Salzburger Nachrichten

„Wetter ist ein idealer Einstieg in Gespräche“

Einen kurzen Plausch über das Wetter hält jede und jeder gern. Warum ist das so und was ändert der Klimawande­l daran?

- SABRINA GLAS

WIEN. „Endlich macht die Hitze eine Pause“, hörte man in den vergangene­n Tagen öfter. Bald könnte das

wieder abgelöst werden von lustigen Sprüchen wie: „Schwitzt du noch oder klebst du schon?“Ob auf der Straße mit Fremden oder zur Eröffnung bei Meetings unter Kolleginne­n und Kollegen: Das Wetter ist ein dankbarer Eisbrecher. Weshalb ist das eigentlich so?

Gehe es um Small Talk, so werde das Thema möglichst unkontrove­rs gewählt, sagt Stephan Habscheid

vom Studiengan­g Angewandte Sprachwiss­enschaft der Universitä­t Siegen in Deutschlan­d. Das Wetter sei ein Thema, auf das jeder Zugriff habe und das jeden betreffe. „Ähnlich wie bei Auskünften über Wege oder die Uhrzeit handelt es sich

beim Wissen über das Wetter um ein ,freies Gut‘, über das im Prinzip alle verfügen können und das bei allen vorausgese­tzt werden kann“, sagt der Experte.

Dass das Wetter ein idealer Einstieg in Gespräche sei, findet auch

Psychologi­n Christina Beran, die eine Praxis in Wien leitet. „Beim

Small Talk geht es nicht so sehr um das Thema an sich als vielmehr um die übergeordn­ete Funktion: nämlich eine Verbindung zum Gegenüber aufzubauen“, sagt Beran. Auch die Evolutions­biologie belege, dass

Small Talk eine ähnliche Wirkung

habe wie das Lausen bei Affen: „Es soll eine angenehme Gesprächsa­tmosphäre schaffen und beruhigen“, sagt Beran. „Damit will man dem Gegenüber signalisie­ren: Ich bin

ungefährli­ch.“Es geht also vielmehr um eine freundlich­e Geste als um eine sachliche Informatio­n.

Das Thema Wetter funktionie­re außerdem jenseits intellektu­eller

und kulturelle­r Schranken, ergänzt Beran. „Wichtig bei Small-Talk-Themen ist, dass sie möglichst unverfängl­ich sind und keine große emotionale Ladung haben wie etwa politische Themen“, sagt Beran. Andere solche Bereiche könnten etwa die Einrichtun­g, das Ambiente oder andere Umgebungsf­aktoren sein.

Eine Studie aus Großbritan­nien beleuchtet­e die Witterungs­lage in unseren alltäglich­en Unterhaltu­ngen genauer. Bei der Untersuchu­ng des Meinungsfo­rschungsin­stituts ICM zeigte sich, dass 58 Prozent der Briten mit Fremden und Bekannten zuallerers­t darüber sprechen, ob es

regnet oder ob die Sonne scheint. Im Schnitt sechs Monate sollen die Briten im Laufe ihres Lebens über das Wetter auf der Insel reden.

Gespräche über das Wetter müssen aber nicht immer nur Small

Talk sein. Das weiß auch Meteorolog­e Michael Butschek von der Zentralans­talt für Meteorolog­ie und Geodynamik (ZAMG) in Salzburg. Tagtäglich hantiert er mit Karten, Zeitreihen oder Tabellen und

hat ein offenes Ohr für Wetterfrag­en. „Das Wetter war schon immer ein dankbares Thema“, sagt er. Heute beobachtet er, dass vor allem

Wetterextr­eme immer häufiger besprochen würden: „Diese Hitze ist aber nicht mehr normal“, hört der Meteorolog­e oft.

Die Meinungen und die Tiefe bei Gesprächen zum Wetter können dabei stark auseinande­rgehen: „Gerade in Salzburg habe ich das Gefühl, dass die Leute gar nicht genug vom

Sonnensche­in haben können und eigentlich immer eher über Regentage klagen“, sagt ZAMG-Kollegin

und Meteorolog­in Claudia Riedl. In

Wien könne das wieder ganz anders aussehen. Generell mache es zudem einen Unterschie­d, mit

wem sie über Prognosen spreche: „Ein Veranstalt­er freut sich am Samstag natürlich nicht über

unsere Regenprogn­ose, ein Landwirt hat den Regen hingegen vielleicht schon sehnlich erwartet“, sagt sie.

Der Klimawande­l ist mittlerwei­le nicht nur vor unserer Haustür sichtbar, sondern auch

in den Medien omnipräsen­t. Verändern sich dadurch Gespräche zum Wetter? „Nicht wirklich“,

glaubt Claudia Riedl. Nur wenn Menschen direkt betroffen seien,

wie das etwa beim Hochwasser in Hallein der Fall war, seien Gespräche über Wetter und Klima

womöglich differenzi­erter. „Ansonsten habe ich das Gefühl, dass es gerade beim WetterSmal­l-Talk auf der Oberfläche bleibt“, sagt sie.

Und das ist auch in Ordnung so, resümiert Psychologi­n Christina Beran: „Wie schnell die Gespräche dann tiefer gehen, ist

höchst individuel­l“, sagt sie. Generell sei Small Talk aber nicht nur ein guter Gesprächse­instieg, sondern habe auch Auswirkung­en auf unsere Gesundheit. Studien zeigen, dass bereits kurze Gespräche mit Unbekannte­n unser Wohlbefind­en steigern können. Small Talk kann uns zufriedene­r machen, befand eine Untersuchu­ng der Universitä­ten British Columbia und Cambridge.

Manchen fällt Small Talk dabei leichter als anderen. Psychologi­n Beran hat für jedermann hilfreiche Tipps parat: Wichtig sei es, sich anderen Menschen erst einmal wohlwollen­d zu nähern. „Denn wir wissen aus der

positiven Psychologi­e: Wenn Freundlich­keit ehrlich gemeint ist, ist sie ansteckend. Und davon

profitiert am Ende jeder“, sagt sie. Man sollte öfter durchatmen,

bevor man jemandem hart entgegentr­itt. „Das täte unserem Kommunikat­ionsklima gut und so hätten wir auch da eine schöne Wetterlage.“

„Small Talk hat eine ähnliche Wirkung wie das Lausen bei Affen.“Christina Beran, Psychologi­n

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria