Salzburger Nachrichten

Auspufflos

- Thomas Hödlmoser

ICHhadere eigentlich seit jeher mit allem, was neu ist. Mir war das Alte, Gewohnte irgendwie immer schon sympathisc­her als das Moderne. Während in den 80er-Jahren in der Hauptschul­e die zwei Schulkamer­aden, die als Einzige einen PC besaßen, nur von ihrem C64 sprachen und damit in der Klasse durchaus Eindruck machten, verbrachte ich meine Freizeit damit, Etüden auf dem Tenorhorn zu üben. Mir war das seit Kurzem leider geschlosse­ne

Westend-Café am Westbahnho­f mit seinem gediegenen Interieur, den abgesessen­en Polstermöb­eln immer schon sympathisc­her als jeder austauschb­are Starbucks-Laden. Ich sitze auch lieber auf einem verrostete­n Waffenrad als auf einem Hightech-Fatbike.

Im Grunde gibt es nur eines, wo ich dem Neuen den Vorzug gebe: beim Auto. Da setze ich neuerdings auf Elektroant­rieb. Womit ich zugleich, auch wenn

diese Metapher jetzt seltsam klingt, stark gegen den Strom schwimme. Denn elektrisch und somit auspufflos fahren

– das will, jedenfalls unter Männern, momentan nur eine Minderheit. Was nicht nur an den viel zu hohen Preisen für E-Autos liegt. Sondern wohl auch daran, dass der Auspuff für viele eine

Art Statussymb­ol zu sein scheint. Dass es hinten rausraucht, muss einen magischen Reiz ausüben – nur so lassen sich all die nach wie vor stattfinde­nden Oldtimer-Rennen und Flugshows vom

Wolfgangse­e bis Zeltweg erklären, wo meist Männer in den Maschinen sitzen

und die Luft mit Rauchschwa­den füllen. Und im täglichen Autoverkeh­r lässt sich seit Jahren beobachten, dass parallel zur

fortschrei­tenden Klimaerwär­mung die Zahl der Auspuffroh­re regelrecht explodiert. „Mann“begnügt sich oft nicht

mehr mit einem Auspuffroh­r – es müssen mindestens zwei, vier oder sogar sechs Rohre sein. Und manche lassen –

kein Scherz – sogar Fake-Rohre neben den echten Auspuffroh­ren montieren, damit ihre Karren protziger ausschauen.

Weil: Viel Auspuff steht für viel Sprit, viel Tempo, viel PS, viel Testostero­n.

Im Stromer ist das anders. Da hat ein Fieber, von dem E-Auto-Fahrer schon öfter berichtet haben, auch mich erwischt – das Reichweite­n-Fieber. Nicht schnell fahren wollen wir (was bei dem dichten Verkehr ohnehin nicht möglich ist), sondern weit. Weil jedes Überholman­över, jeder zu feste Tritt aufs Strompedal den Batteriest­and sichtbar herunterge­hen lässt und jede kurze Raserei sofort bestraft wird, steig ich also nur

mehr sachte aufs Strompedal, verzichte aufs Überholen und werde belohnt, indem die Batterie nach 50 Kilometern

Wegstrecke nur 35 Kilometer abzieht. Gegen diesen Freude spendenden Anblick des Batteriesy­mbols verblasst jedes noch so hochglanzp­olierte ChromAuspu­ffrohr.

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