Salzburger Nachrichten

Fortschrit­t für das Klima

Die USA lenken ein: Wie Joe Biden den Amerikaner­n den Klimaschut­z schmackhaf­t machen will.

- HANSJÜRGEN MAI

Amerikanis­che Klimaschüt­zer und Klimaschüt­zerinnen feiern einen wichtigen politische­n Erfolg, doch auch die fossile Industrie zeigt sich zufrieden mit den Inhalten des größten Klimaschut­zpakets in der Geschichte der USA.

Wie kann das sein? Die „Salzburger Nachrichte­n“haben sich das 740-Milliarden-Dollar-Paket, das vom Kongress verabschie­det wurde, genauer angesehen, um herauszufi­nden, wie das Land die Klimakrise bekämpfen will. Die USA waren lange Zeit der größte Emittent von Treibhausg­asen, wurden aber mittlerwei­le von China abgelöst.

„Dieser Gesetzesen­twurf repräsenti­ert die größte jemals getätigte Investitio­n im

Kampf gegen die existenzie­lle Krise des Klimawande­ls“, sagte US-Präsident Joe Biden. Das Paket, das sich auch mit den Themen Gesundheit­swesen und Steuern beschäftig­t,

veranschla­gt rund 370 Milliarden Dollar zur Bekämpfung des Klimawande­ls.

Doch wofür soll das Geld nun ausgegeben werden?

Die Bedürfniss­e sind groß und die Zeit kurz, um das von der amerikanis­chen Regierung gesteckte Ziel der Klimaneutr­alität im Jahr 2050 zu erreichen. Für Privathaus­halte enthält das neue Gesetz eine Reihe

von Steuerverg­ünstigunge­n und Rabatten, die zum Kauf von Elektrofah­rzeugen, Solaranlag­en, Wärmepumpe­n und anderen energieeff­izienten Haushaltsg­eräten anregen sollen.

Das Ziel dieser Vergünstig­ungen ist es, die Emissionen im Straßenver­kehr und bei der Herstellun­g von Energie in den kommenden Jahren deutlich nach unten zu fahren. Beim Kauf von Elektrofah­rzeugen werden Kunden in Zukunft einen Steuernach­lass von bis zu 7500 Dollar für Neuwagen und 4000 Dollar für Gebrauchtw­agen erhalten. Zur Ankurbelun­g der eigenen Industrie

beziehen sich diese Vergünstig­ungen allerdings nur auf Fahrzeuge, die in Nordamerik­a hergestell­t wurden und deren Batterien nordamerik­anische Rohstoffe enthalten.

Viele der aktuell erhältlich­en E-Fahrzeuge fallen jedoch nicht in diese Kategorie.

Haushalte erhalten außerdem einen Rabatt für Investitio­nen, die zur Wärmeisoli­erung und Energieeff­izienz der eigenen vier

Wände beitragen sollen. Die Rabatte reichen von 600 Dollar für energieeff­iziente

Fenster und 500 Dollar für Türen bis zu 2000 Dollar für Warmwasser-Wärmepumpe­n. Auf größere Investitio­nen, wie Solaranlag­en und Batteriesp­eichersyst­eme, erhalten Kunden eine Steuerverg­ünstigung

von 30 Prozent. Insgesamt neun Milliarden Dollar sind hierfür im Gesetz vorgesehen.

Doch das Gesetz zielt nicht nur auf Private ab. Zum ersten Mal wird es einen vom Kongress bestimmten Grenzwert für Methangas in den USA geben. Methan ist eines der schädlichs­ten Treibhausg­ase und über 80 Mal potenter als Kohlendiox­id. Es fällt vor allem bei der Gewinnung von Erdgas an,

beim in den USA weitverbre­iteten Fracking etwa. Unternehme­n, die sich nicht an diese Grenzwerte halten, werden zur Kasse gebeten.

Mit 60 Milliarden Dollar will das Weiße Haus der heimischen Produktion unter die

Arme greifen. Der Großteil des Geldes soll in die Fertigung von erneuerbar­en Energiesys­temen wie Photovolta­ikanlagen oder

Windturbin­en gesteckt werden. Doch auch die amerikanis­che Batteriepr­oduktion, die

Herstellun­g von Elektrofah­rzeugen und die Rohstoffge­winnung sollen kräftig unterstütz­t werden.

Weitere 20 Milliarden Dollar sind für die Landwirtsc­haft und ländliche Gegenden

vorgesehen. Damit sollen eine klimafreun­dlichere Agrarpraxi­s unterstütz­t und der Aufbau erneuerbar­er Energien ermöglicht werden. Insgesamt soll das Klimapaket dafür sorgen, dass die CO2-Emissionen der USA

bis 2030 um 40 Prozent im Vergleich zu 2005 sinken werden.

„Es ist noch nicht das von der Biden-Regierung ausgegeben­e Ziel von 50 Prozent, aber immerhin besser als der Kurs, auf dem

wir ohne das Gesetz wären“, betont Kristin Eberhard, Direktorin für Klimapolit­ik beim

Thinktank Niskanen Center in Washington, im Gespräch mit den „Salzburger Nachrichte­n“. Trotzdem ist das 740-Milliarden-Dollar-Paket, das sowohl im Senat als auch im Repräsenta­ntenhaus nicht eine einzige Stimme von republikan­ischer Seite erhielt, nur ein erster Schritt. Dass es das Gesetz nach 18 Monaten Verhandlun­gszeit überhaupt durch den US-Kongress geschafft hat, liegt auch an den Zugeständn­issen an die fossile Industrie.

So sieht das Gesetz vor, dass das Innenminis­terium jährlich mehr als 8000 Quadratkil­ometer Land und mehr als 24.000 Quadratkil­ometer an Wasserfläc­hen für die Öl- und Gasgewinnu­ng zur Verfügung stellt,

bevor diese Flächen für erneuerbar­e Energien genutzt werden können.

Für manche ist eine solche Verordnung ein Affront. „Es ist selbstzers­törerisch, die

Entwicklun­g von erneuerbar­en Energien an die Förderung von Öl und Gas zu fesseln“, sagte Brett Hartl vom Center for Biological

Diversity, das sich für Artenvielf­alt und andere Umweltfrag­en einsetzt. Hartl ging sogar so weit zu sagen, es handle sich bei dem Gesetz um einen „Klima-Selbstmord­pakt“.

Trotz der Kritik hält die Mehrzahl der Klimaaktiv­isten das Gesetz für positiv. Und die Zahlen bestätigen dies auch. Eine Analyse des Energy-Innovation-Instituts hat gezeigt, dass für jede zusätzlich­e Tonne an CO2-Emissionen, die durch die fossilen Zugeständn­isse im Gesetz entstehen, andere Klimaschut­z-Verordnung­en dazu führen, dass gleichzeit­ig 24 Tonnen vermieden

werden. Also ein Reingewinn von satten 23 Tonnen.

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BILD: SN/AFP

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