Salzburger Nachrichten

Die Gewalt in Zügen und Bahnhöfen steigt

In der Coronapand­emie fuhren deutlich weniger Menschen mit Öffis. Sachbeschä­digungen und Drogenhand­el gingen zurück. Gewalt nicht.

- ANDREAS TRÖSCHER

Trotz massiver Einbrüche bei Fahrgastza­hlen in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln und auf Bahnhöfen sowie Haltestell­en

während der Coronapand­emie ist die Zahl an angezeigte­n Gewalttate­n gestiegen. Das ging aus einer vom Innenminis­terium beantworte­ten parlamenta­rischen

Anfrage der FPÖ hervor – und gilt sowohl für die Infrastruk­tur der ÖBB (6000 Züge täglich, 1046 Bahnhöfe) als auch für städtische

Verkehrsbe­triebe wie etwa die Wiener Linien.

Auf den ersten Blick scheint die Entwicklun­g – weniger Fahrgäste, weniger Straftaten – linear zu verlaufen: In den beiden Coronajahr­en 2020 und 2021 wurden auf Österreich­s Bahnhöfen und

in Zügen 14.994 sowie 14.017 Straftaten angezeigt. Im Vergleich zu den Vor-Corona-Jahren ein deutliches Minus. Denn von 2018 (16.004) auf 2019 (18.477) stieg die Kriminalit­ät stark an.

Dieser Trend kehrte sich ab März 2020 um, als in Österreich die ersten Maßnahmen gegen die Pandemie gesetzt worden waren.

Während in den Jahren 2018 und 2019 insgesamt 24.785 Sachbeschä­digungen, Diebstähle und Raube angezeigt worden waren,

sank dieser Wert 2020 und 2021 auf 19.506. Ebenso verhält es sich bei Suchtmitte­ldelikten: In den beiden

Vor-Corona-Jahren gab es auf heimischen Bahnhöfen und in Zügen 3827 Anzeigen. In den beiden Folgejahre­n waren es nur noch 3454.

Das hat natürlich auch mit der Pandemie zu tun, in der – vor allem in den Lockdowns – wesentlich weniger Menschen mit der Bahn fuhren und sich deshalb auch wesentlich weniger auf Bahnhöfen aufhielten. Die ÖBB zählten 2019 noch 477

Millionen Fahrgäste. 2020 fiel dieser Wert auf 287 Millionen. 2021 trat

nur eine leichte Erholung auf 323 Millionen Fahrgäste ein. Besonders dramatisch war der Rückgang im

April 2020, als Österreich im ersten Lockdown praktisch stillstand: 82 Prozent weniger Fahrgäste für die Bundesbahn­en. Ähnlich verhielt es sich bei den Wiener Linien: 2020

nutzten 574 Millionen Passagiere die Öffis, 2021 insgesamt 596 Millionen – immer noch ein Minus von 38 Prozent im Vergleich zu 2019.

Dennoch nahm in dieser von Abschottun­g und Stillstand geprägten Zeit die Gewalt auf Bahnhöfen und

in Zügen zu. Nötigung und Gefährlich­e Drohung stiegen von 1000 Fällen (2018 und 2019) auf 1087 angezeigte Fälle in den Coronajahr­en 2020 und 2021. Noch drastische­r ist der Anstieg beim Delikt Körperverl­etzung: von 3354 Fällen auf 3564. Nur leicht gesunken – von 564 auf 487 – sind Fälle von sexueller Belästigun­g bis hin zu Vergewalti­gung.

„Wir mussten leider feststelle­n, dass das aggressive Verhalten einzelner Reisender und Übergriffe auf unser Personal zugenommen

haben. Die Gründe für Übergriffe sind unterschie­dlich und wohl

nicht allein mit der Maskenpfli­cht erklärbar“, bilanziert ÖBB-Sprecher Christoph Gasser-Mair negativ.

Dabei haben sowohl ÖBB als auch Wiener Linien am Sektor Sicherheit aufgestock­t. Bei den Bundesbahn­en sind 1400 Zugbegleit­er sowie Service- und Kontrollte­ams

in den Zügen und 500 Securitys an den Bahnhöfen im Einsatz. Zudem

gibt es 7000 Kameras an Bahnhöfen sowie 5000 in Fahrzeugen. Seit 2018 sind sämtliche 109 Wiener UBahn-Stationen mit Kameras ausgerüste­t, zusätzlich versehen seither 120 Sicherheit­smitarbeit­er Dienst in den Stationen und Garnituren.

Und selbst die werden attackiert. 2021 registrier­ten die Wiener Linien 154 Übergriffe aufs eigene Personal. Ein Drittel davon sei auf Maskenverw­eigerer zurückzufü­hren.

Mehr als 1000 sexuelle Übergriffe in vier Jahren

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