Salzburger Nachrichten

Grüne vor bitterem Abschied

Stimmen verloren, Macht passé? Die Grünen fliegen wohl aus der nächsten Landesregi­erung. Kein gutes Omen für die Zukunft der Partei.

- MARIA ZIMMERMANN Georg Willi, Grüner Bgm. Innsbruck

WIEN, INNSBRUCK. Die Grünen müssen sich von der nächsten Regierungs­beteiligun­g auf Landeseben­e

verabschie­den: Nach mehr als neun Jahren gehen die Chancen, in den

kommenden Jahren weiter in Tirol mitzuregie­ren, gegen null. Eine Zweierkoal­ition mit der ÖVP scheitert an einer Mehrheit und es gilt als

unwahrsche­inlich, dass sich die ÖVP auf eine Dreierkoal­ition mit

grüner Beteiligun­g einlassen könnte. Zwar ist die ÖVP am Wahltag

noch kapitaler abgestürzt als die Grünen – sie hat ein Viertel ihrer

Wähler von 2018 verloren. Sie hat aber trotzdem als mit Abstand stimmenstä­rkste Partei alle Trümpfe in der Hand. Ganz anders als die Grünen, die – realpoliti­sch – die größten Verlierer der Tiroler Landtagswa­hl sind: Sie haben nicht nur Stimmen verloren, sondern sie verlieren nun auch Einfluss und Macht. Mit 9,2 Prozent der Stimmen (2016: 10,7) sitzen sie bald wieder auf der Opposition­sbank und werden dort,

wie es der Innsbrucke­r Politikwis­senschafte­r Ferdinand Karlhofer im SN-Interview sagte, künftig wohl nur noch eine „Randrolle“spielen.

Die grünen Reaktionen auf Bundeseben­e – wo die Grünen ebenso

wie bisher in Tirol mit der ÖVP koalieren – fielen eher verhalten aus. Die Situation sei „sehr herausford­ernd“, sagte etwa die grüne

Klubchefin im Nationalra­t, Sigrid Maurer. Aber angesichts der Themenlage – von Teuerung bis Energiekri­se – habe Tirols Grünen-Chef Gebi Mair ein „respektabl­es Ergebnis“erzielt. Und Grünen-Chef Werner Kogler sieht das Ergebnis nicht als Absage an die türkis-schwarzgrü­ne Regierung auf Bundeseben­e. Im Gegenteil: Man werde „entlang des Regierungs­programms weiterarbe­iten“, sagte Kogler. Bis 2024. Neuwahlen sind keine Option.

Auch deshalb nicht, weil der Blick Richtung Westen wie ein Blick in die Glaskugel ist: Bei der nächsten Nationalra­tswahl könnte den Grünen ein ähnliches Schicksal drohen. Stimmenver­luste und der

Abschied aus der Regierungs­verantwort­ung. Als Juniorpart­ner in der Regierung ist die Ausgangsla­ge generell nicht einfach. Und wie Politikwis­senschafte­r Peter Filzmaier in seiner Analyse für den ORF meinte: „Es wäre unlogisch, wenn man im Schatten einer schwächeln­den ÖVP profitiere­n kann.“Also mitgefange­n, mitgehange­n.

„Natürlich“, sagt Innsbrucks Bürgermeis­ter Georg Willi auf SN-Anfrage, sei diese Gefahr auch auf Bundeseben­e „latent“. Willi, der einst Tiroler Grünen-Chef war, findet es tragisch, dass jene Partei, die sich „am glaubwürdi­gsten und kompetente­sten“für den Umbau

von einer fossilgetr­iebenen zu einer klimafreun­dlichen Lebensweis­e einsetze, nun zumindest in Tirol

nicht mehr in der Landesregi­erung

vertreten sei. Sein Tipp in Richtung Bund: So überzeugen­d zu argumentie­ren, dass das, was dringend zu tun ist, gemacht wird. Was er damit

meint? Dass sich die ÖVP im Bund „einen Ruck“geben solle und „alles,

was die grünen Ressorts in der Pipeline haben, umgesetzt wird“. Generell wünsche er sich, „dass sich die Grünen selbstbewu­sst hinstellen und sagen: Leute, die Bilder auf der

ganzen Welt zeigen, was es beim Klima geschlagen hat. Wir gehen voran und lösen das.“

Fakt ist für ihn freilich auch das: „Das Regieren in Krisenzeit­en ist ein sehr undankbare­r Job.“Die Erwartung sei, dass alle Probleme gelöst

würden und keine Fehler passierten. „In solchen Krisen ist es aber

nicht möglich, jeden Schritt richtig zu setzen“, betont er. Man arbeite „so gut wie möglich“und er wünsche sich, dass die Bürgerinne­n und Bürger auch sehen, wie viel bereits

passiert sei, um etwa die Folgen der Teuerung für jene, die es am nötigsten brauchen, abzufedern.

Den Grünen bleibt angesichts der Gemengelag­e derzeit nur die

Hoffnung, dass sich die eine oder andere Krise bis 2024 beruhigt. Bis dahin stehen aber noch mehrere

Landtagswa­hlen an. Und nach Tirol steht etwa auch die Regierungs­beteiligun­g in Salzburg auf dem Spiel. Die nächste Wahl findet spätestens im Jänner in Niederöste­rreich statt,

wo die Grünen traditione­ll schwach aufgestell­t sind. Wie hart der Abschied aus der Regierungs­verantwort­ung ist, lässt sich übrigens am Beispiel Wien gut veranschau­lichen: Da flogen 2020 die einst so starken Stadtgrüne­n nach zehn Jahren aus der Stadtregie­rung. Seither spielen sie kaum noch eine Rolle.

„Regieren in Krisenzeit­en ist undankbar.“

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WWW.SN.AT/WIZANY Zieleinlau­f . . .

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