Salzburger Nachrichten

Der Blick auf die Gletscher ist hier inkludiert

Auf der Kürsingerh­ütte sitzt man umgeben von Dreitausen­dern. Und: Hier gibt es Hühner, die im vielleicht höchsten Hühnerstal­l der Alpen leben.

- EINKEHREN Alm & Berg auf STEFANIE SCHENKER

NEUKIRCHEN. Wer durch das Obersulzba­chtal geht und entlang des Obersulzba­ches wandert, der kommt aus dem Schauen nicht mehr heraus: Von der Kraft des Schmelzwas­sers immer

wieder neu zusammenge­schobene Steinansam­mlungen am Ufer des Baches, riesige Felsbrocke­n, die vor allem die Jüngeren zum

Hinaufklet­tern animieren, und dazu der Ausblick auf den Großen Geiger und die ihn umgebenden Gletscherf­elder. Nach dem steilen Anstieg Richtung Kürsingerh­ütte taucht die Spitze des 3657 Meter hohen Großvenedi­gers vor den Augen der Wanderer auf. Er ist der höchste Berg der

Venedigerg­ruppe in den Hohen Tauern. Die Kürsingerh­ütte ist für die allermeist­en, die hierherkom­men, Ausgangspu­nkt für eine Tour auf den Großvenedi­ger. „Ich habe mich einfach in den Ort

hier verliebt“, sagt Siegfried „Siegi“Karl. „Es ist einfach brutal schön“, sagt er und schaut auf das Bergpanora­ma, das ihn immer

wieder fasziniert: Vom Keeskogel über die schon in Südtirol liegenden Dreiherren­spitze bis zur Schliefers­pitze sei er hier von einer

Reihe von Dreitausen­dern umgeben. Sein Lieblingsb­erg ist aber der Große Geiger. Für ihn hat der gelernte Schmied das Gipfelkreu­z gemacht.

Siegfried Karl (50) hat schon vor 20 Jahren damit begonnen, sich ehrenamtli­ch um die Trinkwasse­rbelange und die Haustechni­k bei der Kürsingerh­ütte zu kümmern. Schmelzwas­ser gelangt über ein Wasserschl­oss in die Wasserleit­ungen der Hütte, der Strom kommt aus einem Kleinkraft­werk im Obersulzba­ch.

Als der Alpenverei­n dann einen

„Alle haben gesagt, ich spinn’. Aber die Hütte zu pachten war die richtige Entscheidu­ng für mich.“Siegfried Karl, Hüttenpäch­ter

neuen Pächter gesucht hat, war er zur Stelle: Heuer ist es seine dritte Saison auf 2558 Metern Seehöhe. Das Erste, was er macht, sobald es Tag wird: „Der erste Blick geht immer zum Großvenedi­ger – ob er frei ist.“Das heißt, ob er aus den

Wolken heraußen ist. Wer hinaufwill, muss früh losstarten.

Etwa viereinhal­b Stunden geht man von der Kürsingerh­ütte zum Gipfel. Der Tag von Siegi Karl und seinem Team beginnt um vier

Uhr früh – und mit dem Frühstücks­buffet für die Berggeher.

Mittags gibt es À-la-carte-Speisen, abends ein Abendessen für bis zu 150 Übernachtu­ngsgäste.

Eine Besonderhe­it in dieser Höhenlage sind die Hühner, die

hier im vermutlich höchsten alpinen Hühnerstal­l leben. Sie kamen – so wie acht Tonnen weiterer Lebensmitt­el auch – zu Saisonbegi­nn Anfang März mit dem Hubschraub­er herauf. „Eine Henne war so aufgeregt, sie hat noch im Hubschraub­er ein Ei gelegt“, schildert der Hüttenpäch­ter. Zwei Hühner dürften dem Adler zum Opfer gefallen sein, der Verbleib von zwei weiteren Tieren ist ungeklärt. Möglicherw­eise steht Haushündin Zeta, ein Australian Shepherd, damit im Zusammenha­ng – es gilt die Unschuldsv­ermutung. Auch

wenn die verblieben­en „glorrei

chen Sieben“, wie Siegfried Karl die Hühner nennt, brav Eier legen, reicht das bei Weitem nicht für den Bedarf von 300 bis 400 Eiern pro Woche. Sie gelangen – so

wie alle anderen Lebensmitt­el – seit der Schneeräum­ung auf der

Straße und dann mit der Materialse­ilbahn zur Kürsingerh­ütte.

In der Küche führt Manni Exenberger das Regiment. Der gelernte Koch verarbeite­t die Eier der eigenen Hühner (und die zugekaufte­n Eier) zu Kaspressod­er Spinatknöd­eln genauso wie zu Kuchen. Heute steht TopfenStre­uselkuchen mit frischen Nektarinen auf seinem Programm. Er nützt aber auch das

wenige, was die Natur in der Umgebung der Kürsingerh­ütte bietet: Heute sind es Eierschwam­merl, die hier „Zachling“genannt

werden. Das Schwammerl­feld unterhalb der Hütte ist bereits leer, aber auf der oberen Seite stehen noch ein paar. Das heißt, sie standen dort, denn jetzt verarbeite­t sie Manni Exenberger mit Herrenpilz­en, Däublingen, gekochten,

geraspelte­n Kartoffeln und Zwiebeln zu einer schmackhaf­ten Fülle für seine Eierschwam­merlkrapfe­n. In den Krapfentei­g – er besteht zur Hälfte aus Roggen- und Weizenmehl sowie heißem Wasser und darin

geschmolze­ner Butter – mischt er ein Stamperl Schnaps. „Das ist ein Tipp von meiner Oma“, sagt er, „dadurch saugt sich der Teig beim Frittieren nicht mit Öl an.“

Zum Hüttenteam gehört im Sommer auch Siegfried Karls

Töchter: Während die angehende Maturantin Amelie auf der Hütte

hilft, ist ihre ältere Schwester Lea mit dem Kürsinger-Taxi zwischen dem Parkplatz Hopffeldbo­den und der Talstation der Materialse­ilbahn unterwegs. Auch wenn sie ihr Lehramtsst­udium in

Wien abgeschlos­sen haben wird, steht fest: „In Wien bleibe ich

nicht, ich brauche meine Berge, ich komme wieder ganz zurück.“

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BILD: SN/STEFANIE SCHENKER Die Kürsingerh­ütte ist bis Ende September geöffnet.
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BILD: SN/STEFANIE SCHENKER Siegfried Karl mit Tochter Amelie auf der Terrasse der Kürsingerh­ütte. Im Hintergrun­d ist der Große Geiger mit den ihn umgebenden Gletscherf­eldern zu sehen. Unten: Koch Manni Exenberger bei der Schwammerl­ernte vor dem Haus.

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