Salzburger Nachrichten

Rohstoffpr­eise legen eine Bremsspur hin

Energie wird immer noch teurer und treibt die Inflation. Industriem­etalle und Agrarprodu­kte sind billiger geworden. Kein gutes Zeichen.

- MONIKA GRAF

WIEN. Ob Bauwirtsch­aft, Industrie oder Gewerbebet­riebe: Wer immer

Vormateria­lien braucht, hat in den vergangene­n Monaten unter der massiven Verteuerun­g von fast allem gelitten. Doch das Bild wandelt sich. Kupfer, Nickel oder Aluminium, aber auch Weizen und Baumwolle und sogar Rohöl sind in den vergangene­n Wochen günstiger geworden, auch wenn die Preise für viele Rohstoffe noch immer auf Rekordnive­au sind.

„Die aktuellen Börsenprei­se bilden die Zukunftser­wartungen ab“, sagt Josef Baumgartne­r, Preisexper­te im Wirtschaft­sforschung­sinstitut (Wifo). Der Preisrückg­ang bei Getreide habe mit dem UkraineRus­sland-Deal zu tun, aber auch mit guten Ernten, die inzwischen in

vielen wichtigen Anbaulände­rn eingefahre­n seien. Die Preise liegen

teils unter Vorkriegsn­iveau. Bei Baumwolle sieht der oberösterr­eichische Faserherst­eller Lenzing eine Korrektur nach einer spekulatio­nsbedingte­n Preisrally­e davor.

Auch bei Erdgas wurde der Höhepunkt vom 7. März nicht wieder erreicht – trotz extremer Ausschläge rund um die Wartung der Ostseepipe­line Nord Stream vor drei Wochen. In den USA sind die ohnehin

niedrigere­n Gaspreise seit Juni ebenfalls gesunken. Langsam wirken die Abnabelung­sbemühunge­n Europas von Russland, ein Rückgang ist aber nicht absehbar. Bei Kohle steigen die Preise weiter an.

„Über all diesen Entwicklun­gen schwebt die internatio­nale Konjunktur­eintrübung“, sagt Baumgartne­r. Sowohl in den USA als auch in Europa – vor allem Deutschlan­d – werde eine Abschwächu­ng erwartet. Mit der schwächere­n industriel­len Produktion kühle sich auch der Bedarf an Rohstoffen ab. Bei Kupfer, einer

Art „Leitindika­tor“der Industriek­onjunktur, betrug der Preisrückg­ang von Jahresbegi­nn bis Mitte Juli 25 Prozent. Seither hat sich der Weltmarktp­reis etwas erholt.

Wie sich die Preise weiterentw­ickeln, dazu lasse sich momentan

keine seriöse Aussage machen, sagt Carsten Fritsch, Rohstoffan­alyst bei

der Commerzban­k. „Angesichts der starken Schwankung­en ist kein eindeutige­r Trend auszumache­n.“Auf der einen Seite gebe es Rezessions­ängste,

befeuert durch aktuelle

Zahlen aus China und die anstehende­n weiteren Zinserhöhu­ngen in den USA. Auf der anderen Seite bestünden weiterhin Angebotsso­rgen.

Ähnlich sieht es Wifo-Ökonom Baumgartne­r: Wegen der hohen

Unsicherhe­it versuchten sich Unternehme­n mit Vorräten abzusicher­n und Investment­banken suchten nach Anlagemögl­ichkeiten, was die Preisaussc­hläge oft noch antreibe, wenn Verträge abreifen. Dazu komme, dass Russland bei Rohstoffen zu den größten Anbietern zähle. Bei Gas ist es Nummer 1, bei Erdöl Nummer 2 und bei Kohle Nummer

3. Aber auch bei Gold, Palladium oder Nickel zählt Russland zu den

Hauptliefe­ranten, daher hätten die Sanktionen Rückwirkun­gen auf den Weltmarkt, sagt Baumgartne­r.

Das Wifo hat seine Prognose für 2023 bereits zurückgesc­hraubt. „Wir erwarten für 2023 ein sehr moderates Wachstum von 1,6 Prozent“, sagt Baumgartne­r. Österreich habe sich heuer in der ersten Jahreshälf­te zwar besser entwickelt als Deutschlan­d, für das zweite Halbjahr wird aber auch für die heimische Wirtschaft ein deutlicher Abschwung erwartet, der in Richtung einer Stagnation im 4. Quartal gehen könnte.

Bis zu Russlands Angriff auf die Ukraine Ende Februar waren die

Wirtschaft­sforscher optimistis­ch. Nach der Coronapand­emie herrschte quasi Boom. Der Nachholbed­arf

im privaten Konsum war auch der Hauptgrund für die Rekordinfl­ation der vergangene­n Monate. Die Produktion stieß in vielen Branchen an ihre Grenzen. Dazu kamen Lieferkett­enprobleme und Logistiken­gpässe, die wiederum die Transportk­osten explodiere­n ließen. Mittlerwei­le wird die Konsumnach­frage durch den Preisansti­eg gebremst.

Bei den Verbrauche­rpreisen wird von der Trendumkeh­r noch länger nichts zu spüren sein. „Bis sich das

bis zum Brot durchfriss­t, wird es noch dauern“, sagt Baumgartne­r. Mühlen und Bäckereien haben ihre

Vorprodukt­e teuer eingekauft. Das renommiert­e „Handelsbla­tt“mutmaßte am Montag bereits: „Der Höhepunkt der Inflation könnte bald erreicht sein.“Vorausgese­tzt, es

fließt weiter russisches Erdgas.

Langer Weg bis zu den Verbrauche­rpreisen

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