraftvollen Akkorden! Sogar mit Mozarts „Rondo alla turca“, frech verspielt und mit
stupender Geläufigkeit, reizte sie das Publikum zu tosendem Jubel.
Wie sie sich verausgabte, war auch am Muskelspiel ihres Rückens zu beobachten, der bis auf zwei Kreuzbänder ihres grün glitzernden Extrem-Minikleides frei
war. Mit Akkorden setzte sie solche Energie frei, dass ihre Haare
flogen. Dabei hatte sie zuvor zwei Stunden scheinbar unermüdlich ein gigantisches Programm gestaltet – von zwei Liedern Franz Schuberts, die Franz Liszt transkribiert hat, bis Alexander Skrjabins 3. Sonate in fisMoll. Angebliche Unspielbarkeit, wie sie einigen Stücken von Isaac
Albéniz’ Zyklus „Iberia“nachgesagt wird, münzte Yuja Wang mit Nr. 10 und Nr. 9 in Brillanz um.
Arnold Schönbergs Suite op. 25 präsentierte sie mit berührend lyrischer Musikalität – sei es ein energisches Präludium oder die Gavotte so behutsam, als wäre etwas zerbrochen. Nach einer
weichen „Ungarischen Melodie“Franz Schuberts sprang sie in György Ligetis Etüden. Als sie für
Nr. 13 in kraftvoller Rasanz reich ziselierte Läufe hinlegte, einen Sprung in die Höhe vollzog und mit wuchtigem Stapfen in der Tiefe landete, war das zweifellos eine „Stiege des Teufels“.