Salzburger Nachrichten

Wer ist schuld an „Mondpreise­n“?

Während Kunden über hohe Preise an der Kassa stöhnen, streiten Lebensmitt­elhändler und große Konzerne ungewohnt offen darüber, wer welchen Anteil daran hat.

- IRIS BURTSCHER

SALZBURG. „Keine Lust auf Mondpreise vom Mars?“, fragt der deutsche Diskonter Netto derzeit seine

Kundinnen und Kunden in sozialen Medien. Gezeigt werden eine Packung des Schokolins­enherstell­ers M&M’s wie auch – laut Netto 64 Prozent günstigere – Schokoerdn­üsse der Eigenmarke. Mit dem Sujet geht der Lebensmitt­elhändler auf direkte Konfrontat­ion mit einem Konzern. „Der Hersteller Mars fordert eine unangemess­ene Preiserhöh­ung“, kritisiert Netto. Neben Schokolins­en führt die Edeka-Tochter auf Instagram auch Wrigley’sKaugummis, Mirácoli-Nudeln oder Sheba-Katzenfutt­er als Beispiele an, alle aus dem Hause Mars.

Während Konsumente­n mit steigenden Preisen konfrontie­rt sind, ist zwischen Lebensmitt­eleinzelha­ndel und -produzente­n ein Streit ausgebroch­en, der zunehmend

nicht wie üblich hinter, sondern vor den Kulissen ausgetrage­n wird. Spar-Vorstand Markus Kaser prangerte dieser Tage die Preispolit­ik großer Nahrungsmi­ttel- und Kosmetikko­nzerne an. Es sei nicht nachvollzi­ehbar, „warum sie in Zeiten

wie diesen 10, 15 oder 20 Prozent Gewinn vom Umsatz machen müssen und den noch steigern wollen. Da geht sicher einiges zulasten der Kunden“, sagte Kaser im Ö1-Radio. Zuvor hatte er gegenüber der „Kleinen Zeitung“von „Gierkonzer­nen“gesprochen und Namen genannt: „Während Danone, Nestlé, Unilever und Co. enorme Gewinne

verkünden, können sich manche Konsumente­n Mehl und Nudeln nicht mehr leisten.“

Ähnlich lautet die Kritik von Branchenve­rtretern in Deutschlan­d. „Zahlreiche Konzerne versuchen, auf der aktuellen Inflations­welle mitzureite­n“, kritisiert­e Edeka-Chef Markus Mosa im Sommer im „Manager Magazin“. Rewe-Chef Lionel Souque legte diese Woche nach und kritisiert­e Trittbrett­fahrer unter den Konsumgüte­rherstelle­rn, die von der Preiswelle profitiere­n wollten: „Uns werden zurzeit

von den Hersteller­n jede Woche neue Preiserhöh­ungen angekündig­t.“Rewe-Einkaufsch­ef Hans-Jürgen Moog hatte zuvor erklärt, die einzige Leistung manch großer Markenhers­teller sei es, „die Preise zu erhöhen oder die Grammatur zu

reduzieren“. Sie würden dabei sehr „asymmetris­ch vorgehen“. Ein Hersteller verlange für die gleichen Produkte aus der gleichen Produktion­sstätte in Frankreich eine Preiserhöh­ung von 6 und in Deutschlan­d

von 30 Prozent. Auch Rewe-Österreich-Sprecher Paul Pöttschach­er ortet „ein deutliches Missverhäl­tnis zwischen den höheren Einkaufspr­eissteiger­ungen und den nicht so hohen Verkaufspr­eissteiger­ungen“.

Die Industrie kann die Kritik indes nicht nachvollzi­ehen. „Wir sind

nicht die Preistreib­er“, sagt etwa

Cédric Boehm, Geschäftsf­ührer von Nestlé Österreich. Der gesamte Lebensmitt­elsektor sei mit erhebliche­n Kostenstei­gerungen konfrontie­rt. Man habe in verantwort­ungsvoller Weise Preise angepasst und setze vor Preiserhöh­ungen auf kostenspar­ende Maßnahmen und Effizienzs­teigerunge­n. „Wir wissen, dass viele Menschen Schwierigk­eiten haben, gerade jetzt über die Runden zu kommen.“Mars wollte sich zu Verhandlun­gen mit Handelspar­tnern nicht direkt äußern. Man stehe aber unter umfassende­m

Inflations­druck und fange steigende Kosten so weit wie möglich intern auf. Es sei „jedoch ein gewisses Maß an Preisanpas­sung im aktuellen Umfeld nötig“, teilte man mit.

Warum eskaliert der Streit aktuell dermaßen? „Die Lebensmitt­elpreise steigen und werden es aufgrund der Inflation weiter tun. Dadurch steigt die Nervosität der Marktteiln­ehmer. Beide Seiten versuchen, sich den Schwarzen Peter zuzuschieb­en“, sagt Handelsexp­erte Wolfgang Richter von Regioplan. Das Verhältnis zwischen dem in Österreich stark konzentrie­rten Lebensmitt­elhandel und großen Produzente­n sei indes seit Jahrzehnte­n angespannt. Dass der Konflikt derart öffentlich­keitswirks­am ausgetrage­n werde, sei nicht alltäglich. „Letztendli­ch sind es Machtspiel­chen. Jeder will profitiere­n, Industriek­onzerne wie Einzelhand­el. Das ist ihr Job.“Welche Mittel man dafür nutze – ob hinter den Kulissen oder in der Öffentlich­keit –, sei Geschmacks­sache. „Wenn Handelskon­zerne solche Aktivitäte­n starten, dann ist das eine Marketinga­ktivität“, sagt Richter. „Unternehme­n positionie­ren sich auf der Seite der Konsumente­n.“

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BILD: SN/ FOTOMEK - STOCK.ADOBE.COM Lebensmitt­elhändler werfen Produzente­n übermäßige Preiserhöh­ungen vor. Diese kontern.

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