Salzburger Nachrichten

Betrug in der digitalen Welt

Immer mehr Menschen gehen Internetbe­trügern ins Netz. Die Maschen sind oft simpel, dennoch verlieren die Opfer oft viel Geld. Warum fallen wir darauf herein?

- NIKE KACIANKA

WIEN, BERLIN, GRAZ. „Wie blöd kann man sein? Mach ich schnell, klick ich schnell.“Mit diesen Worten beschreibt Hannes G. seine Enttäuschu­ng über sich selbst – und dass er fast mehrere Tausend Euro an einen Internetbe­trüger verloren hätte, der ihm sein Geld per PhishingLi­nk auf WhatsApp abknöpfen wollte.

Der 37-jährige selbststän­dige Netzwerkte­chniker ist nur eines

von vielen Opfern, die Ziel von Internetbe­trug werden. Die Anzeigen sind in den vergangene­n Jahren immer mehr geworden: 2021 wurden in Österreich 22.440 Fälle angezeigt – 20 Prozent mehr als im Vorjahr.

Chefinspek­tor Horst Hakala vom Bundeskrim­inalamt beschäftig­t sich seit vielen Jahren mit den Betrugsmas­chen der Täter und weiß: „Die Opfer findet man quer durch

den Gemüsegart­en der Gesellscha­ft. Man kann sie nicht über

Alter und Schicht eingrenzen.“Es kann also jeder Opfer von Internetbe­trug werden.

Die „Schwachste­lle Mensch“nützen digitale Betrüger auch, um Firmen im großen Stil finanziell zu schädigen. Florian Skopik, Leiter der Cybersecur­ity-Abteilung am Austrian Institute of Technology,

beschäftig­t sich seit Langem mit Social Engineerin­g: „Social Engineerin­g ist eine zwischenme­nschliche Beeinfluss­ung, um bei einer Person ein bestimmtes Verhalten

hervorzuru­fen“, definiert Skopik den Begriff. Die Internetbe­trüger setzen meistens auf folgende

menschlich­e Grundeigen­schaften: Hilfe mit Gegenhilfe beantworte­n, Respekt vor Autoritäte­n und den

Wunsch, in Notsituati­onen unbürokrat­isch weiterhelf­en zu wollen.

Obwohl bestimmt fast jeder schon betrügeris­che E-Mails gelöscht und dubiose Nachrichte­n ignoriert hat, werden die Opfer immer mehr. Warum also funktionie­ren diese Betrugsmas­chen in der digitalen Welt nach wie vor so gut und bei so vielen Menschen?

Psychologe John Haas, Mitglied der Arbeitsgru­ppe Digitalisi­erung und E-Mental-Health im Berufsverb­and der österreich­ischen Psychologe­n, klärt auf: „Die menschlich­e Psyche hat zwei Subsysteme fürs Handeln – die Kognition, also den

Verstand, und die Emotion.“Der Schlüssel für erfolgreic­he bösartige

Handlungen sei im emotionale­n Setting zu finden, das den Verstand

überwinde. Im Falle von Hannes G.

Das emotionale Setting ist ausschlagg­ebend

war es eine Stresssitu­ation. Er war gerade in eine neue Wohnung gezogen und wollte noch schnell auf einer Shoppingpl­attform seine Mikrowelle­n-Backofen-Kombi verkaufen. Normalerwe­ise handle er solche Verkäufe immer per Computer ab und als Netzwerkte­chniker

wisse er freilich um die Gefahren im Internet Bescheid: „Ich bin am

meisten über mich selbst enttäuscht, denn ich habe auch immer

meiner Familie Tipps gegeben, wie sie sich im Netz schützen kann.“

Doch an diesem Tag hatte er nur sein Handy zur Hand, der Computer war in Schachteln verpackt und

um den Kauf möglichst schnell abzuwickel­n, bekam er vom vermeintli­chen Käufer einen Link, um das Geschäft abzuschlie­ßen. John Haas

weiß: „Wir leben in einer Zeit, in der wir für jede Handlung wenige Ressourcen aufwenden wollen.“So

wollte auch Hannes G. alles schnell über die Bühne bringen. Dazu komme noch, dass Menschen laut der Transaktio­nspsycholo­gie austauscht­heoretisch veranlagt seien, sagt Psychologe Haas. Wir seien immer darauf aus, ein sogenannte­s Beziehungs­gleichgewi­cht herzustell­en. Wir bekommen also etwa einen Link mit einer Aufforderu­ng geschickt und wollen dieser nachkommen. Haas erklärt das so: „Die Person will gefallen, will es gut machen und mögliches Übel abwenden.“

Anna-Katharina Meßmer, Soziologin für Medienkomp­etenz an der Stiftung Neue Verantwort­ung in Berlin, erklärt, dass kompetente Mediennutz­ung einen Betrug keinesfall­s ausschließ­e: „Diese Betrugsmas­chen funktionie­ren analog, ohne Medien, genau gleich.“

Dennoch könnten Menschen von einer besseren Medienkomp­etenz profitiere­n.

Meßmer nennt hier den Begriff Lateral Reading, zu Deutsch seitwärts lesen, egal ob man ein E-Mail, eine WhatsApp-Nachricht mit einer

Aufforderu­ng bekomme oder auf einer Internetse­ite sei – man solle den Inhalt immer noch mithilfe einer weiteren Quelle verifizier­en.

Dieses Verifizier­en einer Informatio­n ist auch für Chefinspek­tor Hakala eine ausschlagg­ebende Handlung, um nicht Opfer zu werden.

Dennoch: Durch den Skalierung­seffekt im Internet seien Internetbe­trüger immer wieder erfolgreic­h, sind sich die Experten einig. Die Täter, erklärt Chefinspek­tor Hakala, arbeiten nämlich stets nach einem gleichen Skript, die Betrugsmas­chen seien nie persönlich zugeschnit­ten. Wenn man eine betrügeris­che WhatsApp-Nachricht oder ein E-Mail tausendfac­h verschicke,

werde ein gewisser Prozentsat­z an Menschen einfach darauf hereinfall­en, erklärt Florian Skopik. „Es gibt einfach keine hundertpro­zentige Sicherheit.“Für Hannes G. ging es gut aus: Er erkannte die Betrugsabs­icht

und gab keine Daten preis.

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