Warum will Doskozil die Gesundheitskasse abschaffen?
Dafür gibt es einige mögliche Erklärungen. Von denen aber keine wirklich schlüssig ist. Eine Analyse.
Beharrlich ist er. Seit Monaten fordert Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) die Abschaffung der Gesundheitskasse (ÖGK) und damit des mit
Abstand größten sozialen Krankenversicherungsträgers. Zuletzt wurden seine Rufe lauter, am Wochenende deponierte er die Forderung in einem Interview mit der „Kleinen Zeitung“. Warum tut er das?
Eine mögliche Erklärung: Im Burgenland finden am 2. Oktober Gemeinderatswahlen statt. Nur: Die
Wahlkampftauglichkeit der Frage, wer nun was im Gesundheitswesen finanziert, dürfte bescheiden sein. Der Versichertengemeinschaft sind in erster Linie ein passables Angebot und das Gefühl wichtig, gut behandelt zu werden – ob nun bei der Hausärztin oder beim Facharzt (ÖGK-Zuständigkeit) oder im Spital (Länderkompetenz).
Die zweite mögliche Erklärung: Doskozil geht davon aus, dass die ÖGK seit der türkis-blauen Sozialversicherungsreform fest in ÖVPHand ist, und will sie deshalb weghaben. Nur: Das stimmt so nicht. Richtig ist, dass sich die Machtverhältnisse im sozialpartnerschaftlich geführten Selbstverwaltungskörper ÖGK verschoben haben: Jahrzehntelang hatte die Arbeitnehmerseite (= insbesondere ÖGB
und AK) die Mehrheit, nun hat sie die Arbeitgeberseite (= insbesondere WKO). Das Ringen um Kompromisse ist damit aus SPÖ-Sicht viel schwieriger, aber bei Weitem nicht
unmöglich geworden, wie die regelmäßigen Einigungen auf Verbesserungen für die Versicherten zeigen.
Die dritte mögliche Erklärung: Doskozil hat das Gefühl, die ÖGK
nütze seinem Bundesland zu wenig. Dem widerspricht der derzeitige ÖGK-Vorsitzende, Andreas Huss (übrigens ein Gewerkschafter), auf SN-Anfrage entschieden. Früher
habe das Burgenland pro Kopf das meiste Geld aus dem Ausgleichsfonds der Gebietskrankenkassen erhalten, nun profitiere es am meisten von den Leistungsangleichungen und -ausweitungen (zuletzt u. a. für Ergotherapie und Logopädie).
Die vierte mögliche Erklärung: Doskozil wünscht sich – was durchaus sinnvoll wäre – eine Finanzierung des aus Spitälern, niedergelassenem Bereich und Pflege bestehenden Gesundheitswesens aus einer Hand. Nur: Was meint er damit genau? Alles aus Steuergeld statt aus Steuer- und Beitragszahlergeld? Und: Wer verteilt? Nur die Länder, sprich die jeweilige Regierung? Wer das ernsthaft will, müsste freilich – tunlichst, ehe er sich
mit der kompletten Sozialpartnerschaft und der Sozialversicherung anlegt – einmal das Gespräch mit
den anderen Landeshauptleuten suchen. Oder zumindest an den Sitzungen der Bundeszielsteuerungskommission fürs Gesundheitswesen teilnehmen, die dazu geschaffen
wurde, um stationären und niedergelassenen Bereich sinnvoll miteinander zu verknüpfen. Wie es heißt, soll sich just das Burgenland bei diesen Treffen, die auch die Gelegenheit böten, sich mit allen anderen Landesgesundheitsreferenten auszutauschen, sehr rar machen. Nebenbei: Aus den Beiträgen der Sozialversicherten werden jetzt schon zwischen 43 und 48 Prozent der Spitalskosten finanziert, die Länder sind nicht die einzigen Zahler.
Ganz davon abgesehen erstaunt, dass Doskozil nur nach der Abschaffung der ÖGK, also der Unselbstständigen-Kasse, ruft und
nicht nach dem Aus der Selbstständigenund der Beamtenkasse. Fazit:
Was ihn treibt, ist unklar.
„Das Burgenland profitiert am meisten von der ÖGK.“Andreas Huss, ÖGK-Vorsitzender