Die Sieger von Tirol: Ein Einser vor dem Ergebnis!
Die SPÖ nennt ein Wahlziel und die Impfgegner erreichen es. – So verrückt können Wahlen sein.
Wer hat in Tirol eigentlich gewonnen? Und wer hat verloren? Das ist schwieriger zu beantworten, als es zunächst scheint. Denn es offenbart sich ein mathematisches Dilemma: Nimmt man die absoluten Zahlen, ist die ÖVP mit 34,7 Prozent die große Siegerin. Nimmt man hingegen die Veränderung gegenüber der vorherigen
Wahl, ist sie mit einem Minus von 9,6 Prozentpunkten die große Verliererin. Man kann es sich also aussuchen.
Politisch gesehen ist der Fall hingegen so klar wie ein Swarovski-Kristall: Die ÖVP, die das Land seit 1945 ununterbrochen und unangefochten regiert, tut dies – Prozentpunkte hin oder her – auch weiterhin. Die Grünen werden als Koalitionspartner halt gegen die Roten ausgetauscht, die sich schon im Wahlkampf ganz
brav bei der ÖVP angestellt haben, und das war’s. Viel mehr gibt es über die angeblich so spektakulär verlaufene Tiroler Wahl machttechnisch nicht zu sagen.
Selbstverständlich wissen die Tiroler Schwarzmander das ganz genau. Sie zeigen es
halt nicht. Ganz im Gegenteil. Am Wahlabend ging die gesamte ÖVP demütig in Sack und
Asche und versicherte jedem, der es hören wollte, dass sie verloren und die Botschaft des
Wählers verstanden habe. Das war PR-mäßig erstklassig gemacht und zeigt, dass Politiker doch lernfähig sind.
Denn die Wiener SPÖ, die vor ein paar Wahlen einmal in einer ganz ähnlichen Situation war, bejubelte ihren Machterhalt trotz Prozentverlusten damals ganz überschwänglich, was ihr als Überheblichkeit und mangelnde Demut
vor dem Wählerwillen ausgelegt worden war. Daraus hat die Tiroler ÖVP gelernt und nun scheinbar das Büßergewand übergestreift. Ein schöner Sieg für die PR-Berater.
Und wer hat am Sonntag sonst noch gewonnen? Interessant ist, dass über Sieg und Niederlage heutzutage nicht mehr das Ergebnis
entscheidet, sondern das, was davor steht. Die ÖVP wollte unbedingt „einen Dreier vor dem Ergebnis“, während die SPÖ als Wahlziel „einen Zweier vor dem Ergebnis“nannte. Das hat nicht ganz geklappt, denn die SPÖ erzielte einen Einser vor dem Ergebnis (genauso wie die nach eigenen Angaben siegreiche FPÖ). Das
Wahlziel der SPÖ wurde dafür von den Impfgegnern erreicht: Die MFG kam auf 2,8 Prozent und hat somit – ein schöner Erfolg! – einen Zweier vor dem Ergebnis.
So gesehen haben die Neos einen Sechser vor dem Ergebnis und die Grünen sogar einen Neuner! Mehr geht nicht. Trotzdem fliegen sie
jetzt aus der Landesregierung, weil die ÖVP ohne Kurz-Effekt nicht mehr stark genug ist,
um mit ihnen eine Koalition zu bilden. Ob es den Grünen wohl schon leidtut, dass sie beim „Kurz muss weg“mitgeholfen haben?