Salzburger Nachrichten

Tirol will junge Wölfe aus Rudel schießen

Nach einem aufgehoben­en Abschussbe­scheid soll nun ein neuer die Entnahmen ermögliche­n. Einsprüche sind programmie­rt. Die Debatte um den Wolf wird indes immer aggressive­r.

- ANDREAS TRÖSCHER

INNSBRUCK. Das sogenannte Hochstadel­rudel – zwei erwachsene Wölfe und fünf Jungtiere – hält seit Wochen die Osttiroler Gemeinde Lavant in Atem. 29 gerissene Schafe, eine gerissene Ziege und ein

gerissenes Rind gehen auf die Rechnung des Rudels. Die Landesregi­erung hat im August einen Bescheid erlassen, in dem die „Entnahme“, also der Abschuss, der Elterntier­e

verfügt wurde. Doch das Verwaltung­sgericht hob den Bescheid aufgrund von Mängeln wieder auf.

Selbst die für die Ausführung zuständige Jägerschaf­t gab sich zurückhalt­end: Man könne nicht einfach die Eltern schießen und die

Jungen sich selbst überlassen. „Hätte ein Jäger den Bescheid vollstreck­t, hätte er gegen das Gesetz

verstoßen“, sagt Jörg C. Binder, Generalsek­retär des Dachverban­ds Jagd Österreich.

Nun könnte es bald einen neuen Abschussbe­scheid geben. Das Fachkurato­rium des Landes Tirol empfiehlt den Abschuss von zwei Jungtieren. Begründung: „Durch die Entnahme der Hälfte der Jungtiere soll erreicht werden, dass die verbleiben­den Elterntier­e und restlichen Jungtiere ihre Scheu gegenüber den Menschen und ihren Nutztieren erhöhen.“

„Diesmal spricht aus jagdethisc­her und -rechtliche­r Sicht wenig

dagegen“, erklärt Binder im SN-Gespräch. „Jetzt hieße es: Jung vor Alt. Das ist in der Jagd nicht unüblich.“Dennoch sieht er seine Kollegen „zwischen den Sesseln“sitzen, was einen möglichen weiteren Abschussbe­scheid betrifft: „Wir werden ihn nicht ignorieren. Er ist eine Verpflicht­ung. Aber wir reißen uns nicht drum.“Die Sichtung eines Wolfes

bezeichnet Österreich­s oberster Jäger als „Zufallsbeg­egnung“. Einen zu jagen bzw. zu schießen wäre „jagdlich sehr herausford­ernd. Man spaziert nicht einfach in den Wald und

wartet auf den Wolf.“Anderersei­ts ist Binder überzeugt, dass „Jagddruck

notwendig sein wird“, um Wölfen das Reißen von Nutztieren zu verleiden. „Die Frage ist nur: Was, wenn sich der Jagderfolg nicht einstellt?“

Christian Pichler vom WWF: „Wenn der Bescheid erlassen ist, werden wir ihn genau prüfen. Und wenn die Begründung­en ähnlich sind wie im vorigen Abschussbe­scheid, wird das wieder in einem Einspruch von uns münden.“

Die Debatte rund um die Abschussbe­scheide ist aufgeheizt und aggressiv. Otto Gasselich vom

Verband Bio Austria spricht bereits davon, dass Schafbauer­n

Angst hätten, Risse zu melden, weil sie fürchten, zwischen den verhärtete­n Fronten von Wolfsgegne­rn und Tierschütz­ern aufgeriebe­n zu werden.

Ähnlich sei es beim Herdenschu­tz: „Er ist halt der einzige

Weg. Wir sind auch dafür, dass der Schutzstat­us des Wolfes gesenkt wird, haben dafür sogar

Unterschri­ften gesammelt, aber es wird wohl nicht passieren“, sagt Gasselich. „Mittlerwei­le gelte ich als Verräter, wenn ich auf die gesetzlich­en Vorgaben hinweise.“Der Schaden für die Almwirtsch­aft sei schon enorm. „Viele Schafbauer­n werden einfach aufhören, um endlich Ruhe zu haben.“

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