Ein Kampfplatz der Emotionen
Die herbstliche „Tatort“-Saison beginnt mit dem 76. Fall von Lena Odenthal: „Das Verhör“. Bis Weihnachten stehen einige Krimi-Höhepunkte auf dem Programm – auch mit Josef Hader.
SALZBURG. Das schmerzliche Ende der Urlaubszeit bringt einen positiven Aspekt mit sich: Es geht wieder los mit neuen Folgen aus der publikumswirksamen SonntagabendKrimireihe „Tatort“. Zum Auftakt
bekommt es die dienstälteste Gesetzeshüterin Lena Odenthal (Ulrike
Folkerts) mit einem nach außen selbstsicheren und souveränen Bundeswehrhauptmann zu tun, der
– so die These der Kommissarin – im Inneren von einem tief sitzenden Frauenhass geprägt sein soll.
Gleich am Beginn der Folge „Das Verhör“(Sonntag, ORF 2, ARD, 20.15 Uhr) wird die erfolgreiche Investmentbankerin Ann-Kathrin
Werfel auf grausame Weise, die an eine Hexenverbrennung erinnert,
getötet. Später wird noch eine weitere Frau entführt und mit dem Tod
bedroht. „Männer, die bellen, beißen nicht“, heißt es an einer Stelle des in Ludwigshafen spielenden Krimis. Doch stimmt das auch?
Zu einer „Tatort“-Folge mit Lena Odenthal gehört es, dass die Kommissarin eigene Gedanken hat, sich in diese verbohrt und mit ihrer Umgebung im Clinch liegt. Das Alleingegen-alle-Syndrom. Auch diesmal ist Oberstaatsanwalt Marquardt (Max Tidof) ganz und gar nicht damit einverstanden, wie der Verdächtige von Odenthal und deren Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter)
verhört wird. Die kammerspielartigen, intimen Szenen im Verhörraum sind die Stärke dieses Krimis, zumal Hauptmann Hajo Kessler –
überzeugend gespielt von dem aus dem James-Bond-Film „Der Morgen stirbt nie“bekannten Götz Otto – ein würdiger Gegenspieler ist. „Was
wollen Sie eigentlich von mir?“, sagt der ranghohe Soldat, der an einer Asthmaerkrankung leidet und ebenso charmant wie ausfällig sein
kann. Auf Contenance folgen Ausraster – und umgekehrt.
Die massive Präsenz des eloquenten Hauptverdächtigen – auch der Ex-Mann der Investmentbankerin
gerät ins Visier der Behörden – lässt ebenso wie ein finaler Trick der Polizei einen Hauch Inspektor-Columbo-Feeling durch diesen „Tatort“wehen. Auch wenn das konstruierte Drehbuch von Stefan Dähnert einige Schwächen hat, weil es
Unglaubwürdigkeiten und Logikfallen aufweist, nimmt die Handlung doch an Rasanz auf und verdichtet sich gegen Ende zu einem (bei „Tatort“-Folgen sehr beliebten)
Wettlauf mit der Zeit und letztlich auch mit dem Tod.
„Das Verhör“thematisiert mit teils drastischen Mitteln den ebenso brisanten wie aktuellen Problemkreis Femizid, Lena Odenthals Nerven
liegen in einigen Momenten
blank: „Testosteron ist doch Ihr ganz persönlicher Treibstoff“, herrscht sie ihr Gegenüber an. Ulrike Folkerts und Götz Otto verbindet eine langjährige „,Tatort‘-Freundschaft“: Bereits vor 25 Jahren ermittelte die Kommissarin bei der Bundeswehr und schon damals wurde der Leutnant Arnold von Brentano von Götz Otto gespielt.
In einer Rahmenhandlung ist diesmal übrigens eine ÖsterreichDefinition zu hören: „Da, wo es die
guten Schnitzel gibt.“Fazit: Odenthals 76. Einsatz ist fallweise
packend, bisweilen steht sich die Story etwas selbst im Weg.
Wie es mit dem „Tatort“im Herbst weitergehen wird? Wenn in
Wiesbaden Ulrich Tukur ermittelt, steht mit Sicherheit kein TV-KrimiEinheitsbrei auf dem Programm. Sein mittlerweile elfter Einsatz
trägt den Titel „Murot und das Gesetz des Karma“(25. September).
Während der titelgebende Kriminalhauptkommissar in einem Hotel mit K.-o.-Tropfen ausgeschaltet ist, findet im selben Haus ein Mord statt. Und: Eine Frau behautet, Felix Murot sei ihr „Erzeuger“.
Im zweiten Austro-„Tatort“dieses Jahres („Das Tor zur Hölle“am 2. Oktober) geht es um den Tod eines katholischen Priesters, der ein Satan-Amulett bei sich trug und in der Diözese Wien als Exorzist praktiziert hat. Bei ihren Ermittlungen sehen sich die Kriminalbeamten Moritz Eisner (Harald Krassnitzer)
und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) mit Menschen mit dubioser Vergangenheit, Verschwörungstheoretikern und solchen, die als besessen erscheinen, konfrontiert.
Von den Publikumslieblingen aus Wien zu jenen aus Köln: Max Ballauf und Alfred Schenk (Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär) ermitteln im Oktober im Krimi „Spur des Blutes“im Drogenmilieu: Eine
Süchtige, die auch als Prostituierte tätig war, wurde ermordet. In dieser „Tatort“-Folge wirken
übrigens auch zwei prominente österreichische Akteure in Gastrollen mit: Robert Stadlober und Josef Hader.
Im November wiederum hat das quotenstarke Münster-„Tatort“-Team seinen Einsatz. Der Fall „Ein Freund, ein guter Freund“bringt Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) in einen Loyalitätskonflikt: Sein Jugendfreund ist entführt worden, soll er Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) informieren und so vielleicht das Leben des Freundes erst recht in Gefahr bringen? Die
iranisch-österreichische Schauspielerin Proschat Madani ist in der Rolle der Frau des Jugendfreundes zu sehen.
Als Weihnachtskrimi wird der 90. Fall von Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo
Wachtveitl) gehandelt: „Mord unter Misteln“. Ein Krimidinner
bei einem Kollegen: Ein Opfer, sechs Gäste und jeder oder jede könnte den Mord begangen haben. Zeitsprünge und Ortswechsel nach England inklusive. Agatha Christie lässt grüßen.
Folkerts vs. Otto: Gab es schon vor 25 Jahren