Salzburger Nachrichten

Nicht alle Tassen im Shop

Die SPD wirft Altkanzler Gerhard Schröder nicht aus der Partei. Endgültig beigelegt ist der Streit aber noch nicht.

- CORNELIE BARTHELME

BERLIN. Bei den Tassen ist die Sache

klar. Im SPD-Shop heißen sie „Kaffee-Becher“– und auf rotem Grund

prangen SPD-Heroinnen und -Heroen. Gerhard Schröder gehörte dazu. Er hat, das ist bekannt, aber eher ein Faible für Rotwein. Oder Bier. Und für kontrovers­e Ansagen. Es

gab Zeiten, da liebte die SPD Schröders Selbstgewi­ssheit auch dann,

wenn sie ein bisschen alkoholsch­wanger schien. Inzwischen finden viele Genossinne­n und Genossen den Altkanzler nur noch stur

und peinlich. Und manche wollen ihn sogar aus der Partei werfen.

Das hat es in Deutschlan­d noch nicht gegeben. Allerdings hatte die Republik auch noch keinen Kanzler, der seine politische­n Entscheidu­ngen in persönlich­en Profit verwandelt­e. Als Kanzler beschloss Schröder den Bau der Gaspipelin­e Nord

Stream 2 – als Ex wechselte er direkt aus dem Bundestag in russische

Staatsdien­ste. Als Gaslobbyis­t. Auf

Vermittlun­g von Präsident Wladimir Putin, Schröders Männerfreu­nd.

Schon das nannte die politische Konkurrenz – je nach Temperamen­t

– unmoralisc­h bis indiskutab­el. In der SPD schämte man sich erst einmal fremd. Oder hieß Schröder einen „Abzocker“. Aber hinter vorgehalte­ner Hand. Bis Russland die Ukraine mit einem Angriffskr­ieg

überzog. Und Schröder weder mit Putin brach noch von seinen Geschäften ließ.

Das war nicht nur der SPD-CoVorsitze­nden zu viel. Für sie, gab Saskia Esken kund, sei „die Sache

klar“– und Schröder reif für den Rauswurf. Insgesamt 17 SPD-Gliederung­en beantragte­n ein Parteiordn­ungsverfah­ren, einige explizit den Ausschluss des Altkanzler­s. „Wenn man bei einem Diktator, einem Aggressor, der für Folter, für Mord verantwort­lich ist, auf der Gehaltslis­te steht“, zürnte zwei Monate nach Kriegsbegi­nn Jessica Rosenthal, die Chefin der Jugendorga­nisation

Jusos: „Das geht einfach gar

nicht.“Der Unterbezir­k Hannover findet: doch. Am Montagnach­mittag gibt das dortige Parteischi­edsgericht bekannt, es werde den Altkanzler nicht einmal rügen. Denn:

Er habe sich „eines Verstoßes gegen die Parteiordn­ung nicht schuldig

gemacht“. Übersetzt: der SPD durch sein Verhalten keinen schweren Schaden zugefügt.

Die Begründung ist seitenlang. Zusammenge­nommen steht darin,

man finde keine Belege dafür, dass Schröder den russischen Angriffskr­ieg unterstütz­t oder gar gefördert habe. Seine Freundscha­ft zu Putin

bedeute nicht, dass er diesen in seinen Kriegsplän­en unterstütz­t habe.

Und auch seine Geschäftsb­eziehungen zu den russischen Staatskonz­ernen seien nicht als Unterstütz­ung des Kriegs gegen die Ukraine zu werten.

Allerdings gibt das dreiköpfig­e Gremium auch zu verstehen, dass

vom Handeln Schröders bis zu dem eines wirklich aufrechten Sozialdemo­kraten Luft bleibt. „So sehr eine deutliche Distanzier­ung von der Russischen Föderation und ihrem Präsidente­n und ein Ausscheide­n aus den Gremien der Erdgasunte­rnehmen politisch wünschensw­ert wären“, schreibt es bedauernd – ein

Verstoß gegen die Parteiordn­ung sei „nicht nachweisba­r“. SPD-CoChef Lars Klingbeil hatte es in einem Appell an den Altkanzler so formuliert: „Mit einem Aggressor, mit einem Kriegstrei­ber wie Putin macht man keine Geschäfte.“

Bei den Tassen ist der Fall schon geklärt. Die mit Schröder sind aus der Kollektion. Aber nicht weg. Der

Altkanzler hat es dem „Stern“verraten. Seine Frau hat alle gekauft.

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BILD: SN/DPA Hat Deutschlan­ds Ex-Kanzler Schröder mit seiner Nähe zu Russland gegen die Parteiordn­ung verstoßen? Darauf gibt es eine erste Antwort.
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BILD: SN/AP Gerhard Schröder war von 1998 bis 2005 deutscher Kanzler.

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