Fortschritt für das Klima
Die USA lenken ein: Wie Joe Biden den Amerikanern den Klimaschutz schmackhaft machen will.
Amerikanische Klimaschützer und Klimaschützerinnen feiern einen wichtigen politischen Erfolg, doch auch die fossile Industrie zeigt sich zufrieden mit den Inhalten des größten Klimaschutzpakets in der Geschichte der USA.
Wie kann das sein? Die „Salzburger Nachrichten“haben sich das 740-Milliarden-Dollar-Paket, das vom Kongress verabschiedet wurde, genauer angesehen, um herauszufinden, wie das Land die Klimakrise bekämpfen will. Die USA waren lange Zeit der größte Emittent von Treibhausgasen, wurden aber mittlerweile von China abgelöst.
„Dieser Gesetzesentwurf repräsentiert die größte jemals getätigte Investition im
Kampf gegen die existenzielle Krise des Klimawandels“, sagte US-Präsident Joe Biden. Das Paket, das sich auch mit den Themen Gesundheitswesen und Steuern beschäftigt,
veranschlagt rund 370 Milliarden Dollar zur Bekämpfung des Klimawandels.
Doch wofür soll das Geld nun ausgegeben werden?
Die Bedürfnisse sind groß und die Zeit kurz, um das von der amerikanischen Regierung gesteckte Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2050 zu erreichen. Für Privathaushalte enthält das neue Gesetz eine Reihe
von Steuervergünstigungen und Rabatten, die zum Kauf von Elektrofahrzeugen, Solaranlagen, Wärmepumpen und anderen energieeffizienten Haushaltsgeräten anregen sollen.
Das Ziel dieser Vergünstigungen ist es, die Emissionen im Straßenverkehr und bei der Herstellung von Energie in den kommenden Jahren deutlich nach unten zu fahren. Beim Kauf von Elektrofahrzeugen werden Kunden in Zukunft einen Steuernachlass von bis zu 7500 Dollar für Neuwagen und 4000 Dollar für Gebrauchtwagen erhalten. Zur Ankurbelung der eigenen Industrie
beziehen sich diese Vergünstigungen allerdings nur auf Fahrzeuge, die in Nordamerika hergestellt wurden und deren Batterien nordamerikanische Rohstoffe enthalten.
Viele der aktuell erhältlichen E-Fahrzeuge fallen jedoch nicht in diese Kategorie.
Haushalte erhalten außerdem einen Rabatt für Investitionen, die zur Wärmeisolierung und Energieeffizienz der eigenen vier
Wände beitragen sollen. Die Rabatte reichen von 600 Dollar für energieeffiziente
Fenster und 500 Dollar für Türen bis zu 2000 Dollar für Warmwasser-Wärmepumpen. Auf größere Investitionen, wie Solaranlagen und Batteriespeichersysteme, erhalten Kunden eine Steuervergünstigung
von 30 Prozent. Insgesamt neun Milliarden Dollar sind hierfür im Gesetz vorgesehen.
Doch das Gesetz zielt nicht nur auf Private ab. Zum ersten Mal wird es einen vom Kongress bestimmten Grenzwert für Methangas in den USA geben. Methan ist eines der schädlichsten Treibhausgase und über 80 Mal potenter als Kohlendioxid. Es fällt vor allem bei der Gewinnung von Erdgas an,
beim in den USA weitverbreiteten Fracking etwa. Unternehmen, die sich nicht an diese Grenzwerte halten, werden zur Kasse gebeten.
Mit 60 Milliarden Dollar will das Weiße Haus der heimischen Produktion unter die
Arme greifen. Der Großteil des Geldes soll in die Fertigung von erneuerbaren Energiesystemen wie Photovoltaikanlagen oder
Windturbinen gesteckt werden. Doch auch die amerikanische Batterieproduktion, die
Herstellung von Elektrofahrzeugen und die Rohstoffgewinnung sollen kräftig unterstützt werden.
Weitere 20 Milliarden Dollar sind für die Landwirtschaft und ländliche Gegenden
vorgesehen. Damit sollen eine klimafreundlichere Agrarpraxis unterstützt und der Aufbau erneuerbarer Energien ermöglicht werden. Insgesamt soll das Klimapaket dafür sorgen, dass die CO2-Emissionen der USA
bis 2030 um 40 Prozent im Vergleich zu 2005 sinken werden.
„Es ist noch nicht das von der Biden-Regierung ausgegebene Ziel von 50 Prozent, aber immerhin besser als der Kurs, auf dem
wir ohne das Gesetz wären“, betont Kristin Eberhard, Direktorin für Klimapolitik beim
Thinktank Niskanen Center in Washington, im Gespräch mit den „Salzburger Nachrichten“. Trotzdem ist das 740-Milliarden-Dollar-Paket, das sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus nicht eine einzige Stimme von republikanischer Seite erhielt, nur ein erster Schritt. Dass es das Gesetz nach 18 Monaten Verhandlungszeit überhaupt durch den US-Kongress geschafft hat, liegt auch an den Zugeständnissen an die fossile Industrie.
So sieht das Gesetz vor, dass das Innenministerium jährlich mehr als 8000 Quadratkilometer Land und mehr als 24.000 Quadratkilometer an Wasserflächen für die Öl- und Gasgewinnung zur Verfügung stellt,
bevor diese Flächen für erneuerbare Energien genutzt werden können.
Für manche ist eine solche Verordnung ein Affront. „Es ist selbstzerstörerisch, die
Entwicklung von erneuerbaren Energien an die Förderung von Öl und Gas zu fesseln“, sagte Brett Hartl vom Center for Biological
Diversity, das sich für Artenvielfalt und andere Umweltfragen einsetzt. Hartl ging sogar so weit zu sagen, es handle sich bei dem Gesetz um einen „Klima-Selbstmordpakt“.
Trotz der Kritik hält die Mehrzahl der Klimaaktivisten das Gesetz für positiv. Und die Zahlen bestätigen dies auch. Eine Analyse des Energy-Innovation-Instituts hat gezeigt, dass für jede zusätzliche Tonne an CO2-Emissionen, die durch die fossilen Zugeständnisse im Gesetz entstehen, andere Klimaschutz-Verordnungen dazu führen, dass gleichzeitig 24 Tonnen vermieden
werden. Also ein Reingewinn von satten 23 Tonnen.