Unzufrieden mit Jugendanstalt
Für junge Straftäter gibt es österreichweit nur ein Gefängnis. Die Volksanwaltschaft fordert kleinere Einheiten, Jugendliche sollten auf Haftanstalten im ganzen Land verteilt werden.
WIEN. Die halbleere Jugendstrafvollzugsanstalt in Gerasdorf (Bezirk Neunkirchen) sollte künftig zur Entlastung der komplett überfüllten Justizanstalten für Erwachsene dienen. Die derzeit dort untergebrachten Jugendlichen könnten stattdessen wohnortnah in kleineren Einheiten angehalten werden.
Für Volksanwältin Gabriele Schwarz ist die Einrichtung im Süden Niederösterreichs nicht nur
veraltet, sondern auch geografisch schwierig zu erreichen. „Telefonieren ist kein Ersatz für einen persönlichen Besuch. Gewisse Sozialkontakte sind dort nicht möglich, Jugendliche werden von ihren Wurzeln abgeschnitten“, argumentiert die frühere ÖVP-Spitzenpolitikerin.
Die Ausstattung der einzigen Justizanstalt für Jugendliche in Österreich stamme aus den 1970er-Jahren. Veraltet seien demnach auch die Berufe, die junge Straftäter dort erlernen könnten. Für Vollzugsbedienstete ist um 15.30 Uhr Dienstschluss und am Wochenende gibt es
keine Besuchsdienste. Entsprechend frustriert sind offensichtlich die 63 in Gerasdorf einsitzenden
Jugendlichen und jungen Erwachsenen. „Kaum ein Jugendlicher, der
nicht über die Verhältnisse in Gerasdorf klagt“, sagt Manuela Albl
von der Volksanwaltschaft. „Die Generaldirektion wird überschwemmt mit Versetzungsgesuchen.“
Eine Resozialisierung vor Ort wäre für Reinhard Klaushofer, den Leiter der Bundeskommission für den Straf- und Maßnahmenvollzug, viel sinnvoller. Allerdings müssten dann die Justizanstalten der Landesgerichte in den Bundesländern
neu aufgesetzt werden. „Jugendliche
haben besonderen Förderbedarf“, erklärt Klaushofer. Es mangle an Fachpersonal (Psychologen, Pädagogen, Sozialarbeitern) bei der Begleitung beim Erwachsenwerden.
Rund ein Drittel der männlichen jungen Straftäter gilt als gefährlich und befindet sich im Maßnahmenvollzug, wo es zeitlich unbegrenzt eingesperrt werden kann. Ein Mal
im Jahr überprüft derzeit ein Psychiater,
ob die Gefährdung noch
vorliegt. Auch das soll sich ändern: Künftig soll der Maßnahmenvollzug bei Jugendlichen mit maximal 15 Jahren zeitlich begrenzt werden
und alle sechs Monate eine psychiatrische Untersuchung erfolgen.
Peter Kastner von der Volksanwaltschaft kritisiert, dass es für Straftäter im Maßnahmenvollzug nach der Entlassung zu wenig integrative Therapiekonzepte gebe. Als Ursache ortet er den Föderalismus: Der Strafvollzug sei Bundessache
und ende mit der Entlassung. Danach kämen die Betroffenen häufig in sozialtherapeutische Wohneinheiten beziehungsweise Pflegeeinrichtungen, die wiederum in die Kompetenz der Länder fielen. „Es fehlt die Drehtür, das Ineinandergreifen“, so Kastner.
Derzeit sitzen vier Mädchen und 16 weibliche junge Erwachsene in den Frauenabteilungen in Gefängnissen. Es gebe keinen eigenen Vollzugsbereich für Mädchen und die Justizanstalten scheuten davor zurück, gemischtgeschlechtliche Freizeitbetreuung anzubieten. Somit
wird ihnen der Zugang zu Kochen, Basteln, Malen oder Sport verwehrt. „Die geringe Anzahl an weiblichen Jugendlichen in Haft kann keine Rechtfertigung für schlechtere Haftbedingungen sein“, betont Schwarz.