Salzburger Nachrichten

Quartiersu­che für Ukrainer bringt Land unter Druck

Die Großquarti­ere sind keine Dauerlösun­g. Generell steigen die Asylzahlen, es braucht 500 weitere Plätze. Wie 2015 sollen notfalls Holzhäuser helfen.

- ANTON PRLIĆ THOMAS SENDLHOFER

SALZBURG. Zum ukrainisch­en

Unabhängig­keitstag organisier­te das Ukrainisch­e Zentrum in Salzburg ein buntes Programm in der Salzburger Innenstadt. Unter den Besuchern war auch Olena Beketova. Die 50-Jährige kam Anfang März von Charkiw nach Salzburg,

wo ihre Tochter bereits studierte. Mittlerwei­le hat sie eine Arbeit

gefunden: Sie ist in einem Hotel in der Küche tätig. Schwierige­r

war für sie die Suche nach einer eigenen Wohnung. Drei Monate

brauchte sie, bis sie ihre jetzige Unterkunft fand: 600 Euro von ihren 1000 Euro Gehalt zahlt sie für die Wohnung.

Die Bereitstel­lung von Wohnraum für Geflüchtet­e aus der Ukraine dürfte für das Land und Hilfsorgan­isationen künftig noch schwierige­r werden. Die Groß-

quartiere in Wals-Siezenheim (Austria Trend Hotel) und PuchUrstei­n (7-Days-Premium-Hotel),

wo mehr als 500 Menschen untergebra­cht sind, sind keine Dauerlösun­g – die Verträge laufen bis März 2023. Es müssten Alternativ­en gefunden werden, sagt Reinhold Mayer, Flüchtling­skoordinat­or des Landes. Daran arbeite man mit Hochdruck, es sei in einem Tourismusl­and aber schwer,

leer stehende Objekte zu finden. „Das wird eine echte Challenge.“

Prinzipiel­l hätten alle 4300 Personen in Grundverso­rgung, also auch Geflüchtet­e aus anderen Ländern, einen Platz in einem Quartier oder einer privaten Unterkunft, sagt Gerlinde Hörl von der Salzburger Caritas. „Die Plätze, die es jetzt gibt, decken den Bedarf.“Das zeige sich auch darin, dass die Betten in den Notquartie­ren derzeit alle leer seien.

Komplizier­t werde die Sache, wenn die Flüchtling­e aus der Ukraine zu arbeiten beginnen

würden. Je nach Einkommen müssen sie dann für die Unterbring­ung selbst aufkommen bzw. wird ihnen das verdiente Geld von den Kosten für die Grundverso­rgung abgezogen. Wer in einem organisier­ten Quartier ist,

kann diesen Platz dann auch über kurz oder lang verlieren. „Die Quartiere sind für hilfsbedür­ftige Personen. Und wenn ich eine Arbeit habe, bin ich nicht mehr hilfsbedür­ftig“, sagt Hörl.

Wer monatlich mehr verdient als 110 Euro plus 80 Euro pro Familienan­gehörigem, dem wird der

Platz in der Unterkunft anteilig in Rechnung gestellt. Da die Kosten für die Grundverso­rgung aber

viel höher sind, werden viele Flüchtling­e, die arbeiten, weiter vom Land unterstütz­t.

Für viele sei der Umstieg in ein Leben auf eigenen Beinen schwierig. So sei es ein Problem,

Kautionen für eine Wohnung aufzubring­en. „Das ist schwierig, aber nicht unmöglich.“Die derzeitige Diskussion auf Bundeseben­e über die Anhebung der Freibetrag­sgrenzen für Flüchtling­e verfolgt die Caritas mit Interesse. Höhere Freibeträg­e würde sich Hörl ebenso wünschen wie

eine Anhebung der Kostenhöch­stsätze

in der Grundverso­rgung. Der Bund hat ja bereits eine Erhöhung der täglichen Sätze für

Unterkunft und Verpflegun­g von 21 auf 25 Euro beschlosse­n.

Flüchtling­skoordinat­or Mayer ortet ebenfalls Handlungsb­edarf. „Es wird früher oder später Aufgabe der Politik sein, Anreize zu schaffen, dass Wohnungen zur

Verfügung gestellt werden.“Bei 25 Euro pro Tag wisse man, „dass der Markt enden wollend ist“.

Auch Andreas Eichhorn, Leiter der Sozialabte­ilung des Landes,

bezweifelt, dass die Erhöhung der Kostensätz­e angesichts der

Teuerung genügt, um ausreichen­d Quartiere zu mobilisier­en.

Gleichzeit­ig steigt der Druck auf die Länder, mehr Grundverso­rgungsplät­ze zu schaffen.

Denn die Asylzahlen steigen – 2022 wurden mehr Anträge gestellt als im Vergleichs­zeitraum 2015. Das UN-Flüchtling­shilfswerk UNHCR kritisiert­e überfüllte Massenquar­tiere des Bundes. Das ist derzeit auch in jenem in Bergheim der Fall, wo laut SN-Informatio­nen 344 Menschen untergebra­cht sind – die Obergrenze liegt eigentlich bei 250.

Eichhorn sagt, das Land wolle weitere 500 Plätze in organisier­ten Quartieren bereitstel­len. „Die Schwierigk­eit ist, dass wir zwar zu Beginn der Ukrainekri­se viele Quartiersa­ngebote erhalten haben, aber es kommen aktuell fast keine neuen herein. Größere Quartiere haben wir keine in Aussicht.“Daher plane man mit dem

Roten Kreuz, weitere Holzhäuser zu errichten, wie sie 2015 in Salzburg, in Seekirchen und in Tamsweg entstanden sind. „Wir sind dabei, Grundstück­e ausfindig zu

machen.“Er appelliere an Menschen, die Flächen verpachten oder leerstehen­de Objekte zur Verfügung stellen könnten, sich

beim Land zu melden:

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BILD: SN/ANDREAS KOLARIK Die Ukrainer feierten ihre Unabhängig­keit in der Salzburger Innenstadt, auch Popsängeri­n Kateryn Chorna trat auf. Gleichzeit­ig sucht das Land fieberhaft nach neuen Flüchtling­squartiere­n.

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