Wählen mit leerem Magen
Kenia ist politisch eines der stabilsten Länder in Afrika. Es kämpft jedoch mit Wassermangel und Hunger.
Die Präsidentenwahl in Kenia wurde im Vorfeld überschattet von Demonstrationen gegen stark gestiegene Lebensmittelpreise. „Ohne Essen wird es keine Wahl
geben!“, skandierten Demonstranten im Zentrum der Hauptstadt Nairobi. Dabei gilt der Urnengang als richtungsweisend für die ostafrikanische Nation.
Präsident Uhuru Kenyatta, Sohn des Gründungspräsidenten Jomo Kenyatta, darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Doch statt seinen Vize William Ruto zu unterstützen, setzt er auf den Oppositionskandidaten. Das Verhältnis zwischen Kenyatta und seinem Stellvertreter war zuletzt so frostig geworden, dass die Spitzenpolitiker einander die Schuld für die Probleme im Land zuschoben.
Kenia bleibt polarisiert, entlang politischer Gräben ebenso wie nach
Volkszugehörigkeit. Wie schnell die angespannte Stimmung kippen
kann, wurde 2007 sichtbar. Damals folgten auf umstrittene Wahlen tagelange ethnisch motivierte Unruhen. Mehr als 1300 Menschen starben, mehr als eine halbe Million musste fliehen.
Vizepräsident Ruto tritt gegen drei weitere Kandidaten an, wobei die Wahl als Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen ihm und Ex-Ministerpräsident Raila Odinga gilt. Beide Männer prägen Kenias Politik seit über 20 Jahren. Im Vorfeld äußerten Beobachter Sorge über angebliche
Wählerbestechung. Die gute Nachricht ist: Seit dem blutigen Votum
2007 ist Kenias Demokratie den
Kinderschuhen entwachsen. „Die Sicherheitsbehörden sind besser
vorbereitet und auch die neue dezentralisierte Verfassung verteilt
die Macht auf eine Weise, die Massengewalt im Fall einer Wahlniederlage
unwahrscheinlich macht“, sagt Hassan Khannenje, Direktor der kenianischen Denkfabrik Horn Institute. Frauen und Minderheiten seien heute vermehrt in Kenias Politik
vertreten. Es herrsche mehr Freiheit. Auch die Stimme von Jugendlichen werde stärker berücksichtigt.
Allerdings bedeute eine gereifte Demokratie nicht automatisch mehr Wohlstand, erinnert Khannenje. Das Horn Institute sieht die Ernährungssituation in Teilen Kenias als „nationalen Notfall“. Covid19, die schlimmste Dürre am Horn
von Afrika seit über 40 Jahren und eine strauchelnde Landwirtschaft – all dies treibt den Hunger voran. Das zeigte sich auch an den Wahlversprechen, die die Kandidaten bei den gleichzeitigen Parlaments- und
Kommunalwahlen abgaben: Sie sagten Sozialhilfe, kostenlosen Dünger und Saatgut zu.
Daneben muss Kenias nächster Staatschef weitere Probleme anpacken. Im Norden des Landes konkurrieren Hirten um Wasser und
Weideland. Im vergangenen Jahr forderten die Kämpfe etliche Tote.
Auch die Korruption bremst Kenias Entwicklung. Das wurde während der Pandemie sichtbar, als Gesundheitsbeamte mehr als 400 Millionen US-Dollar an Corona-Hilfsgeldern veruntreut haben sollen. Vizepräsident Ruto verspricht seinen Unterstützern ein „besseres und florierendes Kenia“. Umfragen räumen seinem Kontrahenten Odinga einen leichten Vorsprung ein. Zugleich herrscht Zweifel: Hat einer der beiden Altpolitiker das Zeug, eine neue Ära einzuläuten?