Leonie: Eine Anklage, wie es sie noch nie gab
Drei Afghanen werden der Vergewaltigung mit Todesfolge beschuldigt. Die Verhandlung könnte aber ohne Zuschauer stattfinden.
Es ist ein Prozess mit einer Anklage, wie es sie in dieser Form in Österreich seit Jahrzehnten nicht mehr gab: Vergewaltigung mit Todesfolge und schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen. Drei junge Afghanen müssen sich ab Dienstag am
Wiener Landesgericht verantworten. Ihnen wird zur Last gelegt, am 26. Juni 2021 die 13-jährige Leonie zuerst unter Drogen
gesetzt und sich anschließend an ihr vergangen zu haben. Als
beim Opfer aufgrund einer Überdosis Ecstasy-Tabletten (aufgelöst in einem Glas Wasser) die Atmung aussetzte, gerieten die Männer im Alter von 19 bis 23
Jahren in Panik. Sie schleppten das reglose Mädchen aus der
Wohnung und lehnten es gegen einen Baum. So sieht es die Staatsanwaltschaft. Sämtliche Angeklagte bestreiten das.
Insgesamt sind sieben Verhandlungstage angesetzt. Die Urteile sollen am 6. Oktober gefällt werden. Für den ältesten
Angeklagten, der im Tatzeitraum über 21 und somit erwachsen war,
geht es bei einem Schuldspruch um zehn bis 20 Jahre oder lebenslang.
Die beiden anderen müssen mit bis zu 20 Jahren Gefängnis rechnen.
Einen ähnlich gelagerten Fall hat es in Österreich bislang noch nicht
gegeben. Wegen Vergewaltigung mit Todesfolge war am 28. Jänner 2019 ein gebürtiger Österreicher in Deutschland zu neun Jahren Haft
verurteilt worden. Der damals 43jährige Arzt hatte mehrere Frauen mit Drogen sexuell gefügig gemacht. Eine davon starb an den Folgen. Für den Mediziner wurde auch die Sicherungsverwahrung angeordnet – ähnlich der Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, wie es sie in Österreich für Verurteilte gibt, von denen nach Ansicht des Gerichts eine besondere Gefährlichkeit ausgeht.
Laut Gerichtlicher Kriminalstatistik gab es im Jahr 2020 insgesamt 701 Verurteilungen wegen strafbarer Handlungen gegen die sexuelle
Integrität und Selbstbestimmung.
Von diesen waren 408 mit sogenannten Deliktkombinationen –
wenn noch eine oder mehrere Straftaten zusätzlich angeklagt waren. Das ist bei mehr als 40 Prozent der
Verurteilungen so. Deshalb ist die Anzahl der Deliktkombinationen deutlich höher als die Anzahl der
Verurteilungen mit Deliktkombinationen. Im Fall von strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung gab es 847 Deliktkombinationen. 75 Prozent davon entsprachen Kombinationen aus der gleichen Deliktsgruppe. Wie im Fall der 13-jährigen Leonie. Auch hier sind Vergewaltigung und schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen angeklagt.
Der mit Spannung erwartete Prozess könnte – zumindest teilweise –
unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Die Anwälte der Angehörigen von Leonie haben einen entsprechenden Antrag angekündigt. Details zu den Verbrechen vor größerem Publikum zu erörtern
könne den Hinterbliebenen nicht zugemutet werden. Die Entscheidung fällt der Schöffensenat nach den Eröffnungsplädoyers.
Den Angeklagten drohen jahrelange Haftstrafen