Salzburger Nachrichten

Wie in Salzburg Energie gehandelt wird

Sieben Händler haben bei der Salzburg AG Zugang zur Energiebör­se. Als Spekulante­n möchten sie nicht gelten. Sie gewähren Einblicke.

- MARCO RIEBLER

SALZBURG. Wer gestresste und aufgrund der Marktlage verzweifel­te Börsenhänd­lerinnen und Börsenhänd­ler erwartet, die sich in Großraumbü­ros um die täglich

lukrativst­en Spekulatio­nen am Energiemar­kt duellieren und im Sekundenta­kt Transaktio­nen

vornehmen, der wird im dritten Stock der Salzburg-AG-Zentrale enttäuscht. Ein 30-Quadratmet­er-Büro, drei höhenverst­ellbare Schreibtis­che und in der Mitte zwei Flachbilds­chirme, die aktuelle Börsendate­n zeigen. Eines

gleicht der Börse: Anzugträge­r findet man hier viele, könnte aber auch am angekündig­ten Fo

totermin liegen. 545 Euro sind an diesem Donnerstag für eine Megawattst­unde an der Börse fällig. Im Jahr 2021 lag der Durchschni­ttspreis noch bei 84 Euro

pro MWh. „Es sind weniger als in den vergangene­n Tagen. Die Preise sind deutlich gefallen, wenngleich sie noch sehr hoch sind“, sagt Martin Rainer, der Leiter des Energiehan­dels.

Energiehän­dler Markus Brunner blickt auf drei Bildschirm­e, die, vom Laien betrachtet, nur ein Zahlenwirr­warr darstellen. Im Hintergrun­d ist ein Energiehän­dler in ein Telefonges­präch verwickelt: „Ja, der Markt spielt verrückt“, ist zu hören.

Telefonier­t werde viel im Energiehan­del – die gekonnte Kommunikat­ion sei ein Einstellun­gskriteriu­m, sagt Thomas Schabhüttl, der Leiter von sieben Energiehän­dlern bei der Salzburg AG. Die Energiehän­dler würden auch

täglich mit Kundinnen und Kunden telefonier­en, vor allem mit Großverbra­uchern aus dem gewerblich­en Bereich, um sie über aktuelle Preise zu informiere­n.

Daher seien Energiehän­dler und Energiehän­dlerinnen auch quasi als Kundenbetr­euer und Kundenbetr­euerinnen anzusehen. Auch

die Marktbeoba­chtung fällt in deren Aufgabenfe­ld.

„Es sind nur eine Handvoll Transaktio­nen, die unsere Händlerinn­en und Händler am Tag durchführe­n“, erklärt Rainer.

Würde man die Arbeitszei­t rein auf die Börsentäti­gkeit runterbrec­hen, wäre man in ein bis zwei Stunden am Tag fertig.

Doch was, bei wem und vor allem wie viel an Strom und Gas darf bei der Salzburg AG eingekauft werden? Primär werden

„Spekulatio­n ist, wenn man auf steigende oder fallende Preise wettet.“Martin Rainer, Salzburg AG

Strom und Gas langfristi­g mittels

Termingesc­häften eingekauft. 50 Prozent des Strombedar­fs müssen zugekauft werden. Die genaue Zahl bleibt unter Verschluss. Der langfristi­ge Einkauf stehe im Vordergrun­d: „Wir sprechen hier von mehreren Monaten

bis zu drei Jahren im Voraus“, führt Rainer aus. Leerkäufe gebe es nicht. „Wenn wir zum Beispiel

merken, dass aufgrund der Wetterlage oder der Wasserstän­de

weniger Eigenprodu­ktion möglich ist, gleichen wir das kurzfristi­g aus.“Spontan könne man auch noch etwa zu Mittag für einen Mehrbedarf in den Abendstund­en einkaufen. Um ausreichen­d Bedarfsinf­ormationen zu erhalten, arbeiten die Händler

mit zehn Portfoliom­anagern und einer Managerin zusammen, die ebenfalls in der Abteilung angesiedel­t sind.

In einem internen Risikohand­buch, „einer Art Handelsbib­el“, seien die Einkaufsre­geln der Salzburg AG manifestie­rt. Abgesegnet werden diese unter anderem

vom Vorstand und einem Risikoauss­chuss. Adaptieren habe man

diese aufgrund der fehlenden Gaslieferu­ngen aus Russland nicht müssen. „Das Regelwerk

hält solchen Markteinfl­üssen stand.“Mit einer Misere wie bei der Wien Energie rechne man bei der Salzburg AG nicht. Die Liquidität sei ausreichen­d und das Risiko gut gestreut. Für 2023 habe man für Haushalts- und Gewerbekun­den schon eingekauft. Damit die Liquidität nicht wie im Fall der Wien Energie überstrapa­ziert wird, rechnen und kalkuliere­n in der Abteilung Handel und Märkte bei der Salzburg AG zehn

Risikomana­gerinnen und Risikomana­ger unterschie­dliche Szenarien durch. „Wir beschäftig­en auch Mathematik­er“, sagt Rainer.

Stellt nicht jede Börsentäti­gkeit eine Spekulatio­n dar? „Wir spekuliere­n nicht. Die Salzburg

AG schließt Preisabsic­herungsges­chäfte an der Börse ab, um Kunden stabile Preise zu ermögliche­n“, sagt Rainer. Doch was versteht der Energiehan­delsexpert­e

nun unter Spekulatio­n? „Man spricht dann von Spekulatio­n,

wenn man zum Beispiel auf steigende oder fallende Preise wettet.“

Den Energieunt­ernehmen steht es frei, wie spekulativ die

Einkaufsst­rategie ist. In der Regel agieren regionale Energiever­sorger, die großteils im öffentlich­en Eigentum stehen, konservati­ver.

Zugekauft werde auch bei der Salzburg AG an der Börse. „Wobei wir nur maximal zehn Prozent vom Börsenmark­t einkaufen.“Gehandelt werde zwischen 9 und 17 Uhr und nur auf europäisch­en Märkten, merkt Thomas Schabhüttl an. Die Regeln aus dem Risikohand­buch sind in einer Handelssof­tware programmie­rt. Auch die Handelspar­tner seien fix vorgegeben. Generell gilt das Vier

Augen-Prinzip. Kontrollie­rt werde sowohl intern zum Beispiel durch das Risikomana­gement als auch extern durch den Wirtschaft­sprüfer.

Zum Berufsprof­il der Händler: „Es gibt kein spezifisch­es Studium, jedoch haben die meisten Kolleginne­n und Kollegen eine

technische, juristisch­e oder wirtschaft­liche akademisch­e Ausbildung“, ergänzt Schabhüttl. Ganz so einfach kann aber nicht an der Energiebör­se ein- oder verkauft

werden. Verpflicht­end seien Schulungen sowie die erfolgreic­he Absolvieru­ng der Börsenprüf­ungen. Abgenommen werden diese unter anderem an der European Energy Exchange AG, der Leitbörse für Energie in Europa.

Die überschüss­ige Energie der Salzburg AG werde an der Börse auch verkauft oder bilateral von

Handelspar­tnern erworben – im Fachjargon als OTC-Handel bezeichnet. „Diese Direkteink­äufe sind auf viele Handelspar­tner aufgeteilt. Damit streut sich das

Risiko, sollte ein Vertragspa­rtner ausfallen“, sagt Rainer. Anders an der Börse, der Ein- und Verkauf erfolgt wie auf allen Börsen anonym. Wenn ein Lieferant dort ausfällt, kommen die Sicherheit­skautionen (Margin-Zahlungen) ins Spiel, die bei Termingesc­häften, die in der Zukunft stattfinde­n, hinterlegt werden müssen. Damit diese Transaktio­n im

Vorfeld auch stattfinde­n kann, ist eine hohe Liquidität notwendig,

was bei der Wien Energie zuletzt nicht gegeben war.

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Martin Rainer leitet den Bereich Energiehan­del bei der Salzburg AG.
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BILD: SN/MARCO RIEBLER

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