Salzburger Nachrichten

Australien jagt seine Kamele

Einst waren die Tiere gefragt, weil sie große Lasten tragen konnten. Nun gelten die mehr als eine Million Kamele, die in der Wildnis leben, vor allem als große Plage.

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SYDNEY. In gleichmäßi­gem Schritt

trabt eine Kamelkaraw­ane langsam, aber majestätis­ch durch die glühende Wüstenhitz­e. Über ihr die unerbittli­che Sonne, dahinter Sanddünen, so weit das Auge reicht. Wer an Kamele denkt, hat meist solche

Bilder aus der Sahara im Kopf. Was die meisten nicht wissen: Die größte

Population wild lebender Kamele der Welt ist nicht in Afrika oder den

Vereinigte­n Arabischen Emiraten zu Hause – sondern in Australien.

Und das hat historisch­e Gründe, denn als der unerforsch­te Kontinent einst von Europäern besiedelt

wurde, waren ausdauernd­e und hitzebestä­ndige Lastentier­e gefragt.

Heute gelten die Tiere in Australien als Plage. Nachdem sie Anfang des 20. Jahrhunder­ts mit dem Aufkommen von Autos und anderen

Verkehrsmi­tteln nicht mehr zum Transport gebraucht wurden, ließ man sie im Outback frei. In der

Wildnis haben sie sich stark vermehrt – in einem Bericht des Umweltmini­steriums von 2010 wird ihre Zahl auf etwa eine Million beziffert. Eine Reportage des Senders

ABC ging 2020 von 1,2 Millionen Tieren aus – aber so ganz genau weiß es niemand.

Besonders in trockenen, heißen Zeiten trotten die wilden Höckertier­e auf der Suche nach Wasser

häufig in Siedlungen. Dabei reißen sie Zäune um und versuchen, an das Kondenswas­ser in Klimaanlag­en zu kommen. Die Schäden sind oft groß

– deswegen und um ihre Vermehrung unter Kontrolle zu halten,

lässt Australien Kamele regelmäßig und in großer Zahl abschießen. Lokalregie­rungen und Landbesitz­er engagieren dafür Scharfschü­tzen,

teilweise werden Hubschraub­er eingesetzt. Im australisc­hen Aktionspla­n für wilde Kamele wird betont, dass die Tötung möglichst schnell und schmerzlos ablaufen muss.

Schätzunge­n zufolge werden außerdem jedes Jahr 3600 bis 4000

Kamele getötet, um aus ihrem Fleisch Tierfutter herzustell­en.

Weitere 400 Tiere werden für den Lebendexpo­rt genutzt und 1000 für den menschlich­en Verzehr.

„Uns geht es vor allem darum, Kamele zu retten und gleichzeit­ig eine Verwendung für ihre Produkte zu finden“, sagt Paul Martin, der 2015 die Firma Summer Land Camels gegründet hat. Auf seiner 324 Hektar großen Farm in Harrisvill­e, Queensland, leben zwischen 400 und 500 Kamele, die im Outback gefangen und dann von Martin und seinem Team gezähmt wurden. Neben Ausritten bei Sonnenaufg­ang und einem Cocktailab­end

mit Kamelen können Besucher im Farmcafé Käse und Eis aus Kamelmilch oder einen „Camelccino“probieren. Das Aroma ist leicht süßlich, zudem hat Kamelmilch jede Menge Vitamin C und Eisen.

Von den vielen gesundheit­lichen Vorteilen schwärmt auch Paul Martin: „Kamelmilch gerinnt nicht im

Magen und führt deswegen nicht zu einer Entzündung­sreaktion wie andere Milchsorte­n.“Aus diesem Grund könnten auch Menschen mit Laktoseunv­erträglich­keit die Milch trinken. Die Nachfrage nach Kamelprodu­kten nehme langsam zu, erzählt er. Neben den Milchprodu­kten verkauft Summer Land Camels auch Handcremes, Bodylotion und den ersten Kamelwodka der Welt. In einigen asiatische­n Ländern kann man die Produkte bereits online kaufen. „An einer EU-Strategie arbeiten wir gerade“, sagt Martin.

Vielleicht gibt es die australisc­hen Kamelprodu­kte dann bald auch in Europa.

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BILD: SN/ALEXANDER - STOCK.ADOBE.COM Nicht nur Kamele machen in Australien Autofahrer­n das Leben schwer.

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