Es fehlt an Qualität, um die Topteams zu bezwingen
Der zweite Lehrgang unter Ralf Rangnick war ernüchternd. Dem ÖFB-Team wurden die Grenzen deutlich aufgezeigt.
WIEN. Nach klaren Niederlagen gegen Frankreich (0:2) und Kroatien (1:3) muss das österreichische Fußball-Nationalteam aus der Gruppe A der Nations League absteigen. Die SN analysieren die Baustellen im ÖFB-Team und zeigen auf, was
fehlt, um mit den Topnationen dauerhaft mithalten zu können.
Kein Top-Torhüter: Nach dem Kroatien-Spiel ist die Tormannfrage
wohl endgültig geklärt. Heinz Lindner machte bei der 1:3-Pleite nicht die beste Figur und ist nun im
Kampf mit Patrick Pentz klar im Hintertreffen. Doch auch der Salzburger, der beim französischen Nachzügler Reims zuletzt nur auf der Bank saß, ist von internationaler Klasse (noch) ein Stück weit entfernt. Seine fußballerischen Fähigkeiten sind zwar außergewöhnlich, aber bei hohen Bällen und auf der Linie hat der 25-Jährige noch Verbesserungspotenzial.
Es ist zwar nicht so, dass Österreich ein akutes Tormannproblem
hat, ein Yann Sommer (Schweiz), Kasper Schmeichel (Dänemark) oder Péter Gulácsi (Ungarn) steht Rangnick jedoch nicht zur Verfügung. Diese Goalies haben aber großen Anteil daran, dass diese „kleineren“Fußball-Nationen regelmäßig für Überraschungen sorgen können. In Österreich ist so ein
Weltklasse-Rückhalt derzeit leider nicht in Sicht.
Außenverteidiger fehlen: Die wohl
größte Baustelle im ÖFB-Team sind die Außenverteidiger. Zu den beiden Oldies Christopher Trimmel (35) und Andreas Ulmer (36), die ein
Ablaufdatum haben, gibt es keine ernsthaften Alternativen. Zudem
fehlt Trimmel, im Gegensatz zu Ulmer,
gegen internationale Topspieler das nötige Tempo. Rangnick ist sich auch bewusst, dass die Außenverteidigung eine der größten Problemzonen ist. Eine wirkliche Lösung hat der Deutsche aber noch
nicht gefunden. Vielleicht greift er in Zukunft öfters zur Dreierkette, die gegen Kroatien über eine Stunde sehr gut funktioniert hat. Erst die
Umstellung auf Viererkette brachte das Nationalteam im letzten Nations-League-Spiel auf die Verliererstraße.
Kein Torjäger in Sicht: Dass Österreich aber auch an vorderster Front
Probleme hat, war am Sonntag in
Wien deutlich zu sehen. Während die Kroaten drei ihrer wenigen Torchancen eiskalt verwerten konnten,
ließen Marko Arnautovic und Christoph Baumgartner in der ersten Halbzeit Topmöglichkeiten liegen. Arnautovic, der seit Sonntag mit 104 Einsätzen Österreichs Rekordteamspieler ist, spielte gegen die Kroaten zwar deutlich besser als ein paar Tage zuvor gegen Frankreich, aber es wurde wieder einmal deutlich, dass sich auch der ItalienLegionär in wichtigen Spielen mit dem Toreschießen schwertut.
Mit Michael Gregoritsch und Karim
Onisiwo hat Rangnick zwar zwei weitere Angreifer zur Verfügung, die in der deutschen Bundesliga regelmäßig für Aufsehen sorgen. Gegen internationale Topgegner sieht aber auch dieses Duo selten gut aus. Bitter ist, dass mit Sasa Kalajdzic ein talentierter Angreifer, der in den kommenden Jahren zu einem Topstürmer reifen kann, wegen eines Kreuzbandrisses lange fehlen wird.
Zu wenig Tempo: Der Fußball hat sich in den vergangenen Jahren zu einem reinen Tempospiel entwickelt. Mannschaften, die auf den
Außenbahnen, aber auch im zentralen Mittelfeld über schnelle Spieler verfügen, sind klar im Vorteil. Das hat Red Bull Salzburg schon vor einigen Jahren erkannt und setzt fast ausschließlich auf Spieler mit
Tempo. Nur mit solchen Kickern ist der offensive Pressingfußball umsetzbar. Rangnick wollte die RedBull-Philosophie auch im Nationalteam einführen: Doch mit dem aktuellen Spielermaterial ist das nur schwer möglich. Österreich verfügt derzeit eigentlich nur über zwei
Spieler, die mit ihrer Schnelligkeit auch international mithalten können. Christoph Baumgartner, der
gegen Kroatien stark spielte, und Konrad Laimer, der im zweiten Rangnick-Lehrgang verletzt fehlte.
Während Frankreich und Kroatien mit ihren schnellen Außenbahnspielern immer Druck machen können, kann das ÖFB-Team mit seinen Flügelspielern nur wenige Gegner
gefährden.
Anspruch und Wirklichkeit: Nur
wenn Rangnick diese Problemzonen in den kommenden Monaten in den Griff bekommt, kann er den
Abstand zur Weltspitze verringern. Doch auch der Deutsche ist, wie sein Vorgänger Franco Foda, kein
Zauberer, sondern kann nur mit dem Material arbeiten, das ihm zur
Verfügung steht. Und vielleicht muss sich die Öffentlichkeit damit abfinden, dass die aktuelle Nationalmannschaft keine goldene Generation ist, sondern die Qualität doch nicht ausreicht, um gegen
Teams wie Frankreich oder Kroatien dauerhaft bestehen zu können.