EU-Plan für den Notfall
Die EU-Länder wollen ihren Gasverbrauch freiwillig um 15 Prozent reduzieren. Die Ideen ähneln einander, der Gaspreis zeigt Wirkung.
BRÜSSEL. Kürzer duschen, weniger
Beleuchtung, schwitzen im Büro: Mit solchen Maßnahmen wollen sich die EU-Staaten auf einen möglichen Gaslieferstopp aus Russland
vorbereiten. Hier ein Überblick, wie die größeren Länder den Gasnotfallplan umsetzen wollen. Er ist am Dienstag in Kraft getreten und sieht
vor, dass die 27 Staaten ihren Gaskonsum bis Ende März 2023 freiwillig um 15 Prozent reduzieren, verglichen mit dem Durchschnittsverbrauch der vergangenen fünf Jahre. Sollte das nicht reichen, können
verbindliche Ziele in Kraft treten. Für Irland, Portugal, Malta und Zypern gelten Ausnahmeregelungen.
Österreich
Hierzulande setzt man auf andere Brennstoffe. So wird das kleine stillgelegte Kohlekraftwerk Mellach im Bedarfsfall wieder in Betrieb genommen. Großbetriebe und Kraftwerke müssen ab Herbst als Alternative zum Gas auch Erdöl einsetzen können, die Umrüstungskosten trägt der Staat. Zudem startet eine Kampagne zum Energiesparen. Die hohen Preise haben laut Klimaministerium den Gasverbrauch im ersten Halbjahr um sieben Prozent sinken lassen.
Deutschland
Seit Ende Juli produziert ein zuletzt in Reserve gehaltenes Steinkohlekraftwerk wieder Strom. Weitere sollen folgen, ebenso Braunkohlekraftwerke. Eine Kampagne soll die Menschen zum Energiesparen motivieren. In öffentlichen Gebäuden sollen nur sporadisch genutzte Gänge oder Foyers nicht mehr geheizt werden. Für Erdgasheizungen in
Wohngebäuden soll eine verpflichtende Überprüfung kommen. Unternehmen sollen ungenutzte Gasmengen in Auktionen verkaufen.
Frankreich
Die öffentliche Verwaltung und die Privatwirtschaft sollen beim Energiesparen vorangehen. Dafür werden gezielte Klimatisierungs- und
Beleuchtungspläne für Sektoren ausgearbeitet. Behörden sollen Geräte nicht auf Stand-by lassen, weniger kühlen und heizen und Geschäfte die Türen konsequenter schließen, wenn die Klimaanlage
läuft. Die Regierung plant dazu Strafen. Die Atomkraftwerke sollen so gut wie möglich für den Winter aufgestellt werden und die Produktion von Erneuerbaren steigen.
Italien
Öffentliche Büros dürfen nur noch
bis auf 25 Grad gekühlt werden, zudem wird die Temperatur beim Heizen von 20 auf 19 Grad abgesenkt.
Es wird auch erwogen, die Heizperiode um zwei Wochen zu verkürzen. Für die Industrie sind zunächst keine Einschränkungen vorgesehen.
Benelux
Belgier und Niederländer werden
mit Kampagnen zum Energiesparen aufgerufen: Sie sollen kürzer duschen und die Heizung mindestens ein Grad niedriger stellen. In beiden
Ländern ist der Gasverbrauch wegen der hohen Preise bereits gesunken,
in den Niederlanden um 25 Prozent.
Spanien
Öffentliche Einrichtungen, Kaufhäuser, Kinos, Büros, Hotels, Bahnhöfe und Flughäfen dürfen ihre Räumlichkeiten künftig nur noch auf 27 Grad kühlen und auf höchstens 19 Grad heizen. Läden und Betriebe mit automatischen Systemen
müssen die Türen geschlossen halten. Die Beleuchtung nicht genutzter Büros, von Schaufenstern und Denkmälern muss nach 22.00 Uhr ausgeschaltet werden.
Griechenland
Die Behörden dürfen Räume nicht
mehr unter 26 Grad kühlen, die Straßenbeleuchtung wird auf das absolut Notwendige reduziert. Mit EU-Förderungen können Bürger alte Klimaanlagen und Kühlschränke durch neue, energiesparende Geräte ersetzen. Kohlekraftwerke werden wieder hochgefahren, Gaskraftwerke auf Erdölbetrieb umgestellt.
Nordländer
Finnland hat seinen Gasverbrauch
binnen zehn Jahren halbiert und seit Russlands Überfall auf die Ukraine weiter verringert. Die Regierung sieht keinen unmittelbaren Bedarf für weitere Maßnahmen.
Auch Dänemark hat das Energiesparziel bereits erreicht. In Schweden ermuntert die Energiebehörde die Haushalte mit einem OnlineRatgeber zum Energiesparen.
Baltikum
In Estland ist der Verbrauch bereits
um 16 Prozent im Vergleich zum fünfjährigen Durchschnitt gesunken. Wärmeversorger und Industrie sind zum Gassparen und zum Umstieg auf Alternativen aufgerufen. Im Winter könnte heimischer, aber
klimaschädlicher Ölschiefer Gas zum Teil ersetzen. Auch Litauen
braucht keine zusätzlichen Maßnahmen, weil die Nachfrage gesunken ist und die Hauptstadt Vilnius Gas in der kommenden Heizperiode
durch Heizöl ersetzen will. Lettland arbeitet an seinen Richtlinien.
Osten
Polens Regierung sieht sich nicht an das Einsparziel gebunden, die Regelung sei freiwillig. In Ungarn schließt die Regierung von Premier
Viktor Orbán eine Umsetzung des Ziels aus. Tschechien setzt auf freiwillige Maßnahmen, der Gasverbrauch ist wegen der Preise bereits gesunken. In Slowenien ist eine Studie in Arbeit, die Übergangsregierung in Bulgarien hat noch keinen Plan, Rumänien will Kohlekraftwerke wieder hochfahren.