„Mache mir große Sorgen um den Skisport“
Anna Veith im SN-Gespräch über Klimawandel, Frauenrechte und den Weltcup.
Nach ihrem Karriereende vor zwei
Jahren gab es einige Rollenwechsel: Ski-Olympiasiegerin Anna Veith
wurde Mutter eines Sohnes (Henry) und ist abseits der Pisten seither
vielseitig beschäftigt. Ob nun als Markenbotschafterin der Sportmarke On in Österreich oder in ihrer Rolle als Mentorin für junge Sportlerinnen. Wir trafen sie zum Interview in Kaprun.
Die erste Frage ist naheliegend: Wie geht es in der neuen Rolle als Mutter?
SN:
Anna Veith: Danke, mir geht es sehr gut. Henry gönnt uns zum Glück auch schon etwas Schlaf. Es ist genau das, worauf ich mich so lange
gefreut habe.
SN: Und der Herr Papa bringt
sich auch entsprechend ein? Natürlich, sonst könnten wir ja jetzt
nicht dieses Interview machen.
Der Sportöffentlichkeit bleiben Ihre Erfolge samt Olympiasieg in Sotschi in Erinnerung, einer vielleicht noch größeren Öffentlichkeit Ihre Auseinandersetzung mit ÖSV-Boss Peter Schröcksnadel. Für einen Moment wurden Sie sogar zu einer Ikone der Frauenbewegung – war Ihnen das eigentlich bewusst?
SN:
In dem Moment habe ich es nicht gewusst, später ist es mir sehr wohl
klar geworden, denn ich werde heute sogar noch darauf angesprochen. Es war sicherlich etwas, das meine Persönlichkeit und auch die Wahrnehmung von mir bis heute sehr geprägt hat.
SN: Würden Sie alles noch einmal so machen?
Die Sache an sich war mir schon sehr wichtig. Ob es auch wichtig
war, das alles so in der Öffentlichkeit auszutragen, das ist eine andere Frage.
SN: Wie ist Ihr Verhältnis zu Peter Schröcksnadel heute?
Professionell. Wir respektieren einander, aber wir gehen getrennte
Wege.
SN: Heute hat der ÖSV eine Präsidentin – glauben Sie, dass es mit ihr anders gekommen wäre? Das kann ich nicht sagen, denn da kann ich Roswitha (Stadlober,
Anm.) zu wenig einschätzen. Sie steht ja auch einem Verband vor
und muss dessen Interessen vertreten. Im Grunde war es einfach: Ich
wollte meine Rechte durchsetzen, Peter die Interessen des Verbandes. Beides ist legitim, dann muss man
halt die Grenzen ausloten.
SN: Verfolgen Sie den aktuellen Weltcup noch?
Hundertprozentig. Ob ich jetzt jedes Rennen live im TV ansehe oder später in der Mediathek, das spielt
ja keine Rolle. Mich interessieren ohnedies andere Dinge, zum Beispiel, warum ein Rennen so ausgegangen ist.
SN: Der Weltcup steht vor
tiefgreifenden Reformen,
die viel Kritik hervorrufen. Was sagen Sie dazu?
Grundsätzlich sind Veränderungen
wichtig. Ob das der richtige Weg ist, das kann ich nicht sagen. Ich sehe keinen richtigen Plan dahinter und
wenn man Klassiker aus dem Programm streicht, dann ist das in jeder Sportart gefährlich.
Auch dem Skisport als Breitensport stehen große Veränderungen bevor – Stichwort Energiekrise, Inflation und Kartenpreise um 70 Euro. Machen Sie sich eigentlich Sorgen um den Skisport?
SN:
Ich mache mir sogar große Sorgen
um den Skisport. Wir erleben hier Entwicklungen, auf die wir kaum Einfluss haben, etwa die Energiepreise. Ich sehe das auch als Unternehmerin: Man kann nur schwer mit den künftigen Kosten kalkulieren. Ich höre auch schon Unternehmer sagen: So zahlt es sich gar nicht
mehr aus. Im Gegenzug sehe ich auch die Familien, die sich die Liftkarten kaum mehr leisten können. Der Skisport wird sich verändern, auch langfristig gesehen. Für uns
heißt das: Raus aus der Komfortzone und frühzeitig nach Lösungsansätzen suchen, wenn das „Kulturgut“Ski in Österreich erhalten bleiben soll.
SN:
Heißt dann die Zukunft Tourenskigehen oder Schneeschuhwandern statt Skifahren?
Vielleicht, der Tourenskiboom ist ja nicht neu. Das heißt aber auch, dass
viele Leute nicht den Lärm und die Party, sondern eher die Ruhe suchen. Dass es mehr um Sport und weniger um die Skiparty ging, das war vielleicht ein guter Nebeneffekt der letzten Jahre.
SN:
Bei Ihrem Rücktritt haben Sie gesagt: Sie werden den Skisport vermissen, aber nicht die Rennen. Was vermissen Sie konkret?
Ganz klar das Teamgefühl. Gemeinsam an einem Ziel zu arbeiten, zum Beispiel an der WM im kommenden Februar, und an dem Tag X in Form zu sein. Das ist ein Erlebnis, das
kann so fast nur der Sport bieten.
Umgekehrt kann das auch bedeuten: Die Arbeit eines Jahres ist an einem schlechten Tag ruiniert. Wie geht man damit um?
SN:
Man muss scheitern, um besser zu
werden. Je schneller man das lernt, umso besser wird man. Andererseits: Je schmerzhafter die Niederlage, umso schwieriger ist sie zu analysieren. Mir waren während meiner Karriere diese Schritte gar nicht so bewusst.
SN:
Würde Sie das interessieren, dieses Wissen an junge Athleten weiterzugeben?
Das mache ich ja zum Teil auch, ich
begleite etwa Vicky Bürgler. Größere Aufgaben im ÖSV sehe ich da nicht für mich, denn ich genieße
jetzt einmal das Privatleben.
SN:
Sie arbeiten als Testimonial für eine Laufschuhmarke – wie geht es Ihnen nach Ihren vielen Knieverletzungen mit dem Laufen?
Danke, gut, mittlerweile kann ich sogar schon wieder laufen und es
macht auch Spaß. Das ging unmittelbar nach meiner Karriere noch
nicht. Mich interessiert vor allem die Kombination Design und Sportlichkeit.
Gutes Stichwort: Sie fielen ja im Vorjahr durch Fotoshootings in Designerkleidern und im Bikini für ein italienisches Kultlabel auf. Wie kam es dazu?
SN:
Das war eine Seite, die mich immer interessiert hat. Skisport ist ein so
harter und kraftzehrender Sport und da wollte ich nicht immer nur dieses Bild von mir zeigen, sondern mich auch als Frau präsentieren. Es
war nicht leicht, sich darauf einzulassen, aber es hat großen Spaß gemacht.
SN: Wie mir dieses Interview – dabei galten Sie früher als gefürchtete Interviewpartnerin …
Ah geh, ich bin nur kein Mensch, der oberflächlich ist oder gerne
Small Talk macht. Dann wird es schwierig, was man als Sportlerin in der Öffentlichkeit von sich persönlich preisgibt. Weil eines ist auch klar: Erst große Sprüche klopfen und dann keine Leistung bringen, das ist die schlechteste Variante.