Auspufflos
ICHhadere eigentlich seit jeher mit allem, was neu ist. Mir war das Alte, Gewohnte irgendwie immer schon sympathischer als das Moderne. Während in den 80er-Jahren in der Hauptschule die zwei Schulkameraden, die als Einzige einen PC besaßen, nur von ihrem C64 sprachen und damit in der Klasse durchaus Eindruck machten, verbrachte ich meine Freizeit damit, Etüden auf dem Tenorhorn zu üben. Mir war das seit Kurzem leider geschlossene
Westend-Café am Westbahnhof mit seinem gediegenen Interieur, den abgesessenen Polstermöbeln immer schon sympathischer als jeder austauschbare Starbucks-Laden. Ich sitze auch lieber auf einem verrosteten Waffenrad als auf einem Hightech-Fatbike.
Im Grunde gibt es nur eines, wo ich dem Neuen den Vorzug gebe: beim Auto. Da setze ich neuerdings auf Elektroantrieb. Womit ich zugleich, auch wenn
diese Metapher jetzt seltsam klingt, stark gegen den Strom schwimme. Denn elektrisch und somit auspufflos fahren
– das will, jedenfalls unter Männern, momentan nur eine Minderheit. Was nicht nur an den viel zu hohen Preisen für E-Autos liegt. Sondern wohl auch daran, dass der Auspuff für viele eine
Art Statussymbol zu sein scheint. Dass es hinten rausraucht, muss einen magischen Reiz ausüben – nur so lassen sich all die nach wie vor stattfindenden Oldtimer-Rennen und Flugshows vom
Wolfgangsee bis Zeltweg erklären, wo meist Männer in den Maschinen sitzen
und die Luft mit Rauchschwaden füllen. Und im täglichen Autoverkehr lässt sich seit Jahren beobachten, dass parallel zur
fortschreitenden Klimaerwärmung die Zahl der Auspuffrohre regelrecht explodiert. „Mann“begnügt sich oft nicht
mehr mit einem Auspuffrohr – es müssen mindestens zwei, vier oder sogar sechs Rohre sein. Und manche lassen –
kein Scherz – sogar Fake-Rohre neben den echten Auspuffrohren montieren, damit ihre Karren protziger ausschauen.
Weil: Viel Auspuff steht für viel Sprit, viel Tempo, viel PS, viel Testosteron.
Im Stromer ist das anders. Da hat ein Fieber, von dem E-Auto-Fahrer schon öfter berichtet haben, auch mich erwischt – das Reichweiten-Fieber. Nicht schnell fahren wollen wir (was bei dem dichten Verkehr ohnehin nicht möglich ist), sondern weit. Weil jedes Überholmanöver, jeder zu feste Tritt aufs Strompedal den Batteriestand sichtbar heruntergehen lässt und jede kurze Raserei sofort bestraft wird, steig ich also nur
mehr sachte aufs Strompedal, verzichte aufs Überholen und werde belohnt, indem die Batterie nach 50 Kilometern
Wegstrecke nur 35 Kilometer abzieht. Gegen diesen Freude spendenden Anblick des Batteriesymbols verblasst jedes noch so hochglanzpolierte ChromAuspuffrohr.