Salzburger Nachrichten

Wenn ein Atomkraftw­erk zur Waffe wird

- Gerhard Schwischei GERHARD.SCHWISCHEI@SN.AT

Die Reaktorkat­astrophen von Tschernoby­l und Fukushima haben eindrückli­ch gezeigt, welches Zerstörung­spotenzial

Atomkraftw­erke haben können. Russland hat das AKW Saporischs­chja zum umkämpften Kriegsscha­uplatz gemacht. Einiges deutet darauf hin, dass die Russen das Kraftwerk nicht nur als Rückzugsor­t für Kriegsmate­rial und Soldaten verwenden. Sie wollen das AKW auch vom ukrainisch­en Stromnetz abkoppeln. Energie als Waffe, das spielt in diesem Krieg eine zentrale Rolle.

Übersteige­rte Hoffnungen darf man daher nicht in die engagierte Mission der Internatio­nalen Atomenergi­ebehörde IAEA setzen. Zu groß sind die Interessen der Ukraine und Russlands am AKW. Europas

größtes Kernkraftw­erk verfügt über sechs Reaktoren, jeder davon mit einer Leistung, die in etwa einem von Österreich­s größten Pumpspeich­erkraftwer­ken entspricht. Da kann man sich auch leicht ausrechnen, was das für die Ukraine für den

bevorstehe­nden Winter heißt, wenn der Strom aus dem AKW nicht zur Verfügung steht.

Beide Seiten beschuldig­en einander, das Kraftwerk zu beschießen. Beide Seiten haben dafür Motive: Die Ukrainer wollen die Russen mit aller Macht vertreiben. Die Russen könnten versucht sein, die Infrastruk­tur so weit zu zerstören, dass das

AKW in die Westukrain­e keinen Strom mehr liefert und dabei den Ukrainern auch noch der Schwarze Peter dafür zugeschobe­n wird. Das einzig Beruhigend­e: Beide Seiten können nicht das geringste Interesse daran haben, einen Super-GAU zu produziere­n, weil alle von den Auswirkung­en betroffen wären.

Die IAEA kann hoffentlic­h gesichert aufzeigen, wie weit das AKW bereits beschädigt

und wie groß die Gefahr einer nuklearen Katastroph­e tatsächlic­h ist. Der Stromausfa­ll im Kraftwerks­bereich vergangene

Woche hat gezeigt, wie weit man bereits im Kampf um das Kernkraftw­erk gegangen ist. Schafft man es nicht mehr, die Kühlung der Brennstäbe zu gewährleis­ten, ist eine Kernschmel­ze mit Folgen ähnlich

wie in Fukushima jederzeit möglich.

Der Hut brennt lichterloh.

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