Salzburger Nachrichten

Die Sieger von Tirol: Ein Einser vor dem Ergebnis!

Die SPÖ nennt ein Wahlziel und die Impfgegner erreichen es. – So verrückt können Wahlen sein.

- PURGER TORIUM Alexander Purger

Wer hat in Tirol eigentlich gewonnen? Und wer hat verloren? Das ist schwierige­r zu beantworte­n, als es zunächst scheint. Denn es offenbart sich ein mathematis­ches Dilemma: Nimmt man die absoluten Zahlen, ist die ÖVP mit 34,7 Prozent die große Siegerin. Nimmt man hingegen die Veränderun­g gegenüber der vorherigen

Wahl, ist sie mit einem Minus von 9,6 Prozentpun­kten die große Verliereri­n. Man kann es sich also aussuchen.

Politisch gesehen ist der Fall hingegen so klar wie ein Swarovski-Kristall: Die ÖVP, die das Land seit 1945 ununterbro­chen und unangefoch­ten regiert, tut dies – Prozentpun­kte hin oder her – auch weiterhin. Die Grünen werden als Koalitions­partner halt gegen die Roten ausgetausc­ht, die sich schon im Wahlkampf ganz

brav bei der ÖVP angestellt haben, und das war’s. Viel mehr gibt es über die angeblich so spektakulä­r verlaufene Tiroler Wahl machttechn­isch nicht zu sagen.

Selbstvers­tändlich wissen die Tiroler Schwarzman­der das ganz genau. Sie zeigen es

halt nicht. Ganz im Gegenteil. Am Wahlabend ging die gesamte ÖVP demütig in Sack und

Asche und versichert­e jedem, der es hören wollte, dass sie verloren und die Botschaft des

Wählers verstanden habe. Das war PR-mäßig erstklassi­g gemacht und zeigt, dass Politiker doch lernfähig sind.

Denn die Wiener SPÖ, die vor ein paar Wahlen einmal in einer ganz ähnlichen Situation war, bejubelte ihren Machterhal­t trotz Prozentver­lusten damals ganz überschwän­glich, was ihr als Überheblic­hkeit und mangelnde Demut

vor dem Wählerwill­en ausgelegt worden war. Daraus hat die Tiroler ÖVP gelernt und nun scheinbar das Büßergewan­d übergestre­ift. Ein schöner Sieg für die PR-Berater.

Und wer hat am Sonntag sonst noch gewonnen? Interessan­t ist, dass über Sieg und Niederlage heutzutage nicht mehr das Ergebnis

entscheide­t, sondern das, was davor steht. Die ÖVP wollte unbedingt „einen Dreier vor dem Ergebnis“, während die SPÖ als Wahlziel „einen Zweier vor dem Ergebnis“nannte. Das hat nicht ganz geklappt, denn die SPÖ erzielte einen Einser vor dem Ergebnis (genauso wie die nach eigenen Angaben siegreiche FPÖ). Das

Wahlziel der SPÖ wurde dafür von den Impfgegner­n erreicht: Die MFG kam auf 2,8 Prozent und hat somit – ein schöner Erfolg! – einen Zweier vor dem Ergebnis.

So gesehen haben die Neos einen Sechser vor dem Ergebnis und die Grünen sogar einen Neuner! Mehr geht nicht. Trotzdem fliegen sie

jetzt aus der Landesregi­erung, weil die ÖVP ohne Kurz-Effekt nicht mehr stark genug ist,

um mit ihnen eine Koalition zu bilden. Ob es den Grünen wohl schon leidtut, dass sie beim „Kurz muss weg“mitgeholfe­n haben?

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria