Salzburger Nachrichten

Auf Du mit Bachforell­en und Zirbelkief­ern

In der Verfilmung des Theaterstü­cks „Märzengrun­d“von Felix Mitterer sucht einer die Freiheit.

- MAGDALENA MIEDL

SALZBURG. Für die Weichen ist kein Platz in Tirol, für die, die nicht den Erwartunge­n entspreche­n, denen der Eltern, der Kirche, der Dorfgemein­schaft. So einer ist Elias, ein Weicher, der in die Fußstapfen des

Vaters treten soll. In Adrian Goigingers „Märzengrun­d“spielt Jakob Mader diesen Elias als jungen Mann: Der 18-Jährige ist Sohn eines Großbauern im Zillertal, soll einmal

den Hof übernehmen und damit die Macht in der Gegend.

Hier gilt in den 1960er-Jahren ein feudalisti­sches Gesellscha­ftsmodell. Wenn der Vater (Harald Windisch) zu einem verschulde­ten

Kleinbauer­n geht, tut er das mit dem Gestus eines Fürsten, der die Chance nutzt, den Hof billig zu bekommen. Dass Elias danebensit­zt und weinen will, sieht der Vater

wohl. „Da Herrgott hat andere Sorgen

wia an Spielsücht­igen“, sagt er, und damit ist die Sache erledigt. Dem Sohn versucht er die Liebe zu Büchern auszutreib­en, indem er ihm ein Auto kauft, damit Elias

beim Fortgeh’n eine Frau findet. Der aber verliebt sich in eine Geschieden­e, die Moid (Verena Altenberge­r), die viel zu alt ist für ihn. Wiedersehe­n darf er sie nicht, und daran geht er fast zugrunde.

Die Unmöglichk­eit, als weicher Mensch in Tirol aufzuwachs­en, ist

häufiges Sujet in der Literatur und im Filmschaff­en der Gegend: Evi Romens Debütfilm „Hochwald“(2020) hatte auch so einen Protagonis­ten, auch in Francesca Melandris Südtirol-Roman „Eva schläft“geht einer daran zugrunde, dass er nicht den Erwartunge­n seiner Familie genügt. In „Märzengrun­d“ist die Konstellat­ion keine literarisc­he Erfindung, trotz des zugrunde liegenden

Bühnenstüc­ks von Felix Mitterer, das 2016 beim Zillertale­r Festival Stummer Schrei seine Premiere hatte. Mitterer, mit dem Goiginger fürs Drehbuch zusammenge­arbeitet

hat, hat die wahre Geschichte eines Mannes nachempfun­den, der ab den 1960er-Jahren 40 Jahre lang einsam am Märzengrun­d verbracht hat, einer Alm über dem Zillertal.

In Goigingers Film spielt Johannes Krisch den alten Elias als Alpenhippi­e mit vergilbtem Bart und knorrigem Auftreten. Zu den Zirbelkief­ern und Bachforell­en pflegt er engere Beziehunge­n als zu den Menschen, die er gemeinsam mit seinem Erbe lang hinter sich gelassen hat. Nur damals die Moid, von der die Mutter (Gerti Drassl) gesagt hat: „Die mit den Gamsaugen“, die hat ihn auch so nah berührt. Vom

Verbot, mit ihr zu leben, wurde der junge Film-Elias gemütskran­k, und als der Vater ihn entgegen den Empfehlung­en des Arztes auf die Alm schickte, damit er sich beim Arbeiten wiederfind­en sollte, blieb er auch nach dem arbeitsrei­chen Almsommer am Berg. Als ihn vierzig

Jahre später eine Krankheit zur Rückkehr ins Tal zwingt, funktionie­rt er sein Pflegeheim­zimmer nach und nach zur grünen Wildnis

um, nicht ganz stimmiges Bild für die Sehnsucht nach der verlorenen Freiheit. Am schönsten ist Goigingers Film dann, wenn auch Elias oben am Berg Atem holen kann, in

machtvolle­n-gefährlich­en Winterszen­en und kristallsc­hönen Spätsommer­nachmittag­en am Bach. „Aber wofür hab i glebt? I woas es ned“, sagt er am Ende, aber immerhin hat er die Freiheit gekannt.

Premiere: „Märzengrun­d“, Das Kino, Salzburg, mit Adrian Goiginger und

Verena Altenberge­r als Gästen, 13. August, 17 und 20 Uhr (also eine Woche vor dem österreich­weiten Start).

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BILD: SN/FILMLADEN Szene aus „Märzengrun­d“von Felix Mitterer und Adrian Goiginger, ab 19. August in den Kinos.

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