Salzburger Nachrichten

Wählen mit leerem Magen

Kenia ist politisch eines der stabilsten Länder in Afrika. Es kämpft jedoch mit Wassermang­el und Hunger.

- MARKUS SCHÖNHERR

Die Präsidente­nwahl in Kenia wurde im Vorfeld überschatt­et von Demonstrat­ionen gegen stark gestiegene Lebensmitt­elpreise. „Ohne Essen wird es keine Wahl

geben!“, skandierte­n Demonstran­ten im Zentrum der Hauptstadt Nairobi. Dabei gilt der Urnengang als richtungsw­eisend für die ostafrikan­ische Nation.

Präsident Uhuru Kenyatta, Sohn des Gründungsp­räsidenten Jomo Kenyatta, darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Doch statt seinen Vize William Ruto zu unterstütz­en, setzt er auf den Opposition­skandidate­n. Das Verhältnis zwischen Kenyatta und seinem Stellvertr­eter war zuletzt so frostig geworden, dass die Spitzenpol­itiker einander die Schuld für die Probleme im Land zuschoben.

Kenia bleibt polarisier­t, entlang politische­r Gräben ebenso wie nach

Volkszugeh­örigkeit. Wie schnell die angespannt­e Stimmung kippen

kann, wurde 2007 sichtbar. Damals folgten auf umstritten­e Wahlen tagelange ethnisch motivierte Unruhen. Mehr als 1300 Menschen starben, mehr als eine halbe Million musste fliehen.

Vizepräsid­ent Ruto tritt gegen drei weitere Kandidaten an, wobei die Wahl als Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen ihm und Ex-Ministerpr­äsident Raila Odinga gilt. Beide Männer prägen Kenias Politik seit über 20 Jahren. Im Vorfeld äußerten Beobachter Sorge über angebliche

Wählerbest­echung. Die gute Nachricht ist: Seit dem blutigen Votum

2007 ist Kenias Demokratie den

Kinderschu­hen entwachsen. „Die Sicherheit­sbehörden sind besser

vorbereite­t und auch die neue dezentrali­sierte Verfassung verteilt

die Macht auf eine Weise, die Massengewa­lt im Fall einer Wahlnieder­lage

unwahrsche­inlich macht“, sagt Hassan Khannenje, Direktor der kenianisch­en Denkfabrik Horn Institute. Frauen und Minderheit­en seien heute vermehrt in Kenias Politik

vertreten. Es herrsche mehr Freiheit. Auch die Stimme von Jugendlich­en werde stärker berücksich­tigt.

Allerdings bedeute eine gereifte Demokratie nicht automatisc­h mehr Wohlstand, erinnert Khannenje. Das Horn Institute sieht die Ernährungs­situation in Teilen Kenias als „nationalen Notfall“. Covid19, die schlimmste Dürre am Horn

von Afrika seit über 40 Jahren und eine straucheln­de Landwirtsc­haft – all dies treibt den Hunger voran. Das zeigte sich auch an den Wahlverspr­echen, die die Kandidaten bei den gleichzeit­igen Parlaments- und

Kommunalwa­hlen abgaben: Sie sagten Sozialhilf­e, kostenlose­n Dünger und Saatgut zu.

Daneben muss Kenias nächster Staatschef weitere Probleme anpacken. Im Norden des Landes konkurrier­en Hirten um Wasser und

Weideland. Im vergangene­n Jahr forderten die Kämpfe etliche Tote.

Auch die Korruption bremst Kenias Entwicklun­g. Das wurde während der Pandemie sichtbar, als Gesundheit­sbeamte mehr als 400 Millionen US-Dollar an Corona-Hilfsgelde­rn veruntreut haben sollen. Vizepräsid­ent Ruto verspricht seinen Unterstütz­ern ein „besseres und florierend­es Kenia“. Umfragen räumen seinem Kontrahent­en Odinga einen leichten Vorsprung ein. Zugleich herrscht Zweifel: Hat einer der beiden Altpolitik­er das Zeug, eine neue Ära einzuläute­n?

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BILD: SN/APA/AFP/MARCO LONGARI Kenia hofft auf eine Politik für die Armen.

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