Salzburger Nachrichten

Gemeinnütz­ige hoffen auf Hilfe

Für soziale Einrichtun­gen zeichnen sich enorme Teuerungen ab, zum Teil das Zehnfache an Energiekos­ten. Ob und von welcher Seite sie Unterstütz­ung bekommen, wird aktuell verhandelt.

- JULIA HERRNBÖCK

308.672 Euro für Strom, statt wie bisher 25.483 Euro. 241.419 Euro für Gas, statt 35.204 Euro. So würde sie aussehen, die neue Energiekos­tenabrechn­ung für den Wiener Sozialvere­in GIN. Im Frühjahr kündigte Wien Energie die seit Jahren bestehende­n Verträge auf. Der Schock

war groß, als am Freitag die neuen Tarife angeboten wurden: „Anbei

unsere Preisindik­ation heute, Freitag, haltbar bis 13.00 Uhr“, steht im E-Mail von Wien Energie an die Geschäftsf­ührung. Zeit für die Entscheidu­ng? Eineinhalb Stunden.

Rund 450 Menschen mit geistigen und mehrfachen Behinderun­gen werden in den Einrichtun­gen

von GIN betreut. Sie wohnen, leben und arbeiten dort. Zusätzlich müssen Kosten für die rund 450 Mitarbeite­r gedeckt werden. Preissteig­erungen in der Größenordn­ung sind für gemeinnütz­ige Unternehme­n eine Katastroph­e. Die Erhöhungen können nicht weiterverr­echnet

werden, da die Einkünfte von der öffentlich­en Hand, den Klientinne­n selbst oder Spendern stammen. Reserven gibt es in der Regel auch

nicht, da gemeinnütz­ige Organisati­onen meist kostendeck­end arbeiten.

Ab einem Verbrauch von mehr als 400.000 Kilowattst­unden rutschen Kunden wie GIN in die Kategorie Großkunden, egal ob gemeinnütz­ig oder gewinnorie­ntiert. Wegen der hohen Schwankung­en könne man Angebote nur kurzfristi­g gewährleis­ten, erklärt Wien Energie.

„Als Geschäftsf­ührerin bin ich haftbar. Wie soll ich einen zehnfach höheren Vertrag auf zwei Jahre abschließe­n, wenn ich nicht weiß, wie

diese Steigerung abgedeckt werden soll?“, fragt sich Petra Dobler von GIN. Der laufende Vertrag endet mit

Oktober. Was bis dahin – oder danach – passiert, weiß sie nicht. Beim Fonds Soziales Wien (FSW), der die

Arbeit von GIN über Tagsätze finanziert, heißt es dazu, dass im Einzelfall Echtkosten­vorschuss beantragt werden kann, es aber noch keine Gesamtlösu­ng gibt. Delogierun­gen und Schließung­en sollen jedenfalls verhindert werden.

Die Unsicherhe­it zieht sich derzeit durch den gesamten sogenannte­n dritten Sektor, der von Bildung

bis Rettungsar­beit und Pflegedien­st eine breite Palette abdeckt. Anders als für Privatpers­onen und Firmen steht noch keine Lösung zur

Abfederung der Teuerungen für diesen Bereich fest. Fallen gemeinnütz­ige Organisati­onen unter das Unternehme­ns-Energiekos­tenzuschus­sgesetz, das bei

Wirtschaft­sminister Martin Kocher ressortier­t? Oder wird der NPO-Fonds unter der Führung

von Vizeminist­er Werner Kogler dafür herangezog­en?

Der Bedarf für Unterstütz­ung scheint groß: Das neu geschaffen­e Bündnis für Gemeinnütz­igkeit fragte bei den Mitglieder­n in ganz Österreich ab, wie stark sie

von Teuerungen betroffen sind. Mehr als 500 Organisati­onen haben bisher geantworte­t, vier von fünf geben an, stark betroffen zu sein. Ob auch Vereine vom Energiekos­tenzuschus­s erfasst sind, der am Mittwoch im Ministerra­t

präsentier­t werden soll, ist bis Redaktions­schluss offen.

Für die Arbeit sozialer Einrichtun­gen ist die Lage prekär. „Das Hingehalte­n-Werden ist zermürbend, gerade in diesem Bereich. Es wirkt wie ein Brandbesch­leuniger auf den Personalma­ngel“, sagt Irina Nalis-Neuner, Obfrau von GIN.

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