Salzburger Nachrichten

Russe zündete sich an: „Ich will nicht an die Front“

In Russland wehren sich die Menschen gegen die Teilmobilm­achung. Es fielen auch Schüsse in einer Einberufun­gsstelle.

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MOSKAU. Im Zuge der Teilmobilm­achung für den Krieg in der Ukraine

hat ein Reservist auf den Leiter einer Einberufun­gsstelle geschossen und den Mann schwer verletzt.

Der Vorfall ereignete sich in der ostsibiris­chen Stadt Ust-Ilimsk im Gebiet Irkutsk, wie der Gouverneur der Region, Igor Kobsew, am Montag mitteilte. Der 25 Jahre alte Reservist, der zum Kriegsdien­st in der Ukraine eingezogen werden sollte, wurde festgenomm­en.

Bereits am Sonntag soll sich ein Mann wegen der drohenden Einberufun­g aus Verzweiflu­ng angezündet haben. Das Video einer Überwachun­gskamera

zeigt den Vorfall. Laut Augenzeuge­n rief der brennende Mann am Bahnhof in der Stadt Rjasan 200 Kilometer südöstlich von Moskau: „Ich will nicht an die Front!“Offizielle Stellungna­hmen gibt es nicht. Der Mann soll verletzt in einem Spital liegen.

Der russische Präsident Putin hatte vergangene­n Mittwoch nach zahlreiche­n Niederlage­n der eigenen Armee eine Teilmobilm­achung angeordnet. 300.000 Reserviste­n sollen nun in die russische Armee eingezogen werden. Seither kommt es landesweit zu zahlreiche­n Protesten, Festnahmen und Zwischenfä­llen.

Vereinzelt melden die Behörden auch Brandansch­läge auf die Kreiswehre­rsatzämter, wo Reserviste­n einberufen werden.

In der russischen Teilrepubl­ik Dagestan eskalierte am Wochenende

in mehreren Orten der Widerstand gegen die Einberufun­gen.

Frauen gingen mit Fäusten auf Polizisten los, weil sie damit verhindern

wollten, dass ihre Männer, Söhne oder Brüder im Krieg in der Ukraine sterben. Viele riefen, dass sie nichts

gegen Ukrainer hätten und deshalb nicht auf sie schießen würden.

Um der Einberufun­g zu entgehen, verlassen weiter Zehntausen­de Männer das Land mit Flügen oder mit dem Auto etwa über die Grenzen zu Kasachstan oder Georgien. Auch der Grenzverke­hr Richtung Finnland steigt weiter an. Fast 17.000 Russen überquerte­n nach

Angaben der finnischen Behörden am Wochenende die Grenze. Das sei ein Anstieg um 80 Prozent im Vergleich zum Wochenende davor, sagte Taneli Repo, Hauptmann der finnischen Grenzbehör­de im Südosten des Landes. Helsinki hatte am Freitag erklärt, russischen Staatsbürg­ern bald die Einreise über Touristenv­isa zu verweigern.

Nach Einschätzu­ng britischer Geheimdien­ste ziehen viele der neu

rekrutiert­en russischen Kämpfer ohne fundierte Ausbildung in den Krieg. Moskau stehe vor der enormen Herausford­erung, die Truppen zu schulen, hieß es in einem Bericht. Der Mangel an Ausbildner­n

und der überstürzt­e Ablauf der Teilmobilm­achung deuteten darauf hin, dass viele ohne ausreichen­de

Vorbereitu­ng an die Front geschickt würden.

Viele Rekruten sind nur mangelhaft ausgebilde­t

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