Der Quoten-Wettlauf zum Herbst des linearen Fernsehens
ORF 2 bleibt mit 22 Prozent Marktanteil unangefochten voran. Doch dahinter wird es einstellig und immer enger für ORF 1.
Der Herbst ist da. Zumindest als TV-Saison. Das Publikum bemerkt es daran, dass nach „Links. Rechts. Mitte“und „Talk im Hangar-7“auch das „ZDF Magazin Royale“wieder gestartet ist. Der ORF nimmt traditionell erst nach dem letzten „Sommergespräch“am Montag
wieder Fahrt auf – vom „Report“bis „Im Zentrum“. Er lässt aber „Gute Nacht Österreich“noch bis Mitte September aus, während ServusTV schon eine Woche früher „Der Wegscheider“aus dem Bildschirmurlaub holt. Das
mehr oder weniger lustige Info-Angebot der Gruppe um Puls 4 und ATV wirkt ohnehin so, als hätte es dort keine Ferien gegeben. Der
hauseigene 24-Stunden-Nachrichtenkanal macht es möglich.
Den Programmmachern stellen unterdessen die Quoten der ersten Trimester ein quantitatives Zeugnis aus: Während ORF 2, III und Sport + fast punktgenau das Vorjahresergebnis dieser acht Monate erreichen, baut ORF 1 ab.
Sein Rückgang auf 9,6 Prozent lässt für das Endresultat wie schon 2019 und 2020 einen einstelligen Marktanteil befürchten. Programmdirektorin Stefanie Groiss-Horowitz hat höchsten Handlungsbedarf. Sie leitet interimistisch auch ORF 1 – ausgerechnet als Nachfolgerin der
gegen Roland Weißmann im Kampf um den Gesamtchefsessel unterlegenen Lisa Totzauer. Die wartet unterdessen als Leiterin der TV-Magazine auf ihre nächste Generalchance.
Während der Küniglberg auf seine Vollendung zum Mediencampus durch Rückholung
von Ö3 wartet und der zentrale Newsroom noch seiner Ressortleiter harrt, pflügen die ORF-typischen Grabenkämpfe das gemeinschaftliche Neuland bereits kräftig um. Unterdessen kommt das zunehmend auf Salzburg
und Wien verteilte ServusTV immer näher. Mit 4,1 statt 3,5 Prozent Marktanteil als Zwischenwert winkt das nächste Rekordjahr, dank 4,0:6,7 Prozent war es im August ORF 1 so na
he wie nie zuvor. Das ist aber nicht nur ein Erfolg des Sportrechteaufkaufs. Die „Servus Nachrichten“um 19.20 Uhr hatten 2022 bisher eine Quote von 8,2 Prozent, sind also noch populärer als der Sender insgesamt. Das gilt auch für die Talks und „Der Wegscheider“. Dass der
linksliberale „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo sagt, dass „im öffentlich-rechtlichen Fernsehen keine einzige profilierte konservative Stimme“vorhanden sei, sollte nicht nur Deutschland zum Grübeln bringen.
Inzwischen knabbert bei den unter 50-Jährigen vor allem das von „Zeit“-Autorin Corinna Milborn als Info-Chefin geführte Senderduo
Puls 4/24 derart am Marktanteil in diesen Generationen, dass ORF 1 auch bei seiner Hauptzielgruppe im August unter zehn Prozent gefallen ist. Der Herbst ist da. Zumindest als TV-Saison.
Peter Plaikner