Wenn ein Atomkraftwerk zur Waffe wird
Die Reaktorkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima haben eindrücklich gezeigt, welches Zerstörungspotenzial
Atomkraftwerke haben können. Russland hat das AKW Saporischschja zum umkämpften Kriegsschauplatz gemacht. Einiges deutet darauf hin, dass die Russen das Kraftwerk nicht nur als Rückzugsort für Kriegsmaterial und Soldaten verwenden. Sie wollen das AKW auch vom ukrainischen Stromnetz abkoppeln. Energie als Waffe, das spielt in diesem Krieg eine zentrale Rolle.
Übersteigerte Hoffnungen darf man daher nicht in die engagierte Mission der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA setzen. Zu groß sind die Interessen der Ukraine und Russlands am AKW. Europas
größtes Kernkraftwerk verfügt über sechs Reaktoren, jeder davon mit einer Leistung, die in etwa einem von Österreichs größten Pumpspeicherkraftwerken entspricht. Da kann man sich auch leicht ausrechnen, was das für die Ukraine für den
bevorstehenden Winter heißt, wenn der Strom aus dem AKW nicht zur Verfügung steht.
Beide Seiten beschuldigen einander, das Kraftwerk zu beschießen. Beide Seiten haben dafür Motive: Die Ukrainer wollen die Russen mit aller Macht vertreiben. Die Russen könnten versucht sein, die Infrastruktur so weit zu zerstören, dass das
AKW in die Westukraine keinen Strom mehr liefert und dabei den Ukrainern auch noch der Schwarze Peter dafür zugeschoben wird. Das einzig Beruhigende: Beide Seiten können nicht das geringste Interesse daran haben, einen Super-GAU zu produzieren, weil alle von den Auswirkungen betroffen wären.
Die IAEA kann hoffentlich gesichert aufzeigen, wie weit das AKW bereits beschädigt
und wie groß die Gefahr einer nuklearen Katastrophe tatsächlich ist. Der Stromausfall im Kraftwerksbereich vergangene
Woche hat gezeigt, wie weit man bereits im Kampf um das Kernkraftwerk gegangen ist. Schafft man es nicht mehr, die Kühlung der Brennstäbe zu gewährleisten, ist eine Kernschmelze mit Folgen ähnlich
wie in Fukushima jederzeit möglich.
Der Hut brennt lichterloh.