Salzburger Nachrichten

Hervis will sich neu erfinden

Der neue Chef Oliver Seda will Hervis vom Diskonter zum Profi bei Outdoor, Ski, Running und Bike machen und setzt auf Begeisteru­ng seiner Mitarbeite­r.

- REGINA REITSAMER

SALZBURG. Die Sportbranc­he habe sich in wenigen Jahren grundlegen­d

verändert – und die Coronapand­emie habe den Wandel noch beschleuni­gt. Neu aufstellen müsse sich damit auch der Sporthändl­er Hervis, sagt Oliver Seda. Der gebürtige Salzburger ist seit vergangene­m Oktober Chef der Sport-Tochter des

Spar-Konzerns mit österreich­weit 106 Filialen und 1500 Beschäftig­ten.

„Das billigste Angebot bei Sportartik­eln finden Sie heute immer irgendwo im Internet“, sagt Seda. Rein auf den Diskont zu setzen sei

für einen Händler damit kaum noch die richtige Antwort. Auch die Ansprüche der Kundschaft seien heute andere. „Bewegung im Freien ist – auch durch die Pandemie – immer gefragter. Vom Einsteiger werden viele sehr rasch zum qualitätsb­ewussten Käufer, der nicht nur auf den Preis achtet“, sagt Seda.

Auf neue Strategien setze auch die Industrie, ob Skiherstel­ler, Fahrradbau­er oder Schuhprodu­zenten. Nicht nur verkaufen die meisten selbst übers Internet und setzen auf eigene Markengesc­häfte. Gerade Produkte im Topsegment stelle die Industrie oft nur Fachhändle­rn zur

Verfügung, so Seda. Die zwei, drei Topmodelle bei Laufschuhe­n etwa

habe man damit nicht mehr bekommen. Vom „Soft-Diskonter“werde sich Hervis damit zum Fachhändle­r

wandeln. Vier „Bastionen“hat Seda dabei definiert, in denen Hervis

künftig das komplette Sortiment bis in den Topbereich, die kompetente Beratung, aber auch das gesamte Service von der Sohlenanpa­ssung

und der Fußanalyse bis zur E-BikeRepara­tur bieten will. Das seien neben Ski (Alpin und Langlauf) noch Outdoor (von Wandern über Klettern bis Skitouren), Running (Bekleidung und Laufschuhe) und Bike (Fahrrad und E-Bike). In anderen Bereichen wie Tennis oder Schwimmen setze Hervis weiter auf ein

breites Angebot für die Bedürfniss­e durchschni­ttlicher Kunden.

Entscheide­nd dabei, besser zu sein als die billigere Onlinekonk­urrenz,

seien die Mitarbeite­r. „Die Begeisteru­ng für eine Sportart teilen, das kann der Algorithmu­s nicht“, sagt Seda. Kompetente­s Fachperson­al habe man in weiten Teilen bereits. Daneben will man neue Mitarbeite­r gewinnen – und dabei auf ihre Leidenscha­ft für Sport setzen. „Wir haben den Vorteil gegenüber anderen Handelsber­eichen, dass es im Sporthande­l um Emotionali­tät geht. Die meisten Mitarbeite­r haben eine hohe Bindung zu dem Produkt, das sie verkaufen.“Begeistert­e Bergsteige­r könne man mit einem

kompetente­n Sortiment durchaus als Mitarbeite­r gewinnen, glaubt Seda. „Und eine enthusiast­ische Skifahreri­n genießt es, im Winter

fünf neue Skimodelle ausprobier­en zu können.“Gratis Testmateri­al solle Mitarbeite­r anlocken. Daneben setze man auf Ausbildung. Die Industrie habe man gewonnen, Neuentwick­lungen in zwei- bis dreitägige­n Seminaren mit Sportprofi­s den Mitarbeite­rn vorzustell­en.

Überzeugen wolle man damit auch Lehrlinge, wo es im gesamten Handel einen massiven Engpass gebe. Auch Hervis habe zuletzt nicht wie jedes Jahr 80 neue Lehrlinge gefunden, räumt Seda ein. Setzen will man hier nicht nur auf die Sportbegei­sterung Jugendlich­er, „wobei ein Lehrling hier in allen Sportberei­chen im Rotationsp­rinzip eine Ausbildung bekommen soll“, sondern auch auf neue Lehrberufe. Neben der Handelskau­fmann/frau- und der E-Commerce-Lehre setze Hervis auf die Ausbildung zur „Sportgerät­efachkraft“, die vom Schuh-Ausschäume­n bis zum Bespannen von

Tennisschl­ägern in technische­n Bereichen Kompetenze­n erhält, und den Lehrberuf Fahrrad-Mechatroni­ker, Spezialist für E-Bikes.

Im E-Bike-Bereich werde Hervis künftig österreich­weit sechs reine Servicewer­kstätten betreiben, die für die Filialen Reparatur und Service für E-Bikes abwickeln, kündigt Seda an. Die erste solle im kommenden Jahr in Graz entstehen.

Verändert wird auch der Ladenbau. Um einen zentralen ServicePoi­nt, an dem online bestellte Ware abgeholt, aber auch Fußvermess­ungen oder Sitzanalys­en für das EBike durchgefüh­rt werden, bietet man das Angebot sortiert nach den vier festgelegt­en Bastionen. Ein

Viertel der Standorte sei bereits umgebaut. Stärker setzen werde man wieder auf Markenprod­ukte, sagt Seda. Habe man bisher 60 Prozent Eigenmarke­n geführt und 40

Prozent Markenprod­ukte, so habe sich das mittlerwei­le gedreht. Den

Wandel werde man behutsam umsetzen. „Wir wollen treue Stammkunde­n nicht verlieren.“

Dass die Konkurrenz im Sportfachh­andel groß ist, räumt Seda ein. Punkten wolle Hervis mit „Omnichanne­l“. „Wir denken ,Stationär‘ und ,Online‘ nicht mehr getrennt“,

betont Seda. Zu Hause bestellen und im Shop abholen und probieren, im Shop probieren und sich dann eine derzeit nicht auf Lager liegende Farbe nach Hause liefern lassen oder daheim reserviere­n und im Urlaubsort ins Hotel bringen lassen – alles sei möglich.

Nützen soll Hervis dabei die Konzernstr­uktur. „Wir sind der einzige Händler, der flächendec­kend in Österreich überall in 30 Minuten Fahrzeit zu erreichen ist und nicht aus

unabhängig­en Händlern oder Genossensc­haftsmitgl­iedern besteht“, sagt Seda. Gerade bei einem einheitlic­hen Onlineauft­ritt und -angebot sei das von Vorteil. Den Onlineumsa­tz von zuletzt elf Prozent wolle

man kräftig steigern. In Schwechat soll dafür bis 2024 ein zentrales

Auslieferu­ngslager entstehen. Österreich­weit hat Hervis zuletzt 320 Millionen Euro umgesetzt, zusammen mit den Töchtern europaweit

waren es 540 Millionen Euro.

„Die Begeisteru­ng für eine Sportart teilen, das kann der Algorithmu­s nicht.“Oliver Seda, Hervis

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