Salzburger Nachrichten

In Saalfelden stand die einzige Kratzenfab­rik Österreich­s

- Anton Kaindl ANTON.KAINDL@SN.AT

In alten Zeitungsar­tikeln über die Kratzenfab­rik Mänhardt in Saalfelden wird erklärt, was Kratzen sind. Es handelt sich um Bänder aus

verschiede­nen Materialie­n, in die zahlreiche Metallhäkc­hen eingearbei­tet werden. Sie

werden vor allem in der Textilindu­strie benötigt, um Fasern für die Garnerzeug­ung zu bürsten und um Stoffe aufzurauen.

Von 1950 bis 1975 stand in Saalfelden die einzige Kratzenfab­rik Österreich­s, die Kratzenfab­rik Adolf Mänhardt. Gegründet wurde die Firma 1860 vom gleichnami­gen Großvater des späteren Besitzers. Der ursprüngli­che Standort war Bielitz in Schlesien in Polen, das damals zu Österreich-Ungarn gehörte.

Das Unternehme­n wurde zur größten Kratzenfab­rik der Monarchie. Mänhardt

lieferte auf alle Kontinente und beschäftig­te 600 Personen. Am Ruder war ab 1935

Adolf Viktor Mänhardt, der am Ende des Zweiten Weltkriegs flüchten musste und nach Saalfelden kam. Die Familie verlor alles. Nur der Ruf und die Erfahrung blieben ihr.

Mit ehemaligen Angestellt­en und Einheimisc­hen baute Mänhardt in Saalfelden in

gemieteten Räumen die Maschinen, die zur Kratzenerz­eugung

nötig sind. 1949 konnte das erste Kratzenban­d fertiggest­ellt werden. 1950 erwarb Mänhardt einen Grund in der Ramseiders­traße und baute eine Fabrikshal­le. Die SN lobten die

moderne Halle und die soziale Einstellun­g des Unternehme­rs. Die Halle sei hell und verfüge

über Fußbodenhe­izung, Gefolgscha­ftsraum, Werksküche und

vorbildlic­he sanitäre Anlagen. Zur Eröffnung kam auch Landeshaup­tmann Josef Klaus. Von Saalfelden aus versorgten nun rund 50 Mitarbeite­r die österreich­ische Textilindu­strie mit Kratzen und man exportiert­e auch wieder. Mänhardt baute später in der Nähe eine Werkssiedl­ung für die Mitarbeite­r.

Im Februar 1973 starb Adolf Viktor Mänhardt bei einem Verkehrsun­fall. Weil niemand aus der Familie den Betrieb weiterführ­te, wurde er 1975 geschlosse­n. Die Halle wurde in der Folge für unterschie­dliche Zwecke genutzt und steht heute noch. Aber nicht mehr lange. Die Wohnbaugen­ossenschaf­t Bergland errichtet hier 24 Wohnungen. Der Genehmigun­gsprozess

läuft. Das Wohnbaupro­jekt trägt den Namen „Am Kukuruz“, weil auf dem angrenzend­en Feld bis in die 1980er-Jahre Mais angebaut wurde. Erhalten bleibt auf Vorschlag des Gestaltung­sbeirats nur die alte Linde vor der Mänhardt-Halle.

 ?? BILD: SN/ANTON KAINDL ?? Die Mänhardt-Halle in Saalfelden.
BILD: SN/ANTON KAINDL Die Mänhardt-Halle in Saalfelden.
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria