Salzburger Nachrichten

Leonie: Eine Anklage, wie es sie noch nie gab

Drei Afghanen werden der Vergewalti­gung mit Todesfolge beschuldig­t. Die Verhandlun­g könnte aber ohne Zuschauer stattfinde­n.

- ANDREAS TRÖSCHER

Es ist ein Prozess mit einer Anklage, wie es sie in dieser Form in Österreich seit Jahrzehnte­n nicht mehr gab: Vergewalti­gung mit Todesfolge und schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen. Drei junge Afghanen müssen sich ab Dienstag am

Wiener Landesgeri­cht verantwort­en. Ihnen wird zur Last gelegt, am 26. Juni 2021 die 13-jährige Leonie zuerst unter Drogen

gesetzt und sich anschließe­nd an ihr vergangen zu haben. Als

beim Opfer aufgrund einer Überdosis Ecstasy-Tabletten (aufgelöst in einem Glas Wasser) die Atmung aussetzte, gerieten die Männer im Alter von 19 bis 23

Jahren in Panik. Sie schleppten das reglose Mädchen aus der

Wohnung und lehnten es gegen einen Baum. So sieht es die Staatsanwa­ltschaft. Sämtliche Angeklagte bestreiten das.

Insgesamt sind sieben Verhandlun­gstage angesetzt. Die Urteile sollen am 6. Oktober gefällt werden. Für den ältesten

Angeklagte­n, der im Tatzeitrau­m über 21 und somit erwachsen war,

geht es bei einem Schuldspru­ch um zehn bis 20 Jahre oder lebenslang.

Die beiden anderen müssen mit bis zu 20 Jahren Gefängnis rechnen.

Einen ähnlich gelagerten Fall hat es in Österreich bislang noch nicht

gegeben. Wegen Vergewalti­gung mit Todesfolge war am 28. Jänner 2019 ein gebürtiger Österreich­er in Deutschlan­d zu neun Jahren Haft

verurteilt worden. Der damals 43jährige Arzt hatte mehrere Frauen mit Drogen sexuell gefügig gemacht. Eine davon starb an den Folgen. Für den Mediziner wurde auch die Sicherungs­verwahrung angeordnet – ähnlich der Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrec­her, wie es sie in Österreich für Verurteilt­e gibt, von denen nach Ansicht des Gerichts eine besondere Gefährlich­keit ausgeht.

Laut Gerichtlic­her Kriminalst­atistik gab es im Jahr 2020 insgesamt 701 Verurteilu­ngen wegen strafbarer Handlungen gegen die sexuelle

Integrität und Selbstbest­immung.

Von diesen waren 408 mit sogenannte­n Deliktkomb­inationen –

wenn noch eine oder mehrere Straftaten zusätzlich angeklagt waren. Das ist bei mehr als 40 Prozent der

Verurteilu­ngen so. Deshalb ist die Anzahl der Deliktkomb­inationen deutlich höher als die Anzahl der

Verurteilu­ngen mit Deliktkomb­inationen. Im Fall von strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbest­immung gab es 847 Deliktkomb­inationen. 75 Prozent davon entsprache­n Kombinatio­nen aus der gleichen Deliktsgru­ppe. Wie im Fall der 13-jährigen Leonie. Auch hier sind Vergewalti­gung und schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen angeklagt.

Der mit Spannung erwartete Prozess könnte – zumindest teilweise –

unter Ausschluss der Öffentlich­keit stattfinde­n. Die Anwälte der Angehörige­n von Leonie haben einen entspreche­nden Antrag angekündig­t. Details zu den Verbrechen vor größerem Publikum zu erörtern

könne den Hinterblie­benen nicht zugemutet werden. Die Entscheidu­ng fällt der Schöffense­nat nach den Eröffnungs­plädoyers.

Den Angeklagte­n drohen jahrelange Haftstrafe­n

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