Ragweed-Pollen im Anflug
Die Pollensaison fiel für Allergikerinnen und Allergiker heuer bereits besonders stark aus. Ein nicht heimisches Unkraut soll jedoch noch im August alle Rekorde brechen: Ragweed.
WIEN. Regelmäßig streift Uwe Berger durch Maisfelder in Niederösterreich. Dabei blickt der Leiter des Österreichischen Pollenwarndienstes mit Argusaugen darauf, welches Kraut bzw. Unkraut er dort sieht. Eines sticht für ihn dabei heuer besonders früh aggressiv hervor: das
Ragweed (auch bekannt als Ambrosia, Trauben- oder Fetzenkraut). „Es
wächst dort in Niederösterreich bereits 50 Meter ins Feld hinein“, sagt Berger. In den vergangenen 20 Jahren habe er noch nie so viel Ragweed dort gesehen. Das kann vor allem für Allergikerinnen und Allergiker massive Folgen haben.
Die sehr anpassungs- und widerstandsfähige Pflanze kommt ursprünglich aus den USA. Sie wurde durch Hilfslieferungen nach dem Krieg eingeschleppt und breitet sich vom Osten her auch hierzulande von Jahr zu Jahr weiter aus. Wien, Burgenland, Niederösterreich,
Kärnten und Steiermark sind die Gebiete mit dem höchsten Ragweed-Vorkommen. Aber auch in Salzburg und Oberösterreich verbreitet sich das Kraut immer mehr.
In Österreich gibt es etwa eine Million Pollenallergiker. Rund 10 bis 15 Prozent davon leiden auch an einer Ragweed-Allergie. Unter anderem jene sind (potenziell) betroffen, die auf Beifuß reagieren, da die Kreuzreaktivität zwischen Beifuß und Ragweed immer häufiger vorkommt. „Die Krux am Ragweed ist, dass es ein neues Allergen ist und deshalb viele Patientinnen und Patienten sehr harsch darauf reagieren“, sagt Berger. Eine RagweedPflanze kann Milliarden von Pollen abgeben. Der Schwellwert zur Auslösung allergischer Symptome liegt hierzulande bei nur vier Pollen pro Kubikmeter Luft. Bereits wenige
Allergene in der Luft können also starke Beschwerden auslösen.
Diese reichen von Fließschnupfen, roten, juckenden Augen und Niesreiz bis hin zu Atemnot. Häufig
wird durch Ragweed auch Asthma hervorgerufen. „Betroffene sollten
bei ersten Anzeichen einen Allergologen aufsuchen, um die Beschwerden fachgerecht abklären zu lassen“, sagt Berger.
Die Pollensaison hatte dieses Jahr mit der Blüte von Birken, Haseln, Erlen, Eschen und Gräsern bereits heftig und früh begonnen. „Wir haben sehr viel negatives Feedback von Patientinnen und Patienten erhalten, die heuer massiv unter der Pollenbelastung leiden“, sagt Ber
ger. „Die Allergiker haben außerdem aufgrund der Coronamaßnahmen wie dem Mund-Nasen-Schutz ein Immunsystem, das nicht so gut
trainiert war und heftiger reagiert“, ergänzt er.
In der Behandlung einer Ragweed-Allergie werden vor allem Augenund Nasentropfen oder Antihistaminika eingesetzt. „Sie sollen Rezeptoren blockieren, an die die Histamine binden“, erklärt Dermatologin Katharina Medek. „Wir wissen aber auch, dass viele Menschen zusätzlich auch mit alternativen Therapieansätzen wie einer Akupunktur gute Resultate erzielen.“
Dazu gibt es noch die Möglichkeit, eine Immuntherapie durchzuführen – auch Hypo- oder Desensibilisierung genannt. „Dabei führt man dem Körper das Allergen langsam zu, damit sich das Immunsystem daran gewöhnen kann und irgendwann nicht mehr so stark reagiert“, sagt Medek. Leide man unter einer Ragweed-Allergie, sei es aber
vor allem wichtig, Allergene zu vermeiden, also die Gebiete zu umgehen, wo es wachse, rät die Dermatologin. Vor allem findet man das Kraut an Straßen- und Bahnrändern, Äckern, Baustellen, unter Vogelhäusern, auf Brachen oder an
„Allergene vermeiden hilft.“Katharina Medek, „Wichtig, das Unkraut zu entsorgen.“
Pollenwarndienstleiter
Flussufern. Ging man früher davon aus, dass das Kraut nur in Seehöhen bis 500 Meter vorkommt, wurde es mittlerweile auch in Gebieten mit 700 Metern
gesichtet, sagt Uwe Berger. „Aber für Allergiker ist immer auch ein
guter Tipp, Urlaub in der Höhe oder am Meer zu verbringen.“
Der Leiter des Pollenwarndienstes appelliert jedoch auch an die Allgemeinheit: „Auch Personen, die keine Allergie auf das Ragweed haben, sollten aktiv
werden.“Sichtungen des Unkrauts sollten über WWW.RAGWEEDFINDER.AT oder die dazugehörige
App gemeldet werden. Sieht man eine Pflanze, sollte man sie „mit
Handschuhen ausreißen und in einem Plastiksack im Sondermüll entsorgen“, sagt er.
Das Burgenland hat als erstes Bundesland Österreichs ein Gesetz zur Bekämpfung und Verhinderung der Ausbreitung von Ragweed Anfang Juli 2021 erlassen. „Es wäre wünschenswert, dass andere das auch übernehmen“, sagt Berger. „Denn je früher wir das Problem der flächendeckenden Verbreitung an der
Wurzel packen, desto eher kann man es hinauszögern.“