Salzburger Nachrichten

Putin ist nur mit Stärke beizukomme­n

Auch am Tag, als die Farce der Referenden in der Ukraine endete, drohte Russland mit Atomwaffen. Wie lässt sich die Eskalation­sspirale bremsen?

- Gerhard Schwischei GERHARD.SCHWISCHEI@SN.AT

Besser hätte man den Krieg in der Ukraine nicht auf den Punkt bringen

können, als dies US-Außenminis­ter Antony Blinken jüngst im UN-Sicherheit­srat tat: „Wenn Russland aufhört zu

kämpfen, ist der Krieg zu Ende. Wenn die Ukraine aufhört zu kämpfen, ist die Ukraine am Ende.“

So klar und ernüchtern­d zugleich ist derzeit auch die Realität: Ein Ende des Krieges ist alles andere als in Sicht. Der

russische Präsident Wladimir Putin dreht weiter an der Eskalation­sspirale

und wirft wie ein schwer angeschlag­ener Boxer noch einmal alles in den Kampf, was er zu bieten hat. Mit der auch am Dienstag wiederholt­en Drohung, Atomwaffen einzusetze­n. Mit der Teilmobilm­achung von Soldaten. Und mit Scheinrefe­renden über eine Annexion, die am Dienstag in den besetzten Regionen im Osten und Süden der Ukraine zu Ende gegangen sind.

Es ist an Zynismus nicht zu überbieten, zunächst ein unabhängig­es Land zu überfallen, sich Teile davon einzuverle­iben, im selben Atemzug so zu tun, als werde man selbst angegriffe­n, und dann auch noch die Atomkeule zu schwingen. Das Alarmieren­de an dieser Situation ist, dass weltweit hochrangig­e Militärs und Politiker Putin inzwischen in seiner

völligen Unberechen­barkeit alles zutrauen. Umso mehr kommt es daher jetzt

für die Ukraine und den Westen darauf an, mit Stärke zu antworten. Die USA

ließen denn auch keine Zweifel offen: Die Konsequenz­en bei einem Einsatz nuklearer Waffen wären „außerorden­tlich“und „real“.

Das Gleichgewi­cht des Schreckens bewahrte die Welt seit dem Zweiten Weltkrieg vor dem Einsatz von Atomwaffen. Das Wissen, wenn der eine losschlägt,

wird der andere mit gleicher Macht zurückschl­agen, bremste die Atommächte ein. Daher ist unausweich­lich: Der Westen muss die Ukraine weiter unterstütz­en – militärisc­h, finanziell, politisch.

Alles andere wäre nicht nur ein Verrat an den eigenen Werten, sondern würde den russischen Präsidente­n nur ermutigen, seine imperialis­tischen Fantasien

weiter zu verfolgen. Nur so können die Chancen auf einen Waffenstil­lstand und Friedensve­rhandlunge­n wachsen. Der Druck auf Putin dazu wird größer, auch

von Staatenfüh­rern wie aus China oder Indien, die ihm grundsätzl­ich wohlgesinn­t sind, aber keine weitere Eskalation dieses Konflikts wollen.

Das Paradoxe ist: Um eine weitere Eskalation in diesem Krieg gegen die

Ukraine zu vermeiden, kann man gerade in der eigenen Eskalation der Mittel

nicht nachlassen.

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