Grüne vor bitterem Abschied
Stimmen verloren, Macht passé? Die Grünen fliegen wohl aus der nächsten Landesregierung. Kein gutes Omen für die Zukunft der Partei.
WIEN, INNSBRUCK. Die Grünen müssen sich von der nächsten Regierungsbeteiligung auf Landesebene
verabschieden: Nach mehr als neun Jahren gehen die Chancen, in den
kommenden Jahren weiter in Tirol mitzuregieren, gegen null. Eine Zweierkoalition mit der ÖVP scheitert an einer Mehrheit und es gilt als
unwahrscheinlich, dass sich die ÖVP auf eine Dreierkoalition mit
grüner Beteiligung einlassen könnte. Zwar ist die ÖVP am Wahltag
noch kapitaler abgestürzt als die Grünen – sie hat ein Viertel ihrer
Wähler von 2018 verloren. Sie hat aber trotzdem als mit Abstand stimmenstärkste Partei alle Trümpfe in der Hand. Ganz anders als die Grünen, die – realpolitisch – die größten Verlierer der Tiroler Landtagswahl sind: Sie haben nicht nur Stimmen verloren, sondern sie verlieren nun auch Einfluss und Macht. Mit 9,2 Prozent der Stimmen (2016: 10,7) sitzen sie bald wieder auf der Oppositionsbank und werden dort,
wie es der Innsbrucker Politikwissenschafter Ferdinand Karlhofer im SN-Interview sagte, künftig wohl nur noch eine „Randrolle“spielen.
Die grünen Reaktionen auf Bundesebene – wo die Grünen ebenso
wie bisher in Tirol mit der ÖVP koalieren – fielen eher verhalten aus. Die Situation sei „sehr herausfordernd“, sagte etwa die grüne
Klubchefin im Nationalrat, Sigrid Maurer. Aber angesichts der Themenlage – von Teuerung bis Energiekrise – habe Tirols Grünen-Chef Gebi Mair ein „respektables Ergebnis“erzielt. Und Grünen-Chef Werner Kogler sieht das Ergebnis nicht als Absage an die türkis-schwarzgrüne Regierung auf Bundesebene. Im Gegenteil: Man werde „entlang des Regierungsprogramms weiterarbeiten“, sagte Kogler. Bis 2024. Neuwahlen sind keine Option.
Auch deshalb nicht, weil der Blick Richtung Westen wie ein Blick in die Glaskugel ist: Bei der nächsten Nationalratswahl könnte den Grünen ein ähnliches Schicksal drohen. Stimmenverluste und der
Abschied aus der Regierungsverantwortung. Als Juniorpartner in der Regierung ist die Ausgangslage generell nicht einfach. Und wie Politikwissenschafter Peter Filzmaier in seiner Analyse für den ORF meinte: „Es wäre unlogisch, wenn man im Schatten einer schwächelnden ÖVP profitieren kann.“Also mitgefangen, mitgehangen.
„Natürlich“, sagt Innsbrucks Bürgermeister Georg Willi auf SN-Anfrage, sei diese Gefahr auch auf Bundesebene „latent“. Willi, der einst Tiroler Grünen-Chef war, findet es tragisch, dass jene Partei, die sich „am glaubwürdigsten und kompetentesten“für den Umbau
von einer fossilgetriebenen zu einer klimafreundlichen Lebensweise einsetze, nun zumindest in Tirol
nicht mehr in der Landesregierung
vertreten sei. Sein Tipp in Richtung Bund: So überzeugend zu argumentieren, dass das, was dringend zu tun ist, gemacht wird. Was er damit
meint? Dass sich die ÖVP im Bund „einen Ruck“geben solle und „alles,
was die grünen Ressorts in der Pipeline haben, umgesetzt wird“. Generell wünsche er sich, „dass sich die Grünen selbstbewusst hinstellen und sagen: Leute, die Bilder auf der
ganzen Welt zeigen, was es beim Klima geschlagen hat. Wir gehen voran und lösen das.“
Fakt ist für ihn freilich auch das: „Das Regieren in Krisenzeiten ist ein sehr undankbarer Job.“Die Erwartung sei, dass alle Probleme gelöst
würden und keine Fehler passierten. „In solchen Krisen ist es aber
nicht möglich, jeden Schritt richtig zu setzen“, betont er. Man arbeite „so gut wie möglich“und er wünsche sich, dass die Bürgerinnen und Bürger auch sehen, wie viel bereits
passiert sei, um etwa die Folgen der Teuerung für jene, die es am nötigsten brauchen, abzufedern.
Den Grünen bleibt angesichts der Gemengelage derzeit nur die
Hoffnung, dass sich die eine oder andere Krise bis 2024 beruhigt. Bis dahin stehen aber noch mehrere
Landtagswahlen an. Und nach Tirol steht etwa auch die Regierungsbeteiligung in Salzburg auf dem Spiel. Die nächste Wahl findet spätestens im Jänner in Niederösterreich statt,
wo die Grünen traditionell schwach aufgestellt sind. Wie hart der Abschied aus der Regierungsverantwortung ist, lässt sich übrigens am Beispiel Wien gut veranschaulichen: Da flogen 2020 die einst so starken Stadtgrünen nach zehn Jahren aus der Stadtregierung. Seither spielen sie kaum noch eine Rolle.
„Regieren in Krisenzeiten ist undankbar.“