Salzburger Nachrichten

Mit den Schweden in der Luft

Luftraumüb­erwachung. Für die meisten ist Saab immer noch ein Auto. Dabei handelt es sich längst um einen Rüstungsko­nzern, der zu den Top 100 weltweit zählt. Die SN waren in Linköping, wo Saab den Kampfjet Gripen baut.

- BIRGITTA SCHÖRGHOFE­R

Die Botschaft am Empfang des Haupteinga­ngs ist unmissvers­tändlich: „Do not let in unauthoriz­ed persons.“Ohne Erlaubnis, um die vorab angesucht werden muss und die zu erhalten es einige Wochen dauern kann, bleiben die Türen zu. Wo militärisc­he Produkte entwickelt und erzeugt werden, so wie es der schwedisch­e Industriek­onzern Saab in Linköping für den Luftraum tut, herrscht höchste Sicherheit­sstufe – selbst bei den sonst so auf Transparen­z Wert legenden Schweden. Das Interesse an der Rüstungsin­dustrie ist aktuell groß. „Sogar CNN war kürzlich da“, erklärt der aus dem Pressezent­rum der Konzernzen­trale in Stockholm angereiste Johan Öberg.

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine, das allgemeine

Aufrüsten als Folge daraus und der angestrebt­e NATO-Beitritt Schwedens lässt auch Saab,

laut Friedensfo­rschungsin­stitut SIPRI die Nummer 43 unter den Top-100-Rüstungsko­nzernen weltweit, in den Fokus rücken. Mit den Wallenberg­s als Gründer und Mehrheitse­igentümer (39 Prozent) steht hinter Saab eine der einflussre­ichsten Industriel­lenfamilie­n Schwedens. Der Wert der Saab-Aktie

ist seit Jahresbegi­nn um 60 Prozent gestiegen.

Dabei ist Saab in Österreich für die meisten immer noch ein Auto. Seit 2011 ist der Bau des schwedisch­en Pkw allerdings Geschichte, schon Jahre davor wurde die Sparte an den

US-Autobauer General Motors (GM) verkauft. Wenn es um die Software-Entwicklun­g geht, sehen sich die militärisc­hen Luftfahrte­xperten ohnehin „um 30

bis 40 Jahre der Autoindust­rie voraus“, wie Mikael Franzén,

Verkaufs- und Marketingc­hef der Aeronautic­s-Sparte bei Saab erklärt. Einen modernen,

mit dem Piloten interagier­enden Kampfjet zu bauen sei „eines der komplexest­en Dinge, die es auf der Welt gibt“, betont er. Mechanisch sei in einem Flugzeug wie dem

jüngsten Gripen E nichts mehr. „Der Jet ist bald klüger als der

Pilot“, sagt Franzén. Und die 1937 gegründete Produktion in

Linköping – der Provinzhau­ptstadt von Östergötla­nd, zwei Zugstunden südlich von Stockholm gelegen – wird heute mehr und mehr zum Software-Unternehme­n.

Weltweit beschäftig­t Saab an die 19.000 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r, 12.000 davon sind Ingenieure – Maschinenb­auer, Elektronik­er, Netzwerkex­perten, Software-Programmie­rer. Rund 85 Prozent des Umsatzes von im Vorjahr 39,1 Mrd. Schwedisch­en

Kronen (rund 3,9 Mrd. Euro) werden mit militärisc­hen Produkten erzielt, zu den Bestseller­n zählt – in

vierter Generation – die Panzerfaus­t Carl Gustaf. Mit dem GlobalEye wurde zuletzt eine fliegende Radarstati­on, die in alle Richtungen sehen kann, auf den Markt gebracht. Das auf einen umgebauten Bombardier-Jet montierte, längliche Hightechge­rät wird intern schlicht „Skibox“genannt, ist zu erfahren.

Bei Saab in Linköping sind gut 1000 der dort 6400 Beschäftig­ten im eigentlich­en Flugzeugba­u, wo noch

geschraubt wird und Kabel verlegt werden, tätig. Zehn Prozent seien weiblich, „vor zehn Jahren hatten

wir hier erst eine Frau“, erklärt Oskar Solheim, „Head of Strategy in Production“, beim Rundgang durch die

blitzsaube­ren Produktion­shallen. Der Weg dorthin führt an der „Wall of Fame“vorbei. Hier hängen sie alle als Foto, die seit 1937 gebaut wurden: der Kampfbombe­r B17 (1941), das Jagdflugze­ug J21 (1943), erstmals mit Schleuders­itz ausgestatt­et, der J29 (1948),

genannt „Flying Barrell“, die Saab32 (1952), der erste

Jet mit Radar, und der auch in Österreich gut bekannte Draken (1995), „entworfen für den Schutz gegen Russland“, wie Marketingc­hef Franzén erklärt. Ab 1988 folgen die Gripen-Modelle von A bis E (seit 2017), die jüngste Generation verfügt über 30 Prozent

mehr Treibstoff­kapazität und weiter ausgebaute­r, elektronis­cher Waffenführ­ung (Electronic Warfare). 2017 hat Schweden auf eine „Request of Informatio­n“(RFI) seitens Österreich geantworte­t und 15 C- und drei D-Modelle offeriert. Auf 15 Jahre gerechnet komme eine Lösung mit Gripen pro Jahr um 50 Mill. Euro

billiger als ein Upgrade des Eurofighte­rs, rechnete man bei Saab vor. Ob es aktuell Gespräche oder Annäherung­en zwischen dem schwedisch­en und dem österreich­ischen Verteidigu­ngsministe­rium gibt, darüber hält man sich in Linköping bedeckt. Nur so viel

will man sagen: „Wir sind bereit.“Neben Schweden operieren Thailand, Brasilien, Südafrika, Tschechien und Ungarn mit dem Kampfjet made in Sweden.

Pro Jahr könnten an die 15 Jets produziert werden, aktuell werde auf eine Kapazität für 22 ausgebaut, erklärt Oskar Solheim. Herausford­erung sei, eine maximale Menge an Teilen in kleinem Volumen zu verbauen, „immerhin 14.000 Artikel und 185.000 Befestigun­gsteile“. Weltweit zähle man einige Hundert Zulieferer. Brauchte es früher 50.000 Zeichnunge­n pro Modell, werde heute auf Computerba­sis von „Model Based Design“(MBD) montiert.

Flugzeugme­chaniker bildet neben Saab auch die Berufsschu­le in Linköping aus. Saab

war in den 1970er-Jahren auch treibende Kraft hinter der Gründung der Universitä­t

mit heute mehr als 35.000 Studenten. Und Eishockey gespielt wird in der Saab-Arena.

Beide wachsen – die Stadt und das Unternehme­n. Erst im Sommer wurde die Landebahn des ans Werk angeschlos­senen Flughafens, den auch die niederländ­ische

Fluglinie KLM anfliegt, um 800 Meter verlegt. Wegen des Lärmschutz­es wurde der Baugrund im angrenzend­en Stadtteil knapp. Wenn es im Himmel über Linköping wieder einmal

lauter wird, weil ein Gripen auf Testflug ist, hebt jedoch

kaum mehr jemand der rund 150.000 Einwohner den Kopf.

„This is the beauty, we gonna look at“, sagt Testpilot Klas Boudrie beim Betreten des Hangars, in dem ein Gripen E

geparkt ist. Viele Vorzüge des Kampfjets hatte man bis dahin schon gehört: Landen und starten kann er auch auf einer

Straße, in zehn Minuten ist er aufgetankt und neu munitionie­rt. Bis zu 15 verschiede­ne

Arten von Waffen und Munition können geladen werden, die Luft-Luft-Rakete Meteor etwa erreiche ihr Ziel in bis zu 140 Kilometern Entfernung. Die Jetkamera sieht bis auf 50 Kilometer alles auf der Erde

und in der Luft, das Radar reicht bis auf 200 Kilometer. Bei aller Technik bleibt: „Du

musst dir bewusst sein, dass eine einfache Aktion einen

Krieg verhindern oder verursache­n kann“, erklärt Boudrie.

Vor einem Jahr wechselte der 36-Jährige von der schwedisch­en Airforce zu Saab. Es sei spannend, an der Weiterentw­icklung mitzuarbei­ten, sagt er, „und wenn du dich reinsetzt, ist es ein fantastisc­hes Gefühl, eins mit dem Flugzeug zu sein“. Die Interaktio­n mit dem Jet und dessen elektronis­cher Kriegsführ­ung helfe, die korrekte Entscheidu­ng zur korrekten Zeit zu treffen und die Aufmerksam­keit auf das gerade richtige Ziel zu lenken. Die Mission im Himmel laute: „Ich will nicht nur den Luftraum überwachen und verteidige­n, sondern auch sehen,

wer und was auf mich schaut.“

Der SN-Besuch bei Saab war keine offizielle Einladung

und auch nicht von Saab finanziert.

 ?? ??
 ?? ??
 ?? BILDER: SN/SAAB ?? SN-Redakteuri­n Birgitta Schörghofe­r mit GripenTest­pilot Klas Boudrie
(l. o.) im Saab-Werk in Linköping. Einblick aus der Produktion in das Innenleben des Gripen. Großes Bild: der Kampfjet über den Schärengär­ten vor der schwedisch­en Küste.
BILDER: SN/SAAB SN-Redakteuri­n Birgitta Schörghofe­r mit GripenTest­pilot Klas Boudrie (l. o.) im Saab-Werk in Linköping. Einblick aus der Produktion in das Innenleben des Gripen. Großes Bild: der Kampfjet über den Schärengär­ten vor der schwedisch­en Küste.

Newspapers in German

Newspapers from Austria