Meinl-Reisinger: „Wollen Verantwortung übernehmen“
Die Neos-Parteichefin eröffnete die ORF-„Sommergespräche“: Wofür Beate Meinl-Reisinger politisch steht, was sie von Herbert Kickl hält und wofür sie gerne Geld ausgibt.
WIEN. Die Neos wollen nicht nur auf Kritik und Kontrolle beschränkt sein, sondern: „Wir haben auch
konkrete Perspektiven für dieses Land“. Anders gesagt: „Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen.“
Soweit Neos-Chefin Beate MeinlReisinger, die Montagabend als Vorsitzende der kleinsten Parlamentsfraktion die traditionellen ORF„Sommergespräche“eröffnete. Ein Blick bloß auf die eher bescheidenen Zahlen (8,1 Prozent und 15 Mandate bei der letzten Nationalratswahl) wird der künftigen Bedeutung der Neos möglicherweise nicht gerecht. Denn in der SPÖ, die in allen Umfragen führt und die sich Hoffnung macht, nach der nächsten Wahl die Kanzlerschaft zu übernehmen, gibt es starke Bestrebungen, dies in einer sogenannten Ampelkoalition zu tun. Also in einer Regierung, die aus SPÖ, Grünen und Neos besteht. Wobei Meinl-Reisinger in ihrem TV-Interview auch eine Zusammenarbeit mit der ÖVP nicht ausschloss.
Was könnten die Neos inhaltlich zu einer solchen Koalition beitragen? Aktuell
gehe es darum, sozial schwache Haushalte mit Bargeld zu
unterstützen, die kalte Progression (die von der Regierung nur teilweise beseitigt wird) komplett abzuschaffen, den Menschen mehr
von ihrem Lohn zu lassen, die Lohnnebenkosten zu senken. Der Strompreis sollte auf europäischer Ebene vom explodierenden Gaspreis entkoppelt werden. Mit Vehemenz verteidigte die Parteichefin die Sanktionen gegen den russischen Kriegsherrn Putin, der alles an Werten und Errungenschaften
beseitigen wolle, was den Europäern wichtig sei. Meinl-Reisinger sprach sich für die Teilnahme österreichischer Berufssoldaten an EUBattlegroups beziehungsweise einem starken europäischen Heer aus. Im übrigen gelobte die NeosChefin Sauberkeit und
Transparenz: „Wir legen seit unserem Bestehen alle unsere Einnahmen offen. Sie finden bei uns keine Skandale.“
Und wie legte der ORF seine viel beworbenen „Sommergespräche“an? Mit – verglichen mit früheren Jahren – erfreulich wenig Schnickschnack,
wenngleich
Beate Meinl-Reisinger, NEOS
Sommergespräche NACHTBETRACHTUNG
die Moderatoren nicht auf die banale Frage verzichten konnten, ob Meinl-Reisinger nicht etwa wie der Bundeskanzler auf ihren Urlaub
verzichten wolle. Und der Wind fuhr manchmal heftig ins Gespräch
hinein, da die ORF-Marketingstrategen den Seherinnen und Sehern unbedingt die Terrasse des neuen Newsrooms vorführen wollten, weshalb die Diskutanten im Freien platziert worden waren. Auch halblustige wordrap-artige Fragen durften nicht fehlen, etwa: Wofür geben Sie leichten Herzens viel Geld aus? („Bücher“) oder: Was kann Herbert Kickl gut? („Das Maul aufreißen“).
Die derzeitige Themenlage von der Teuerung bis zur Sorge über die Energieversorgung mag eher der SPÖ in die Hände spielen und weniger den Neos. Diese versuchen dennoch nach Kräften, ihre Schwerpunkte auf die Agenda zu heben: Allfällige staatliche Mehreinnahmen nicht mit der Gießkanne zu verteilen, sondern für strukturelle Reformen zu nützen. Kinderbetreuung ab dem ersten Geburtstag sicherzustellen. Maßnahmen zur Kaufkraftstärkung umzusetzen. Und das Land mit der „besten Bildung für
unsere Kinder“zukunftsfit zu machen.
Als Partei feierten die Neos kürzlich ihren zehnten Geburtstag. Im Parlament sind sie seit neun Jahren
vertreten, also mit Abstand länger als andere Partei-Neugründungen
seit der Geburt der Grünen.