Ein karibischer Vorkämpfer für den Freiheitsgedanken
Eine Biografie zeigt, wie ein ehemaliger Sklave Haiti in die Unabhängigkeit führte und so zum Vorbild einer Bewegung wurde.
SALZBURG. Das Leben von Revolutionsführern bekommt in der Rückschau oft zunächst Schlagseite – je nachdem, welche Seite erzählt. Jene, die durch die Heldentaten zu neuer Freiheit kamen, dichten ihrem Vorkämpfer überwiegend Lobenswertes an, während die Verlierer der Privilegien alles Ungute zur Beschreibung ausschlachten.
Ausgewogene Bilanzen finden sich meist erst viel später in den Büchern unbefangener Historiker.
Gleiches gilt auch für den haitianischen Freiheitskämpfer Toussaint Louverture. Auch er war kurz
nach seinem Tod ein umstrittener Mann, dessen Lebenswerk verzerrt dargestellt wurde. Der aus Mauritius stammende Historiker Sudhir
Hazareesingh hat ihm nun eine umfangreiche Biografie gewidmet und dafür bislang ungenutztes Quellenmaterial aufwendig ausgewertet.
Während Frankreich 1789 erklärte, dass alle Menschen frei und
gleich geboren würden, galt das für die Schwarzen in den Kolonien zunächst nicht. Immerhin kam es auf der Karibikinsel Saint-Domingue schon kurz darauf zum Aufstand, in
dessen Folge 1793 erst die Sklaverei abgeschafft und dann 1804 Haitis Unabhängigkeit ausgerufen wurde.
Toussaint Louverture war an diesem ersten erfolgreichen Aufstand versklavter Menschen gegen ihre weißen Kolonialherren nicht nur
beteiligt, er wurde zum Anführer der Revolution, ernannte sich 1801 zum Gouverneur der Insel und ebnete den Weg zum ersten unabhängigen
schwarzen Staat der Welt. Haiti wurde zum ersten lateinamerikanischen Land, dessen Bevölkerung sich aus der kolonialen Unterdrückung befreite.
Der Titel „Black Spartacus“verwendet dabei einen der vielen Ehrentitel,
die Louverture schon zu Lebzeiten für seinen Freiheitskampf erhielt. Die Biografie zeichnet dabei nicht nur den Werdegang einer politischen Figur nach, sondern stellt sie in den Kontext ihrer Zeit. Der Konkurrenzkampf der Kolonialmächte spielt dabei eine ebenso tragende Rolle wie die Sklavenwirtschaft in der neuen Welt. Es entsteht ein lebendiger Eindruck einer Gesellschaft abseits der kolonialen Mutterländer.
Im Mittelpunkt aber steht freilich der faszinierende Lebenslauf eines Menschen, der noch heute ein
Vorbild für die antirassistische Bewegung ist. Dabei beleuchtet Hazareesingh auch die Frage, wie die Ideale der Französischen Revolution in einer multiethnischen Gesellschaft mit europäischen, afrikanischen
und kreolisch-karibischen Einflüssen umgesetzt werden
konnten. Es ist vor allem den zahlreichen Begabungen Louvertures
und seinem opulenten Wissen über die verschiedenen Gesellschaftsgruppen zu verdanken, dass er die
besonderen Gegebenheiten der Insel einzusetzen wusste und daraus einen eigenen kreolischen Republikanismus entwickelte. Dass sein Leben auch Schattenseiten hatte, arbeitet der Autor dabei fein heraus.
Die Vollendung der Revolution erlebte Louverture übrigens nicht
mehr. Er starb – von Napoleon verschleppt – im Jahr 1803 in Einzelhaft in einer Bergfestung in den
Voralpen. Ein Fehler, den Napoleon übrigens bereut haben soll. Allerdings erst, als der Korse selbst auf der Insel St. Helena in Haft saß.