Tirol will junge Wölfe aus Rudel schießen
Nach einem aufgehobenen Abschussbescheid soll nun ein neuer die Entnahmen ermöglichen. Einsprüche sind programmiert. Die Debatte um den Wolf wird indes immer aggressiver.
INNSBRUCK. Das sogenannte Hochstadelrudel – zwei erwachsene Wölfe und fünf Jungtiere – hält seit Wochen die Osttiroler Gemeinde Lavant in Atem. 29 gerissene Schafe, eine gerissene Ziege und ein
gerissenes Rind gehen auf die Rechnung des Rudels. Die Landesregierung hat im August einen Bescheid erlassen, in dem die „Entnahme“, also der Abschuss, der Elterntiere
verfügt wurde. Doch das Verwaltungsgericht hob den Bescheid aufgrund von Mängeln wieder auf.
Selbst die für die Ausführung zuständige Jägerschaft gab sich zurückhaltend: Man könne nicht einfach die Eltern schießen und die
Jungen sich selbst überlassen. „Hätte ein Jäger den Bescheid vollstreckt, hätte er gegen das Gesetz
verstoßen“, sagt Jörg C. Binder, Generalsekretär des Dachverbands Jagd Österreich.
Nun könnte es bald einen neuen Abschussbescheid geben. Das Fachkuratorium des Landes Tirol empfiehlt den Abschuss von zwei Jungtieren. Begründung: „Durch die Entnahme der Hälfte der Jungtiere soll erreicht werden, dass die verbleibenden Elterntiere und restlichen Jungtiere ihre Scheu gegenüber den Menschen und ihren Nutztieren erhöhen.“
„Diesmal spricht aus jagdethischer und -rechtlicher Sicht wenig
dagegen“, erklärt Binder im SN-Gespräch. „Jetzt hieße es: Jung vor Alt. Das ist in der Jagd nicht unüblich.“Dennoch sieht er seine Kollegen „zwischen den Sesseln“sitzen, was einen möglichen weiteren Abschussbescheid betrifft: „Wir werden ihn nicht ignorieren. Er ist eine Verpflichtung. Aber wir reißen uns nicht drum.“Die Sichtung eines Wolfes
bezeichnet Österreichs oberster Jäger als „Zufallsbegegnung“. Einen zu jagen bzw. zu schießen wäre „jagdlich sehr herausfordernd. Man spaziert nicht einfach in den Wald und
wartet auf den Wolf.“Andererseits ist Binder überzeugt, dass „Jagddruck
notwendig sein wird“, um Wölfen das Reißen von Nutztieren zu verleiden. „Die Frage ist nur: Was, wenn sich der Jagderfolg nicht einstellt?“
Christian Pichler vom WWF: „Wenn der Bescheid erlassen ist, werden wir ihn genau prüfen. Und wenn die Begründungen ähnlich sind wie im vorigen Abschussbescheid, wird das wieder in einem Einspruch von uns münden.“
Die Debatte rund um die Abschussbescheide ist aufgeheizt und aggressiv. Otto Gasselich vom
Verband Bio Austria spricht bereits davon, dass Schafbauern
Angst hätten, Risse zu melden, weil sie fürchten, zwischen den verhärteten Fronten von Wolfsgegnern und Tierschützern aufgerieben zu werden.
Ähnlich sei es beim Herdenschutz: „Er ist halt der einzige
Weg. Wir sind auch dafür, dass der Schutzstatus des Wolfes gesenkt wird, haben dafür sogar
Unterschriften gesammelt, aber es wird wohl nicht passieren“, sagt Gasselich. „Mittlerweile gelte ich als Verräter, wenn ich auf die gesetzlichen Vorgaben hinweise.“Der Schaden für die Almwirtschaft sei schon enorm. „Viele Schafbauern werden einfach aufhören, um endlich Ruhe zu haben.“