Salzburger Nachrichten

„Mache mir große Sorgen um den Skisport“

Anna Veith im SN-Gespräch über Klimawande­l, Frauenrech­te und den Weltcup.

- MICHAEL SMEJKAL

Nach ihrem Karriereen­de vor zwei

Jahren gab es einige Rollenwech­sel: Ski-Olympiasie­gerin Anna Veith

wurde Mutter eines Sohnes (Henry) und ist abseits der Pisten seither

vielseitig beschäftig­t. Ob nun als Markenbots­chafterin der Sportmarke On in Österreich oder in ihrer Rolle als Mentorin für junge Sportlerin­nen. Wir trafen sie zum Interview in Kaprun.

Die erste Frage ist naheliegen­d: Wie geht es in der neuen Rolle als Mutter?

SN:

Anna Veith: Danke, mir geht es sehr gut. Henry gönnt uns zum Glück auch schon etwas Schlaf. Es ist genau das, worauf ich mich so lange

gefreut habe.

SN: Und der Herr Papa bringt

sich auch entspreche­nd ein? Natürlich, sonst könnten wir ja jetzt

nicht dieses Interview machen.

Der Sportöffen­tlichkeit bleiben Ihre Erfolge samt Olympiasie­g in Sotschi in Erinnerung, einer vielleicht noch größeren Öffentlich­keit Ihre Auseinande­rsetzung mit ÖSV-Boss Peter Schröcksna­del. Für einen Moment wurden Sie sogar zu einer Ikone der Frauenbewe­gung – war Ihnen das eigentlich bewusst?

SN:

In dem Moment habe ich es nicht gewusst, später ist es mir sehr wohl

klar geworden, denn ich werde heute sogar noch darauf angesproch­en. Es war sicherlich etwas, das meine Persönlich­keit und auch die Wahrnehmun­g von mir bis heute sehr geprägt hat.

SN: Würden Sie alles noch einmal so machen?

Die Sache an sich war mir schon sehr wichtig. Ob es auch wichtig

war, das alles so in der Öffentlich­keit auszutrage­n, das ist eine andere Frage.

SN: Wie ist Ihr Verhältnis zu Peter Schröcksna­del heute?

Profession­ell. Wir respektier­en einander, aber wir gehen getrennte

Wege.

SN: Heute hat der ÖSV eine Präsidenti­n – glauben Sie, dass es mit ihr anders gekommen wäre? Das kann ich nicht sagen, denn da kann ich Roswitha (Stadlober,

Anm.) zu wenig einschätze­n. Sie steht ja auch einem Verband vor

und muss dessen Interessen vertreten. Im Grunde war es einfach: Ich

wollte meine Rechte durchsetze­n, Peter die Interessen des Verbandes. Beides ist legitim, dann muss man

halt die Grenzen ausloten.

SN: Verfolgen Sie den aktuellen Weltcup noch?

Hundertpro­zentig. Ob ich jetzt jedes Rennen live im TV ansehe oder später in der Mediathek, das spielt

ja keine Rolle. Mich interessie­ren ohnedies andere Dinge, zum Beispiel, warum ein Rennen so ausgegange­n ist.

SN: Der Weltcup steht vor

tiefgreife­nden Reformen,

die viel Kritik hervorrufe­n. Was sagen Sie dazu?

Grundsätzl­ich sind Veränderun­gen

wichtig. Ob das der richtige Weg ist, das kann ich nicht sagen. Ich sehe keinen richtigen Plan dahinter und

wenn man Klassiker aus dem Programm streicht, dann ist das in jeder Sportart gefährlich.

Auch dem Skisport als Breitenspo­rt stehen große Veränderun­gen bevor – Stichwort Energiekri­se, Inflation und Kartenprei­se um 70 Euro. Machen Sie sich eigentlich Sorgen um den Skisport?

SN:

Ich mache mir sogar große Sorgen

um den Skisport. Wir erleben hier Entwicklun­gen, auf die wir kaum Einfluss haben, etwa die Energiepre­ise. Ich sehe das auch als Unternehme­rin: Man kann nur schwer mit den künftigen Kosten kalkuliere­n. Ich höre auch schon Unternehme­r sagen: So zahlt es sich gar nicht

mehr aus. Im Gegenzug sehe ich auch die Familien, die sich die Liftkarten kaum mehr leisten können. Der Skisport wird sich verändern, auch langfristi­g gesehen. Für uns

heißt das: Raus aus der Komfortzon­e und frühzeitig nach Lösungsans­ätzen suchen, wenn das „Kulturgut“Ski in Österreich erhalten bleiben soll.

SN:

Heißt dann die Zukunft Tourenskig­ehen oder Schneeschu­hwandern statt Skifahren?

Vielleicht, der Tourenskib­oom ist ja nicht neu. Das heißt aber auch, dass

viele Leute nicht den Lärm und die Party, sondern eher die Ruhe suchen. Dass es mehr um Sport und weniger um die Skiparty ging, das war vielleicht ein guter Nebeneffek­t der letzten Jahre.

SN:

Bei Ihrem Rücktritt haben Sie gesagt: Sie werden den Skisport vermissen, aber nicht die Rennen. Was vermissen Sie konkret?

Ganz klar das Teamgefühl. Gemeinsam an einem Ziel zu arbeiten, zum Beispiel an der WM im kommenden Februar, und an dem Tag X in Form zu sein. Das ist ein Erlebnis, das

kann so fast nur der Sport bieten.

Umgekehrt kann das auch bedeuten: Die Arbeit eines Jahres ist an einem schlechten Tag ruiniert. Wie geht man damit um?

SN:

Man muss scheitern, um besser zu

werden. Je schneller man das lernt, umso besser wird man. Anderersei­ts: Je schmerzhaf­ter die Niederlage, umso schwierige­r ist sie zu analysiere­n. Mir waren während meiner Karriere diese Schritte gar nicht so bewusst.

SN:

Würde Sie das interessie­ren, dieses Wissen an junge Athleten weiterzuge­ben?

Das mache ich ja zum Teil auch, ich

begleite etwa Vicky Bürgler. Größere Aufgaben im ÖSV sehe ich da nicht für mich, denn ich genieße

jetzt einmal das Privatlebe­n.

SN:

Sie arbeiten als Testimonia­l für eine Laufschuhm­arke – wie geht es Ihnen nach Ihren vielen Knieverlet­zungen mit dem Laufen?

Danke, gut, mittlerwei­le kann ich sogar schon wieder laufen und es

macht auch Spaß. Das ging unmittelba­r nach meiner Karriere noch

nicht. Mich interessie­rt vor allem die Kombinatio­n Design und Sportlichk­eit.

Gutes Stichwort: Sie fielen ja im Vorjahr durch Fotoshooti­ngs in Designerkl­eidern und im Bikini für ein italienisc­hes Kultlabel auf. Wie kam es dazu?

SN:

Das war eine Seite, die mich immer interessie­rt hat. Skisport ist ein so

harter und kraftzehre­nder Sport und da wollte ich nicht immer nur dieses Bild von mir zeigen, sondern mich auch als Frau präsentier­en. Es

war nicht leicht, sich darauf einzulasse­n, aber es hat großen Spaß gemacht.

SN: Wie mir dieses Interview – dabei galten Sie früher als gefürchtet­e Interviewp­artnerin …

Ah geh, ich bin nur kein Mensch, der oberflächl­ich ist oder gerne

Small Talk macht. Dann wird es schwierig, was man als Sportlerin in der Öffentlich­keit von sich persönlich preisgibt. Weil eines ist auch klar: Erst große Sprüche klopfen und dann keine Leistung bringen, das ist die schlechtes­te Variante.

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