Die Führungskraft als Coach
Neue Konzepte gefragt: Die Krisenjahre haben auch die Rolle von Chefin und Chef verändert.
Neun von zehn Führungskräften stimmen der Aussage zu, dass die Hauptaufgabe von Führungskräften
künftig vor allem darin besteht, Mitarbeitende beim Erschließen eigener Potenziale zu unterstützen. Das zeigt der aktuelle Hernstein Management Report des
Hernstein-Instituts für Management und Leadership. Besondere Affinität zu diesem Modell haben mit jeweils 92 Prozent Führungskräfte der Branchen Energie, Finanz
und Logistik. Weniger sind es im öffentlichen Sektor (82 Prozent) und in der IT (81
Prozent). Dabei meinen mehr als 80 Prozent, dass sie in ihrem eigenen Führungsbereich dieses Rollenverständnis als Coach zumindest teilweise verwirklichen. Bei ihrer eigenen bzw. ihrem eigenen Vorgesetzten sehen dies lediglich zwei Drittel als zutreffend an. Befragt wurden 1500 Führungskräfte sowie
Unternehmerinnen und Unternehmer in Österreich und Deutschland.
Krise als Motor für Veränderung
Die Veränderung des Führungsverständnisses ist ein schon länger andauernder Prozess
und hat sich durch die herausfordernde Lage
der vergangenen beiden Jahre weiter verstärkt. Mehr als die Hälfte der Befragten
meint, dass die Führung des eigenen Teams schwieriger geworden sei. Michaela Kreitmayer leitet das Hernstein-Institut für Management und Leadership der Wirtschaftskammer Wien. Sie sieht das Führungsverständnis in einem weitreichenden Umbruch: „Durch die verstärkte und unaufhaltsame
Verbreitung von Remote Work sind neue Konzepte gefragt. Eine Führung durch spontane Anweisungen ist praktisch kaum
durchführbar. Daher müssen Mitarbeitende zu einem hohen Maß an Eigenständigkeit
befähigt werden. Die Steuerung erfolgt einerseits über die Entwicklung einer gemeinsamen Kultur, andererseits anhand von definierten Meilensteinen. Das Bild eines Coachs wird diesen Anforderungen gut gerecht und bringt es für alle Beteiligten auf den Punkt.“
Ein weiterer Grund könnte der Mangel an Fach- und Führungskräften sein: 70 Prozent
meinen, dass aufgrund dessen mehr Rücksicht
auf die persönlichen Bedürfnisse von Mitarbeitenden genommen wird. Es ist davon auszugehen, dass das Rollenverständnis als Coach dieser Anforderung mehr gerecht
wird als traditionelle Führungskonzepte.
Positives Selbstbild
Je höher die Führungsebene, desto eher sehen die Befragten das Coach-Konzept als realisiert an. Dies gilt sowohl für den eigenen Führungsstil als auch für jenen des bzw. der Vorgesetzten. Ein Beispiel: 32 Prozent des oberen Managements meinen, dass sie
in ihrer eigenen Führungsarbeit als Coach agieren. 27 Prozent meinen, dass ihre Vorgesetzte oder ihr Vorgesetzter diese Rolle einnimmt. Im mittleren Management liegen die
Vergleichswerte mit 28 Prozent bzw. 15 Prozent (klar) darunter.
Selbstdarstellung gewinnt an Relevanz
Neben der Transformation des Führungsverständnisses hat auch die Außendarstellung von Führungskräften einen steigenden Stellenwert. Für 11 Prozent der Führungskräfte ist die Darstellung in sozialen Medien als Kompetenzträger sehr wichtig, für weitere 27 Prozent eher. Unterschiede gibt es erwartungsgemäß nach Altersgruppen, wobei in Deutschland die Bedeutung von Social Media generell etwas höher ist als in Österreich.