In Saalfelden stand die einzige Kratzenfabrik Österreichs
In alten Zeitungsartikeln über die Kratzenfabrik Mänhardt in Saalfelden wird erklärt, was Kratzen sind. Es handelt sich um Bänder aus
verschiedenen Materialien, in die zahlreiche Metallhäkchen eingearbeitet werden. Sie
werden vor allem in der Textilindustrie benötigt, um Fasern für die Garnerzeugung zu bürsten und um Stoffe aufzurauen.
Von 1950 bis 1975 stand in Saalfelden die einzige Kratzenfabrik Österreichs, die Kratzenfabrik Adolf Mänhardt. Gegründet wurde die Firma 1860 vom gleichnamigen Großvater des späteren Besitzers. Der ursprüngliche Standort war Bielitz in Schlesien in Polen, das damals zu Österreich-Ungarn gehörte.
Das Unternehmen wurde zur größten Kratzenfabrik der Monarchie. Mänhardt
lieferte auf alle Kontinente und beschäftigte 600 Personen. Am Ruder war ab 1935
Adolf Viktor Mänhardt, der am Ende des Zweiten Weltkriegs flüchten musste und nach Saalfelden kam. Die Familie verlor alles. Nur der Ruf und die Erfahrung blieben ihr.
Mit ehemaligen Angestellten und Einheimischen baute Mänhardt in Saalfelden in
gemieteten Räumen die Maschinen, die zur Kratzenerzeugung
nötig sind. 1949 konnte das erste Kratzenband fertiggestellt werden. 1950 erwarb Mänhardt einen Grund in der Ramseiderstraße und baute eine Fabrikshalle. Die SN lobten die
moderne Halle und die soziale Einstellung des Unternehmers. Die Halle sei hell und verfüge
über Fußbodenheizung, Gefolgschaftsraum, Werksküche und
vorbildliche sanitäre Anlagen. Zur Eröffnung kam auch Landeshauptmann Josef Klaus. Von Saalfelden aus versorgten nun rund 50 Mitarbeiter die österreichische Textilindustrie mit Kratzen und man exportierte auch wieder. Mänhardt baute später in der Nähe eine Werkssiedlung für die Mitarbeiter.
Im Februar 1973 starb Adolf Viktor Mänhardt bei einem Verkehrsunfall. Weil niemand aus der Familie den Betrieb weiterführte, wurde er 1975 geschlossen. Die Halle wurde in der Folge für unterschiedliche Zwecke genutzt und steht heute noch. Aber nicht mehr lange. Die Wohnbaugenossenschaft Bergland errichtet hier 24 Wohnungen. Der Genehmigungsprozess
läuft. Das Wohnbauprojekt trägt den Namen „Am Kukuruz“, weil auf dem angrenzenden Feld bis in die 1980er-Jahre Mais angebaut wurde. Erhalten bleibt auf Vorschlag des Gestaltungsbeirats nur die alte Linde vor der Mänhardt-Halle.